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Session: 27.03.2001
Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre hat sich auch auf die Familienformen aus-gewirkt. Symptome dieses Wandels sind beispielsweise:
Gut ausgebildete Frauen sind heute nicht mehr ohne weiteres bereit, ihren erlernten Beruf in der Familienphase aufzugeben.
Die Erfordernisse von Beruf und Kinderbetreuung sind schwer zu vereinbaren. Dies ist mit ein Grund, dass die Schweiz den höchsten Prozentsatz an kinderlosen Frauen in Europa hat.
Die hohe Scheidungsrate führt zu einer grossen Zahl von Alleinerziehenden.
Neben der traditionellen Familie sind neue Formen des Zusammenlebens entstanden.

Auf der einen Seite sind Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen viel stärker als früher auf eine mindestens teilzeitliche Erwerbstätigkeit der Frauen angewiesen. Sowohl Zwei-Eltern-Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen wie auch Alleinerziehende bekunden erhebliche Probleme, die Aufgaben in Familie, Kindererziehung, Erwerbstätigkeit und Beruf zu vereinbaren, solange keine tragfähigen Strukturen für die Betreuung von Kindern ausserhalb der Familie bestehen. Andererseits ist die Wirtschaft wieder in eine Wachstumsphase eingetreten und auf zusätzliche Arbeitskräfte angewiesen. Dies bestätigt auch der Schweizerische Arbeitgeberverband in der familienpolitischen Plattform, die im Januar 2001 vorgestellt wurde.

Vor kurzem hat das Sozialdepartement der Stadt Zürich eine Studie vorgestellt, die auch den volkswirtschaftlichen Nutzen von Kindertagesstätten auswertet. Die Studie zeigt, dass Eltern dank dem Zugang zu solchen Einrichtungen eine höhere Erwerbsbeteiligung erzielen, qualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für Firmen besser verfügbar sind und zudem zusätzliche Steuereinnahmen erzielt werden. Den zusätzlichen Aufwendungen steht damit ein klarer Gewinn gegenüber.

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Änderungen sind in den vergangenen Jahren auch im Kanton Graubünden in verschiedenen Regionen Kinderbetreuungsangebote entstanden. Der Grosse Rat verabschiedete 1994 im Zusammenhang mit dem ”Drogenbericht” einen Massnahmenkatalog, in dem gefordert wurde, dass durch die Gemeinden Möglichkeiten familienexterner Kinderbetreuung zu schaffen seien. Mit der Einführung des Suchthilfegesetzes wurde zwar eine Rechtsgrundlage geschaffen, um überregional tätige Organisationen finanziell zu unterstützen, doch sind die Rechtsgrundlagen für die familienergänzende Kinderbetreuung in Graubünden nach wie vor ungenügend.

Die Regierung wird deshalb eingeladen:
dem Grossen Rat eine Vorlage für eine gesetzliche Grundlage zur subsidiären Finanzierung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung durch Kanton und Gemeinden zu unterbreiten.
Diese hat ein angemessenes Angebot von öffentlichen und privaten Betreuungsplätzen in Horten, Krippen und Tagesfamilien sicher zu stellen sowie die Kostenbeteiligung der nutzniessenden Eltern unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse zu gestalten.
dem Grossen Rat eine Revision der Schulgesetzgebung zu unterbreiten, damit in Kindergärten und Schulen Blockunterricht eingeführt und Tagesschulmodelle gefördert werden können.

Chur, 27. März 2001

Namen: Robustelli, Cahannes, Märchy, Ambühl, Arquint, Barandun, Berther (Sedrun), Biancotti, Bischoff, Brüesch, Bucher, Bühler, Büsser, Casanova (Chur), Catrina, Cavegn, Cavigelli, Christ, Christoffel, Claus, Conrad, Dermont, Donatsch, Farrér, Feltscher, Frigg, Geisseler, Giacometti, Giovannini, Hanimann, Hardegger, Hartmann, Heinz, Hess, Jäger, Jeker, Joos, Juon, Kehl, Kessler, Lardi, Locher, Loepfe, Looser, Marti, Meyer, Nick, Noi, Parolini, Pelizzatti, Peretti, Pfenninger, Pfiffner, Plozza, Portner, Quinter, Rizzi, Roffler, Scharplatz, Schmid (Sedrun), Schmid (Splügen), Schütz, Stiffler, Suenderhauf, Suter, Thomann, Trachsel, Tramèr, Tremp, Trepp, Tuor (Trun), Walther, Zanolari, Zarro, Zegg, Zindel

Session: 27.03.2001
Vorstoss: dt Motion

Antwort der Regierung

Die Familienstrukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Das traditionelle Familienbild der Einverdienerehe ist einem starken Erosionsprozess ausgesetzt. In immer mehr Familien sind beide Elternteile ganz oder teilweise erwerbstätig. Daneben ist eine Vielzahl neuer Formen des Zusammenlebens entstanden: Konkubinatspaare mit oder ohne Kinder; Familien, bei denen ein Elternteil aus beruflichen Gründen an einem anderen Ort lebt; Kinder, die mit einem geschiedenen Elternteil leben; Alleinerziehende; Patchwork-Familien usw..

Die Erwerbstätigkeit der Frauen hat im Rahmen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels deutlich zugenommen. Einerseits sind Alleinerziehende wie auch Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen auf einen Zusatzverdienst des zweiten Elternteils angewiesen. Andererseits möchten immer mehr Frauen ihre Berufstätigkeit während der Familienphase (Kinderbetreuung) zumindest in reduziertem Mass weiterführen, um den Anschluss an die Arbeitswelt nicht zu verpassen oder um einen Ausgleich zu den familiären Aufgaben zu haben.

Dem Wandel der Familienstrukturen und der Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen stehen heute immer noch Rahmenbedingungen gegenüber, die stark vom herkömmlichen Familienmodell ausgehen. So entspricht das heutige familienergänzende Betreuungsangebot für Kinder nur beschränkt der Nachfrage erwerbstätiger Eltern. Das geltende Schulsystem ist nach wie vor darauf ausgerichtet, dass jederzeit eine Betreuungsperson ganztägig zu Hause ist.

Entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Bedürfnissen und Erwartungen der Familien gilt es, bei Mutterschaft und Familienpflichten den
Anschluss an die Berufswelt zu verbessern. Zu diesem Zwecke sind stufengerecht Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Die Schaffung solcher Rahmenbedingungen liegt nicht nur im Interesse berufstätiger beziehungsweise an der Berufstätigkeit interessierter Eltern, sondern auch im Interesse der Wirtschaft, geht doch durch den Abgang von Mitarbeiterinnen wertvolles Fachwissen verloren.

Die Regierung erklärt sich in diesem Sinne bereit, die Motion entgegenzunehmen und dem Grossen Rat eine Vorlage zu unterbereiten, welche unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips die gesetzlichen Grundlagen für ein bedarfgerechtes Angebot an familienergänzenden Kinderbetreuungsplätzen und deren Finanzierung sowie für die blockweise Gestaltung des Schulunterrichts und für Tagesschulmodelle schafft.