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Session: 20.10.2015
Die Spekulation mit Agrar-Rohstoffen und Nahrungsmitteln gilt als problematisch. Es ist anzunehmen, dass sie zumindest mitverantwortlich ist für auffällige Preisausschläge in den letzten Jahren. Diesen Schluss legen auch Studien der Weltbank zur Nahrungsmittelkrise von 2008 nahe.

Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln treffen die Ärmsten in den Ländern des Südens am meisten, weil sie den grössten Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen. Es ist deshalb schwer nachvollziehbar, dass in den reichen Ländern des Nordens von Banken, Versicherungen, Investitionsfonds und Pensionskassen immer mehr Investitionen in Agrargüter getätigt werden. Ein Verbot oder zumindest eine Einschränkung der Spekulation mit Nahrungsmitteln läge nahe, wie dies die Initiative der JUSO fordert.

Es ist wichtig, zwischen Spekulation und anderen finanziellen Tätigkeiten wie Absicherung oder Investition zu unterscheiden. Die ursprüngliche Idee der Rohstoffbörsen war die preisliche Absicherung der Akteure und die Verminderung des Risikos von Investitionen. In den USA und Europa wird dies unterschieden und unterliegt entsprechenden Regeln. Auch die Kreditvergabe an Unternehmen im Agrarrohstoffbereich gilt nicht als Spekulation. Diesbezüglich besteht Unklarheit in der öffentlichen Debatte in der Schweiz.

In diesem Zusammenhang bitten die Unterzeichnenden die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Bietet die Graubündner Kantonalbank spekulative Agrar-Derivate an wie solche, die sich auf Nahrungsmittel oder Agrarrohstoffe beziehen und weder der Absicherung eines realen Handels noch der Finanzierung der Produktion oder des Handels dienen?
a) Wenn ja: Wie hoch ist der Anteil der Agrar-Derivate an den gesamten Vermögensanlagen und welche konkreten Agrar-Rohstoffe sind betroffen?
b) Wenn nein: Verzichtet die Kantonalbank bewusst auf solche Anlagen?

2. Investiert die Pensionskasse Graubünden im Rahmen ihrer Vermögensanlagen in Agrar-Derivate?
a) Wenn ja: Wie hoch ist der Anteil der Agrar-Derivate an den gesamten Vermögensanlagen und welche konkreten Agrar-Rohstoffe sind betroffen?
b) Wenn nein: Verzichtet die kantonale Pensionskasse bewusst auf solche Investitionen?

3. Wie steht die Regierung zur erwähnten Kritik an der weltweiten Nahrungsmittelspekulation und ihren Auswirkungen?

4. Ist die Regierung der Meinung, dass Pensionskasseneinrichtungen und Banken der öffentlichen Hand aufgrund dieser Kritik auf die Anlage in Agrar-Derivate verzichten sollten? Wenn nein: Was rechtfertigt solche Anlagen?

Chur, 20. Oktober 2015

Thöny, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Caviezel (Chur), Deplazes, Gartmann-Albin, Hardegger, Jaag, Kunfermann, Locher Benguerel, Monigatti, Noi-Togni, Perl, Pfenninger, Pult, von Ballmoos, Antognini, Degiacomi, Tanner

Antwort der Regierung

Das Thema ist Gegenstand der hängigen Eidgenössischen Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln». Bundesrat und Parlament empfehlen die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Das Schweizer Volk wird am 28. Februar 2016 darüber abstimmen.

Beantwortung der Fragen:

1. Nein, die Graubündner Kantonalbank (GKB) bietet keine Agrar-Derivate an, vorbehalten sind spezifische Kundenaufträge. Die GKB verzichtet bewusst darauf, da Investitionen in Agrar-Derivate nicht mit den Diversifikationsgrundsätzen der GKB vereinbar sind.

2. Nein, die Pensionskasse Graubünden (PKGR) investiert nicht direkt in Rohstoffe. Es ist indes nicht auszuschliessen, dass über indirekte Aktienanlagen (wie kostengünstige Index Fonds) in Unternehmungen investiert wird, die ihrerseits im Rohstoffhandel tätig sind. Eine Analyse der PKGR ergab, dass mit Anlagen in Rohstoffe wie beispielsweise Agrar-Derivate langfristig kein interessanter Renditebeitrag erwartet werden kann. Gleichzeitig beurteilt sie den Diversifikationsbeitrag solcher Anlagen als zu gering, als dass er eine Investition dennoch rechtfertigen würde. Die PKGR verzichtet deshalb bewusst auf Investitionen in Rohstoffe.

3. Die Regierung unterstützt das Anliegen, die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in Entwicklungsländern zu verbessern und die Armut zu bekämpfen. Die Initianten der Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» gehen davon aus, dass die Preisschwankungen von Agrargütern massgeblich durch spekulative Geschäfte auf den Warenterminmärkten verursacht wurden. Demgegenüber sieht der Bundesrat in seiner Ablehnung der Volksinitiative andere Gründe dafür verantwortlich: Erstens weisen die verfügbaren Daten und Studien darauf hin, dass nicht die Spekulation, sondern andere Faktoren (z. B. historisch tiefe Lagerbestände, ungünstige Wetterereignisse wie Dürre und Frost sowie politische Massnahmen verschiedener Export- bzw. Importländer) für die Preisanstiege bei Nahrungsmitteln in den vergangenen Jahren verantwortlich waren. Ein Spekulationsverbot könnte somit hohe Nahrungsmittelpreise nicht verhindern. Zweitens haben Massnahmen, die nur in der Schweiz oder gar nur in Graubünden ergriffen werden, kaum einen Einfluss auf die Vorgänge an den internationalen Warenterminmärkten. Diese befinden sich mehrheitlich im Ausland. Drittens wäre die Annahme der Initiative mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Steuereinnahmen in der Schweiz verbunden. Sie würde die Unsicherheit über die Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz weiter erhöhen und hätte eine negative Signalwirkung für den ganzen Wirtschaftsstandort Schweiz.

Die Regierung hält die Argumentation des Bundesrates für zutreffend und nachvollziehbar. Zusätzliche Unsicherheiten und eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz sind nicht im Interesse des Kantons. Die Regierung erachtet die Aktivitäten des Bundes in verschiedenen internationalen Organisationen (wie z. B. der Welthandelsorganisation WTO oder der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO) und in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für zielführender als ein Verbot von Finanzprodukten.

4. Die GKB und die PKGR setzen bewusst keine Agrar-Derivate ein. Der geforderte Verzicht dieser Finanzinstrumente erübrigt sich.

03. Dezember 2015