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Session: 09.10.2001
Immer mehr Familien und Einzelpersonen mit Kindern geraten an die Armutsgrenze oder leben sogar unter dem Existenzminimum. Kinder gelten laut Studien als «erhebliches Armutsrisiko». Das darf nicht so bleiben. Der Kanton Graubünden sollte deshalb in dieser Angelegenheit tätig werden.
Wir gehen davon aus, dass in der Zwischenzeit Abklärungen betreffend Bestand der Kinder über 16 Jahre von ausländischen Arbeitnehmenden mit Anspruch auf Kinderzulagen vorgenommen worden sind und die finanziellen Folgen somit auch abschätzbar sind. Zudem verzögert sich die Einführung der bilateralen Verträge in einem solchen Masse, dass nun gerade bei den Kinderzulagen eine kurzfristige Erhöhung angezeigt erscheint.
Die Kinder sind unsere Zukunft. Wir müssen Familien besser unterstützen. Auf Bundesebene sind hierzu verschiedene politische Anstrengungen im Gang. Dabei steht auch eine Vereinheitlichung und gleichzeitig eine beträchtliche Erhöhung der Kinderzulagen zur Diskussion. Gerade um spätere sprunghafte Anpassungen zu vermeiden, erscheint jetzt ein erster Schritt zur Anhebung der kantonalen Sätze um 70 Franken als unerlässlich. Ausserdem soll in der Revision auch mehr Transparenz geschaffen werden, indem die Tarife der verschiedenen Ausgleichskassen für alle und auf einfache Weise zugänglich gemacht werden. Damit wäre eine Entscheidungsgrundlage geschaffen, dass ein Arbeitgeber frei zwischen den Kassen vergleichen und allenfalls wechseln könnte. Zu prüfen ist, ob die Beiträge nicht vom Kanton festzusetzen sind. Ausserdem ist der Mindestbeschäftigungsgrad zu überprüfen und den heutigen Begebenheiten anzupassen. Da immer mehr Personen, die ihre Kinder betreuen, teilzeitbeschäftigt sind, drängt sich hier eine Änderung auf. Der Mindestbeschäftigungsgrad müsste gesenkt werden.

Die Regierung wird eingeladen, die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Sieht die Regierung im Bereich der Anpassung der Kinderzulagen, auch aufgrund der neuen Familienstrukturen, ebenfalls einen dringenden Handlungsbedarf?
2. Teilt die Regierung die Meinung, dass aufgrund dieser Betreuungsstrukturen der Mindestbeschäftigungsgrad nach unten korrigiert werden muss?
3. Wieviele Kinder, die jetzt im Ausland leben, lösen nach der Einführung der bilateralen Verträge zusätzlich einen Anspruch aus?
4. Wie sehen die einzelnen Tarife in Prozenten der anerkannten Familienausgleichskassen im Kanton Graubünden bezüglich Familienzulagen inklusive Reservefonds und Verwaltungskosten aus?
5. Ist die Regierung bereit, die Kinderzulagen um mindestens Fr. 70.00 zu erhöhen ? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
6. Wie möchte die Regierung Entlastungen der Familien mit Kindern in ein Gesamtkonzept einbinden?

Chur, 9. Oktober 2001

Name: Schmutz, Meyer, Noi, Arquint, Augustin (Almens), Bucher, Frigg, Jäger, Locher, Looser, Pfenninger, Pfiffner, Schütz, Trepp, Zindel

Session: 9.10.2001
Vorstoss: dt Interpellation


Antwort der Regierung

Familienzulagen gemäss dem Gesetz über die Familienzulagen (FZG, BR 548.100) werden von der kantonalen Familienausgleichskasse und ihren Abrechnungsstellen sowie von 13 privaten Familienausgleichskassen für Arbeitnehmer abgerechnet und ausbezahlt. Die Kinderzulagen für Selbstständigerwerbende werden nur von der kantonalen Familienausgleichskasse ausgerichtet. Den privaten Kassen müssen Arbeitgeber beitreten, welche einem Gründerverband dieser Kassen angehören.
Alle anderen Arbeitgeber haben sich der kantonalen Kasse anzuschliessen. Ent-
sprechend der Mitgliedschaft bei den AHV-Ausgleichskassen können demnach
die Arbeitgeber nicht frei zwischen den einzelnen Kassen wählen. Alle Kassen
müssen mindestens die im FZG vorgeschriebenen Leistungen ausrichten. Die
Regierung nimmt zu den Fragen wie folgt Stellung:

