Navigation

Inhaltsbereich

Session: 17.06.2015
Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) im Kanton Graubünden steigt stetig an. Der UN-Kinderrechtsausschuss hat mittlerweile den Bund in einem Brief auf den mangelhaften Empfang von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz aufmerksam gemacht und Empfehlungen unterbreitet. Im Rahmen der Behandlung und Betreuung dieser unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden sind markante Unterschiede festzustellen. Einige Kantone haben eine ordnungsgemässe Betreuung aufgegleist, in anderen Kantonen werden sie hingegen ihrem Schicksal überlassen. Die Schweiz hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen unterzeichnet und muss sicherstellen, dass die Kinderrechte im ganzen Land und somit auch im Kanton Graubünden eingehalten werden.

Kinder und Jugendliche sollen eine altersgerechte, adäquate Betreuung erhalten und auf das Erwerbsleben vorbereitet werden. Hierzu zählen zudem ein zumutbarer Schulweg und Anschlussmöglichkeiten im Bereich Beruf und Bildung. Fehlende Strukturen und eine mangelhafte Betreuung bergen die Gefahr einer Verwahrlosung und führen zu Langzeit-Sozialhilfebezügern. Den Kindern und Jugendlichen in der Schweiz, welche nicht von ihren Eltern betreut werden können, steht ein Beistand oder Vormund zu. Dieser wird durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ernannt.

Es gilt die nicht widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass ein minderjähriges Kind schutzbedürftig ist. Die KESB hat demnach diesbezüglich keinen Ermessensspielraum. Der entsprechenden Wohnsitzgemeinde entsteht eine unverhältnismässige finanzielle Belastung, resultierend aus Verfahrenskosten, Mandatsträgerentschädigungen und Platzierungskosten, ohne dass vollumfänglich eine Ausgleichszahlung durch den Kanton oder andere Gemeinden erfolgen würde. Zahlreiche Kantone reagieren darauf mit einer Ersatzvornahme und einem geregelten Verteilschlüssel, um die Belastung nicht auf eine Gemeinde zu konzentrieren.

Zur aktuellen Situation

Zurzeit sind 28 UMA im Transitzentrum (TRZ) Landhaus Laret untergebracht. Davon sind 10 anerkannt, respektive vorläufig aufgenommen (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge UMF). Das TRZ Landhaus Laret, welches als Familienzentrum ausgelegt ist, beherbergt derzeit 100 Personen, davon 4 Familien (Stand 15.6.2015 / Auskunft TRZ Laret). Die restlichen Plätze sind mit Einzelpersonen belegt. Dazu der Hinweis: UMA/UMF sollten nicht in Unterkünften mit Erwachsenen gemeinsam untergebracht werden. Mit Datum vom 3.6.2015 ist ein 10-jähriger unbegleiteter Minderjähriger im TRZ Landhaus Laret aufgenommen worden. Zudem befindet sich ein 12-jähriger unbegleiteter Minderjähriger dort. Es besteht bis jetzt keine adäquate Unterbringungs- und Betreuungssituation. Die besonders schutzbedürftigen UMA/UMF im Alter zwischen 10 und 18 Jahren sind in keinem separaten Gebäude oder abschliessbaren Trakt untergebracht. Die Körperhygiene ist mangelhaft und eine Verwahrlosung der UMA/UMF ist bereits festzustellen. Eine ausgeglichene Ernährung ist nicht sichergestellt. Die Schulabsenzen steigen an. Es gibt einen Schulverweigerer unter den UMA. Ein Sozialpädagoge ist erst ab August 2015 mit einem Arbeitspensum von 50 Stellenprozenten im TRZ Landhaus Laret beschäftigt.

Der Schulbetrieb im Landhaus Laret respektive in der Reserveunterkunft Schiabach ist auf die Unterstufe bis Oberstufe ausgerichtet, jedoch nicht auf die Bedürfnisse der älteren UMA. Daher werden die UMA in der Schule St. Catharina in Cazis beschult. Die Schule in Cazis hat ein Unterrichtskonzept ausgearbeitet, welches den Bedürfnissen der UMA vollumfänglich entspricht. Der Schulweg beträgt jedoch mit einfacher Fahrtzeit 1:50 h. Mit dieser Fahrzeit wird den Kriterien für einen zumutbaren Schulweg nach Bundesverfassung (BV) Art. 11, 41, 19 und 62 nicht entsprochen.

