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Session: 15.02.2010
Das Jahr 2010 ist als „Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ bezeichnet worden. In diesem Zusammenhang hat die Hilfsorganisation Caritas das Ziel proklamiert, wonach die Armut in der Schweiz in den kommenden zehn Jahren halbiert werden soll.

Vor vier Jahren hatte Caritas bereits darauf hingewiesen, dass in der Schweiz eine Million Menschen in Armut lebten. Gemäss den neuesten Angaben dieser anerkannten Hilfsorganisation ist diese Zahl inzwischen leicht gesunken. Ende 2009 seien in der Schweiz 896‘000 Menschen von Armut betroffen gewesen. Dies bedeutet, dass diese Menschen Hilfe vom Staat beanspruchen könnten. Andere Schätzungen gehen von rund 700‘000 von Armut betroffenen Personen aus. Diese Unterschiede in der Berechnung der Armutsquote kommen zu Stande, ob und in welchem Ausmass Personen mitberücksichtigt werden, die Sozialleistungen beziehen. Gemäss Angabe von Caritas nahmen 2007 in der Schweiz allerdings nur 26 Prozent der Armen Sozialhilfe in Anspruch.

Erstaunlicherweise ist die Armutssituation vieler Menschen in unserem Land resp. in den einzelnen Kantonen kaum genau erfasst. Gemäss ihren Schätzungen rechnet Caritas allerdings damit, dass in unserem Land mindestens 260‘000 Kinder in Armut aufwachsen müssten. Von der Politik erwartet darum der Direktor der Caritas, dass die notwendigen Daten zur Armut kontinuierlich erarbeitet würden.

Einen umfassenden Sozialbericht, wie ihn beispielsweise der Kanton Bern 2008 veröffentlicht hat, gibt es in unserem Kanton bisher nicht. Ein Armutsbericht kombiniert unter anderem statistische Situationsanalysen mit Handlungsempfehlungen für eine moderne Armutspolitik, die in die Menschen und ihre Möglichkeiten investiert. Auf Bundesebene ist der Bundesrat derzeit dabei, eine Strategie zur Bekämpfung der Armut zu formulieren. Gemäss einem Bericht in der NZZ vom 16. Januar 2010 sei dieser Bericht, der vom Bundesparlament in Auftrag gegeben worden ist, allerdings in Verzug geraten. In die Erarbeitung des Berichtes des Bundes seien unter anderem auch die Kantone eingebunden worden. Da die Armut in den verschiedenen Landesteilen sich in differenzierten Formen zeigt, ist es notwendig, dass sich neben dem Bund auch die Kantone ihre spezifische Strategie zur Armutsverminderung erarbeiten.

Die Regierung wird somit eingeladen, einen auf die spezielle Situation Graubündens ausgerichteten Armutsbericht (Sozialbericht) auszuarbeiten und diesen dem Grossen Rat mit allfälligen darauf gründenden Anträgen zu einer wirkungsvollen Armutsbekämpfung zu unterbreiten.

Chur, 15. Februar 2010

Jäger, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Locher Benguerel

Antwort der Regierung

Die Regierung beschäftigt sich seit längerem mit dem Thema Armut und deren Bekämpfung. Zahlreiche schrittweise Verbesserungen zur Linderung der Ar-mutsproblematik sind umgesetzt worden. Hinweise auf die Armutssituation in Graubünden ergeben sich aus der Sozialhilfestatistik, die das Bundesamt für Statistik (BfS) seit 2002 erstellt. Die Zahl der von Armut betroffenen Menschen hängt wesentlich von der Armutsdefinition ab. Eine allgemein anerkannte Ar-mutsdefinition gibt es nicht. Die Fallzahlen der Sozialdienste geben alternative Hinweise auf die Armutsproblematik.

Im Familienbericht, der im Grossen Rat in der Februarsession 2007 behandelt wurde, ist die Armutsproblematik von Familien und Einpersonen-Haushalten aufgezeigt und einzelne Massnahmen sind formuliert worden. Diese sind grösstenteils umgesetzt und betreffen die Steuergesetzgebung, die Prämienverbilligung, die Stipendiengesetzgebung, die Kinderzulagen und die Berechnung der Sozialhilfe (siehe dazu Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 15/2006-2007 S. 1713 ff). Im Rahmen der parlamentarischen Beratung sind auch Massnahmen in den Bereichen des Beratungsangebotes für Familien und der familienergänzenden Kinderbetreuung formuliert worden.

Verwaltungsintern werden derzeit aufgrund aktueller Daten die Schwelleneffekte sozialer Transferleistungen im Hinblick auf eine bessere Koordination und die Eliminierung negativer Anreize analysiert. Diese Analyse wird im Hinblick auf eine zukünftige Revision der Sozialhilfe- und Unterstützungsgesetzgebung vorgenommen. Aufgrund der Feststellung, dass junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren in zunehmendem Masse auf Sozialhilfe angewiesen sind, überprüft die IIZ-Steuergruppe derzeit Massnahmen im Zusammenhang mit der Integration von jungen Erwachsenen.

Im Zusammenhang mit dem „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010“ haben verschiedene Hilfswerke und Fachverbände (Caritas, SKOS) Berichte über die Armut und soziale Benachteiligung verfasst und publiziert. Die Sozialdirektoren beabsichtigen, im Rahmen der SODK Jahresversammlung im Juni ihr eigenes Programm zur Armutsbekämpfung vorzulegen.

Bundesrat Didier Burkhalter hat am 31. März 2010 den jüngst vom Bundesrat verabschiedeten Bericht mit dem Titel "Gesamtschweizerischen Strategie zur Armutsbekämpfung" vorgestellt. Darin werden inhaltlich die wesentlichen Problem- und Handlungsfelder aufgezeigt. Gemäss diesem Bericht tritt die Armutsproblematik in der Schweiz in den folgenden sechs Themenbereichen am deutlichsten zu Tage: 1. Kinder in armutsbetroffenen Familien, 2. Übergang in die Berufsbildung und ins Erwerbsleben, 3. Familienarmut, 4. Langzeitarbeitslosigkeit, 5. Armut im Alter, 6. Bedarfsleistungen ohne Schwelleneffekte und verbesserte Koordination.

Angesichts der beispielshaft erwähnten europäisch, konferenziell und national erarbeiteten Programme, Berichte und der darin aufgezeigten Strategien und Massnahmen erachtet es die Regierung nicht als zielführend, einen eigens auf die spezielle Situation Graubündens ausgerichteten Armuts- oder Sozialbericht erstellen zu lassen. Vielmehr sollen wie bisher Einzelmassnahmen in den identifizierten Bereichen betreffend ihrer Wirksamkeit für Graubünden geprüft und ohne weiteren Verzug umgesetzt werden. Bei diesen Massnahmen orientiert sich die Regierung an den vom Bundesrat in seinem Bericht definierten Handlungsfeldern.

Die Regierung beantragt deshalb, den Fraktionsauftrag SP abzulehnen.

6. Mai 2010