1. Die Regierung hat bereits bei der Beantwortung der Motionen Jäger und Suter in den Jahren 1998 und 1999 den Revisionsbedarf des FZG festgestellt und darauf hingewiesen, dass nicht nur einzelne Bestimmungen zu revidieren, sondern das ganze Gesetz auf seine Reformbedürftigkeit hin zu überprüfen sei. Eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe klärt im Auftrag des Finanz- und Militärdepartementes im Hinblick auf eine Totalrevision den Revisionsbedarf des FZG bis Ende 2001 ab. Die Interpellanten rennen mit ihrem Vorstoss offene Türen ein.

    2. Auch diese Frage wird im Rahmen der Vorbereitung der Revision des FZG geprüft. Ohne diesen Arbeiten vorgreifen zu wollen, kann immerhin darauf hingewiesen werden, dass eine Reduktion auf acht Stunden analog der Versicherung von Arbeitnehmenden für Nichtbetriebsunfälle durchaus denkbar ist. Eine noch stärkere Reduktion erscheint aus heutiger Sicht weniger wahrscheinlich, da diesfalls der administrative Aufwand der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der durchführenden Kassen für das im Stundenlohn angestellte Aushilfspersonal unverhältnismässig wäre.

    3. Zwischen 17 und 25 Jahre alte, im Ausland lebende Kinder, die eine Ausbildung absolvieren und einen in der Schweiz erwerbstätigen Elternteil haben, sind statistisch nicht erfasst. Ihre Anzahl kann deshalb erst nach Inkrafttreten der bilateralen Verträge aufgrund der Anmeldungen bei den Kassen ermittelt werden. Allerdings besteht bereits heute aufgrund eines im Jahr 2000 in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden ein Anspruch auf Ausbildungszulagen für diese Kinder, falls der in der Schweiz erwerbstätige Elternteil eine Niederlassungsbewilligung besitzt.



    4. Die privaten Kassen sind in der Tarifgestaltung (Höhe des Beitragssatzes) frei, sofern sie die Bestimmungen über die minimale Leistungshöhe sowie die Reservenbildung einhalten. Die Beitragssätze der privaten Kassen liegen zwischen 0.40 % und 2.55 % der AHV-beitragspflichtigen Lohnsumme der im Kanton Graubünden angeschlossenen Arbeitgeber. Die meisten privaten Kassen legen den Beitragssatz aufgrund ihrer Mitgliederstruktur im gesamten Tätigkeitsgebiet fest und weisen folglich auch den Reservefonds und die Verwaltungskosten gesamtschweizerisch aus.

    5. Die Kosten einer Erhöhung der Kinderzulagen um Fr. 70.-- würden sich bei der kantonalen Kasse für die Arbeitnehmenden auf rund 25.3 Mio. Franken und für die Selbstständigerwerbenden auf rund 2.7 Mio. Franken belaufen. Dies hätte für die der kantonalen Kasse angeschlossenen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Beitragssatzerhöhung von 0.79 % (inkl. Erhöhung des Finanzierungsbeitrages für die Kinderzulagen der Selbstständigerwerbenden) von derzeit 1.75 % auf 2.54 % der AHV-beitragspflichtigen Lohnsumme zur Folge. Die Auswirkungen auf die Beitragssätze der privaten Kassen können nicht beurteilt werden. Eine Mehrbelastung im dargelegten Umfang würde die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Graubünden negativ beeinflussen. Sie wird deshalb von der Regierung abgelehnt. Eine moderate Erhöhung der Kinderzulage ist bei der Vorbereitung der FZG-Revision jedoch ebenfalls Gegenstand genauerer Abklärungen.

    6. Eine Totalrevision des FZG ist - wie dargelegt - in Vorbereitung. Weiter wird im Kanton Graubünden mit der Einführung des bedarfsabhängigen Konzeptes der individuellen Prämienverbilligung für die obligatorische Krankenversicherung ab 2003 eine grössere Anzahl von Familien mit Kindern entlastet. Gleichzeitig wird auf Stufe Bund mit dem Familienbesteuerungs-Projekt die steuerliche Entlastung von Familien angestrebt. Diese verschiedenen Änderungen sind nun umzusetzen und ihre Wirkungen zu prüfen. Aus Sicht der Regierung ist es heute verfrüht, im Bereich der Familienpolitik zusätzliche, weitere Massnahmen einzuleiten.