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Session: 29.01.2001

Auf der Grundlage des Art. 171 ZGB unterstützt der Kanton seit Jahren die Beratungsstellen der beiden Landeskirchen. In den letzten Jahren ist der Beitrag sukzessive bedeutend erhöht worden; er erreicht in diesem Jahr die Summe von Fr. 200 000.--. Diese Erhöhung ist aufgrund der gestiegenen Beratungstätigkeit, der sozialen Funktion sowie der sachkompetent und mit grossem Engagement geführten Stellen mehr als gerechtfertigt und soll in keiner Weise in Frage gestellt werden.

Die gesellschaftlichen Veränderungen haben auch vor den Toren unseres Kantons nicht Halt gemacht. Der Umstand, dass viele der Klienten aus gemischten oder auch konfessionell indifferenten Umfeldern kommen, erfordert eine weite konfessionsunabhängige Beratungstätigkeit. Eine solche ist bisher auch gewährleistet worden. Die Einrichtung von dezentralen ”Aussenstationen” (Davos, Samedan) hat ebenfalls die überkonfessionelle Praxis gefördert. Die Gewährleistung der konfessionellen Neutralität ist übrigens im Leistungsauftrag des Kantons mit den Landeskirchen festgeschrieben.

Im Laufe dieses und des nächsten Jahres werden bei der katholischen und bei der evangelischen Beratungsstelle für Ehe- und Lebensfragen die Stelleninhaber in Pension gehen. Damit ergäbe sich eine willkommene Gelegenheit für eine Bestandesaufnahme und für eine konzeptuelle Neuausrichtung der Beratungsstellen. Während die katholische Landeskirche die Neubesetzung der Stelle schon vorsieht, ist im Evangelischen Grossen Rat eine Motion eingereicht worden, die den Kirchenrat auffordert, die Frage einer ökumenischen Trägerschaft für die Beratungsstellen abzuklären.

Die Interpellanten sind der Ansicht, dass der Kanton ohne dass die Autonomie der beiden landeskirchlichen Werke in Frage gestellt würde - in dieser Lage sich ebenfalls mit den Zukunftsperspektiven dieser kirchlichen Institutionen zu befassen und seinen Einfluss geltend zu machen hätte; dies nicht zuletzt wegen des beträchtlichen finanziellen Engagements.

Sie weisen auf das Beispiel Zürichs hin, wo die katholische und die reformierte Kirche eine ökumenische Trägerschaft bilden, die die Gesamtverantwortung für die Führung der Beratungsstelle übernimmt. Die ökumenische Führung der Eheberatung erfolgt seit 24 Jahren mit grossem Erfolg.

Die Interpellanten fragen die Regierung an:

1. Ist die Regierung der Meinung, dass angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung eine ökumenische Trägerschaft der von den Landeskirchen geführten Ehe- und Familienberatungsstellen sinnvoll und zu befürworten sei?
2. Ist die Regierung bereit, in diesem Sinne im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Einfluss bei den Landeskirchen geltend zu machen? Ist sie der Meinung, dass vor der neuen Stellenbesetzung die beiden Landeskirchen eine Aussprache über die langfristige Perspektiven inkl. Trägerschaft der Beratungsstellen von Nutzen sein könnte, und ist sie bereit, die Initiative für eine solche Aussprache zu ergreifen?

Chur, 30. Januar 2001

Namen: Arquint, Bucher, Frigg, Jäger, Locher, Looser, Meyer, Noi, Pfenninger, Schütz, Trepp, Zindel

Session: 29.01.2001
Vorstoss: dt Interpellation

Antwort der Regierung

Gemäss Art. 171 ZGB haben die Kantone dafür zu sorgen, dass sich die Ehegatten bei Eheschwierigkeiten gemeinsam oder einzeln an Ehe- oder Familienberatungsstellen wenden können. Die Kantone haben weitgehende Freiheit bei der Umsetzung dieses Auftrages, wobei bereits in der Botschaft festgehalten wurde, dass die konfessionelle Neutralität gewährleistet sein muss (BBl 1979, S. 1273).

Der Kanton Graubünden entschied sich für eine Lösung, wonach zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages gewisse Institutionen finanziell unterstützt werden. Dazu zählen heute neben den beiden Landeskirchen die Familien-, Sexual- und Schwangerschaftsberatung, die Frauenzentrale und der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst. Diese Institutionen bieten die entsprechenden Beratungen neben den regionalen oder kommunalen Sozialdiensten bzw. den selbständigerwerbenden Psychologen oder weiteren Dritten an. Dabei werden auch die kirchlichen Beratungsstellen in den entsprechenden Vereinbarungen zur konfessionellen Neutralität verpflichtet. Der Bedarf nach einer Beratungstätigkeit durch die beiden Landeskirchen ist ausgewiesen und führte in den vergangenen Jahren auch dazu, dass die kantonalen Beitragsleistungen sukzessive erhöht wurden. Das finanzielle Engagement des Kantons beträgt heute Fr. 200'000.--.

Bereits im Jahre 1996 wurde anlässlich einer Zusammenkunft der Bündner Regierung mit der Verwaltungskommission der katholischen Landeskirche die Zukunft der Ehe- und Familienberatungsstellen thematisiert. Dabei wurde von kirchlicher Seite der Wunsch nach Neuorientierung und neuer Aufgabenverteilung geäussert, wobei die bevorstehende Pensionierung der beiden Leiter der kirchlichen Beratungsstellen, Dr. med. Giosch Albrecht und Dr. Hans Senn, als zeitlicher Aufhänger dienen sollte. Die Regierung erklärte bereits damals ihre Bereitschaft, in Zusammenarbeit mit den beiden Landeskirchen und allfällig weiteren interessierten Kreisen neue Möglichkeiten zu diskutieren.

1. Die Einrichtung einer ökumenischen Trägerschaft für die von den Landeskirchen geführten Ehe- und Familienberatungsstellen entspricht in Anbetracht der Verpflichtung des Kantons, ausreichend weltanschaulich neutrale Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen, den Anliegen der Regierung.

Die Regierung ist bereit, sich für die Schaffung einer ökumenischen Trägerschaft einzusetzen und die Zukunft der kirchlichen Beratungsstellen für Ehe- und Lebensfragen mit den Landeskirchen zu diskutieren. Diese Diskussion wird ohnehin im weiteren Kreis auch im Zusammenhang mit einem der prioritären Ziele des Regierungsprogramms 2001 - 2004 erforderlich, wonach sämtliche Kantonsbeiträge auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit hin überprüft werden sollen. Die Regierung wird das Thema anlässlich der nächsten Zusammenkunft mit den Vertretern der Landeskirchen traktandieren.

27. Februar 2001