Unter Berücksichtigung der geographischen Lage von Davos und der fehlenden Infrastruktur für Anschlussmöglichkeiten im Bereich Bildung und Beruf ist Davos als Standort zu überdenken. In Davos bestehen zudem keine Brückenangebote, keine Berufsausbildungsmöglichkeiten und im Arbeitssektor sind überwiegend Dienstleistungsunternehmen angesiedelt, welche lediglich saisonal anstellen.

Aus den erwähnten Gründen fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf, ein Konzept als Basis für eine geeignete Unterbringungs- und Betreuungsstruktur zu schaffen. Dieses soll folgende Punkte beinhalten:

1. Eine geeignete Unterbringungs- und Betreuungsstruktur, welche den besonderen Bedürfnissen der Betroffenen (UMA/UMF) entspricht und den gesetzlichen Grundlagen vollumfänglich Rechnung trägt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kinder und Jugendlichen lückenlos betreut sind.

2. Einen finanziellen Verteilschlüssel für den entstehenden Aufwand der UMA/UMF im Kanton Graubünden festzulegen, die Kosten entsprechend Entstehungsort und Umfang zu verteilen und damit die Solidarität unter den Gemeinden zu stärken.

3. Die Konzeptarbeiten sollten umgehend und mit Dringlichkeit angegangen und umgesetzt werden, damit die derzeitige Situation für die Kinder und Jugendlichen rasch und nachhaltig verbessert werden kann.

Arosa, 17. Juni 2015

Caviezel (Davos Clavadel), Mani-Heldstab, Locher Benguerel, Aebli, Alig, Atanes, Baselgia-Brunner, Bleiker, Blumenthal, Brandenburger, Bucher-Brini, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caduff, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casanova (Ilanz), Casanova-Maron (Domat/Ems), Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Chur), Clalüna, Claus, Clavadetscher, Crameri, Danuser, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Deplazes, Dosch, Dudli, Engler, Epp, Fasani, Felix (Haldenstein), Felix (Scuol), Florin-Caluori, Foffa, Gartmann-Albin, Giacomelli, Grass, Gunzinger, Hardegger, Hartmann, Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Hug, Jaag, Jeker, Jenny, Joos, Kappeler, Kasper, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kollegger, Komminoth-Elmer, Kunfermann, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Kuoni, Lamprecht, Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Marti, Mathis, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Monigatti, Müller, Nay, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfäffli, Pfenninger, Pult, Rosa, Salis, Sax, Schneider, Schutz, Steck-Rauch, Steiger, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Toutsch, Troncana-Sauer, Valär, von Ballmoos, Waidacher, Weber, Weidmann, Widmer-Spreiter, Wieland, Bossi, Föhn, Gujan-Dönier, Tuor

Antwort der Regierung

Von 2008 bis Ende 2013 wurden dem Kanton Graubünden insgesamt 41 unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) zugewiesen, im Jahre 2014 waren es schon 28 UMA. Im laufenden Jahr gab es bis Ende Juli bereits 33 Zuweisungen. Allein in den Monaten Juni (11) und Juli (13) waren es deren 24. Wie schon 2014 stieg die Zahl der UMA auch in diesem Jahr überproportional zu den ohnehin schon stark steigenden Asylgesuchen an, wobei für den Kanton Graubünden eine Zuweisungsquote von 2,7 % aller Asylsuchenden in der Schweiz gilt.

Der Anteil der UMA beträgt im langjährigen Mittel zwischen 1,5 % und 3 % aller in der Schweiz eingereichten Asylgesuche. Im Juli stellten rund 300 UMA in der Schweiz ein Asylgesuch, was einem Anteil von 7,9 % entspricht. Es handelt sich bei den UMA zu einem hohen Anteil um eritreische Staatsangehörige, welche nach geltender Praxis des Bundes zu einem überwiegenden Anteil ein Bleiberecht erhalten. Im Herbst 2014 wurde im Kanton Graubünden ein spezielles Unterbringungsangebot im Transitzentrum Landhaus in Davos Laret geschaffen. Sobald diese Minderjährigen als Flüchtlinge anerkannt werden, haben sie das Recht, dauerhaft in der Schweiz zu bleiben. Sie haben Anspruch auf die nötigen Massnahmen im Rahmen des Kindesschutzes. Um ihre Integration und (zumindest) mittelfristig ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit zu fördern, brauchen sie Betreuung und Tagesstruktur sowie Bildung im Rahmen der obligatorischen Schule und Berufsbildung. Diese Angebote und Massnahmen (Schutz, Betreuung, Bildung und Integration) müssen im Hinblick auf eine selbstständige und wirtschaftlich unabhängige Lebensgestaltung nicht nur bis zur Volljährigkeit, sondern bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung gewährleistet werden.

Zu Punkt 1: Die Zuständigkeit während des Asylverfahrens liegt beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit bzw. beim Amt für Migration und Zivilrecht. Im Falle einer Anerkennung als Flüchtling oder einer vorläufigen Aufnahme geht die Zuständigkeit zum Departement für Volkswirtschaft und Soziales bzw. zum Sozialamt über. Geeignete Massnahmen zur Unterbringung, Betreuung und schulischen oder beruflichen Förderung der betroffenen Jugendlichen wurden überdepartemental geprüft und festgelegt. Ein Konzept für eine geeignete Unterbringungs- und Betreuungsstruktur liegt vor. Dieses sieht für UMA hauptsächlich die Unterbringung in einem Transitzentrum mit angepasster Betreuungs- und Tagesstruktur sowie für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) Anschlusslösungen bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung vor. Die entsprechenden Angebote sind je nach Alter und Geschlecht der jungen Menschen differenziert. Mit der Umsetzung des Konzepts wurde im Juli 2015 begonnen.

Zu Punkt 2: Die Kosten für die UMA hat vollumfänglich der Kanton zu tragen. Jene für die UMF fallen hingegen in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Die Regierung ist im Sinne der Auftragsunterzeichnenden der Auffassung, dass diese Kosten nicht alleine von den Aufenthaltsgemeinden zu tragen sind, sondern anteilsmässig von allen Gemeinden. Als Verteilschlüssel für die Kosten der UMF bietet sich die Einwohnerzahl der Gemeinden an. Dieser Verteilschlüssel wird heute bereits für den Gemeindeanteil an den Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer verwendet. Für die im Auftrag geforderten Massnahmen des Kantons als auch für den Kosten-Verteilschlüssel muss eine gesetzliche Regelung erst noch geschaffen werden. Darin abzudecken sind auch allfällig von den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) verfügte Massnahmen für die betroffene Personengruppe.

Für eine Übergangsphase ab dem 1. Januar 2016 bis zum Vorliegen einer definitiven gesetzlichen Regelung beabsichtigt die Regierung, die Aufwendungen über einen Anteil der bestehenden Globalpauschale des Bundes für die nicht erwerbstätigen Flüchtlinge abzudecken. Heute wird den Gemeinden nicht die gesamte Globalpauschale weitergeleitet. Der Anteil für die Betreuungskosten im Umfang von inzwischen knapp einer Million Franken pro Jahr wird zurückbehalten und vom Sozialamt zur Deckung entsprechender Kosten der Sozialdienste verwendet. Für das Jahr 2016 soll der Zweck für diesen Beitragsanteil angepasst und dieser zur Deckung der Kosten der betroffenen Personengruppe verwendet werden. Die von den Gemeinden ab 2016 zu tragenden Nettoaufwendungen für die Sozialdienste erhöhen sich dadurch um rund 4 Franken pro Einwohner. Ergänzend zu diesen Mitteln steht dem Kanton die volle Globalpauschale von rund 1500 Franken pro Monat für die von ihm betreuten, nicht erwerbstätigen Jugendlichen, zur Verfügung. Schwer abschätzbar sind vor allem die Zahl der zu betreuenden Jugendlichen sowie die Kosten von KESB-Massnahmen. Sofern die verfügbaren Gesamtmittel nicht ausreichen, müsste die Regierung den heutigen Kantonsanteil an der Globalpauschale des Bundes zulasten der Gemeinden erhöhen.

Zu Punkt 3: Im Sinne von Sofortmassnahmen für einzelne Gruppen der unbegleiteten Minderjährigen wurden bereits ab Juli 2015 geeignete Angebote realisiert. Beispielsweise werden weibliche Jugendliche im Angebot St. Catherina des Klosters in Cazis untergebracht und betreut. Dieses stellt auch die Schulangebote für männliche Jugendliche zur Verfügung.

Die Regierung ist bereit, den Auftrag im Sinne dieser Ausführungen anzunehmen.

27. August 2015