Navigation

Inhaltsbereich

Session: 08.12.2009
Von verschiedenen Kreisen der Bevölkerung, inkl. Jägern wurde ich auf das Thema Winterfütterung angesprochen, dass im Winter 2008/2009 seitens der Jagdaufsicht und mit Wissen des Zentralvorstandes (ZV) des Bündner Kantonalen Patentjäger-Verbandes (BKPJV) trotz hohem Schneeaufkommen das Wild dem Schicksal überlassen wurde und es einen langen Todeskampf durchmachen musste und verhungerte. Dazu wurde m.E. seitens der Jagdverantwortlichen die sehr prekäre Lage viel zu spät erkannt und mit einer fragwürdigen Aktion versucht, das Schlimmste abzuwenden (Fällen von Bäumen).

Meine Recherchen haben gezeigt, dass gemäss Kantonaler Jagdgesetzgebung, Art. 23, Hegemassnahmen zu treffen sind. Gemäss Hegeverordnung sind Hegekonzepte wie auch Rettungsaktionen für Wild und Vögel in ausserordentlichen Notsituationen gefordert.

Im Weiteren hat Herr Renato Testa, langjähriger, ehemaliger Präsident der Hegekommission des Bündner Kantonalen Patentjäger-Verbandes (BKPJV) mit einem Artikel in der Bündner Presse anfangs Oktober auf die Problematik hingewiesen und aufgezeigt, dass die Winterfütterung sich in den 80er Jahren bewährt hat und im Tirol diese immer noch aktuell und dort gesetzlich verankert ist.

Die Unterzeichneten bitten die Regierung daher um Beantwortung folgender Fragen:

1. Ist die Regierung nicht auch der Ansicht, dass in strengen Wintern eine Notfütterung durchgeführt werden muss?

2. dass es der Bündner Jagd mehr schadet, wenn man sieht, wie die Tiere infolge grosser Schneemengen erbarmungslos verenden?

3. dass damit die Jagdethik und Jagdkultur mit Füssen getreten wird, und dass weidmännische Grundsätze ausser Acht gelassen werden?

4. Wäre eine Hege, mit koordiniert organisierten Raufutter-Massnahmen, wie sie in den 80er Jahren durchgeführt wurden, für den Tourismuskanton Graubünden nicht zu bevorzugen?

5. Befürwortet die Regierung eine Revision des kantonalen Hegereglements, damit darin Definition und Voraussetzung für Notfütterungsmassnahmen geregelt werden?

Chur, 8. Dezember 2009

Hartmann (Champfèr), Brantschen, Jenny, Koch, Mengotti, Noi-Togni, Pfäffli, Ratti, Stiffler, Toschini, Troncana-Sauer, Cattaneo

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden verfolgt die Strategie eines weitgehenden Verzichts auf Winterfütterungen. Im Vordergrund stehen vielmehr die konsequente Umsetzung der Jagdplanung, Biotophegemassnahmen sowie die Ausscheidung von Wildruhezonen. Diese Strategie ist mit der herrschenden Jagdethik und Jagdkultur durchaus vereinbar und schadet weder dem Ansehen der Bündner Jagd noch dem Ansehen des Bündner Tourismus. Diese Feststellungen werden durch die Erfahrungen mit den grossflächigen Winterfütterungen in den 70er und 80er Jahren untermauert. Damals war die Situation bezüglich der Fallwildzahlen nicht besser als in einem gewöhnlichen Jahr in den 90er Jahren ohne Winterfütterung. Die weiträumigen Fütterungen in den 70er und 80er Jahren führten aber zu grossen Wildansammlungen und damit verbunden zu erheblichen Wildschäden am Wald und an landwirtschaftlichen Kulturen. Daher ist Ende der 80er Jahre im Bereich der Winterfütterung der erwähnte Strategiewechsel vollzogen worden.

Der Winter 2008/2009 war durch die lange Dauer, durch die grossen Schneemengen und wegen der über längere Zeit anhaltend tiefen Temperaturen der härteste Winter seit 30 Jahren. Auf diese Situation war der Kanton zugegebenermassen nicht ausreichend vorbereitet. Als Folge davon haben die Jägerschaft, die Wildhut und der Forst spontan Fütterungen organisiert. Rückblickend muss selbstkritisch eingeräumt wer-den, dass mit gezielten Aktionen mehr hätte erreicht werden können.

Aufgrund der Erfahrungen im Ausnahmewinter 2008/2009 sind die bestehenden regionalen Hegekonzepte gestützt auf Art. 4 der kantonalen Hegeverordnung (KHV) mit einem Kapitel "Notmassnahmen" ergänzt worden. Solche Notmassnahmen im Bereich der Winterfütterung werden bei Bedarf zwischen dem Amt für Jagd und Fischerei, dem Amt für Wald Graubünden und der Hegeorganisation des Bündner Kantonalen Patentjäger-Verbandes abgesprochen und koordiniert. Damit können dem Wild künftig in Notsituationen auf die jeweiligen Verhältnisse und Bedürfnisse abgestimmte Entlastungsmöglichkeiten angeboten und die Überlebenschancen gesteigert werden. Eine Notsituation liegt aufgrund der einschlägigen Kriterien bei einem frühen Wintereinbruch mit lang anhaltenden Kälteperioden und hohen Schneemengen vor. Zudem muss das Wild in seiner Bewegungsfreiheit, insbesondere beim Aufsuchen der natürlichen Nahrungsquellen, erheblich eingeschränkt sein. In solchen ausserordentlichen Fällen wird dem Wild zusätzliches Futter angeboten. Dies erfolgt aufgrund der angepassten Hegekonzepte namentlich durch Schlagen von Prossholz, einem erweiterten Angebot an Heutristen sowie der Zuführung von Heu. Diese Massnahmen werden unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten umgesetzt. Dadurch können auch die Bedürfnisse des Wildes in hochgelegenen Regionen wie etwa dem Oberengadin abgedeckt werden. Ebenso wichtig sind ergänzende Massnahmen zur Beruhigung des Wildlebensraums. Im Vordergrund stehen dabei temporäre Sperrungen von Schneeschuhrouten und Wanderwegen sowie das Unterbinden von Variantenabfahrten und ein Verbot für das Stangensuchen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Regierung den Handlungsbedarf hinsichtlich der Fütterung des Wildes in Ausnahmesituationen erkannt und auf konzeptioneller Ebene die Erarbeitung der regional nötigen Massnahmen veranlasst hat. Diese Notmassnahmen konnten aufgrund der geltenden Hegeverordnung geplant werden. Gleiches gilt für die Umsetzung, Koordination sowie Finanzierung von entsprechenden Massnahmen. Mit Blick auf die kantonale Hegeverordnung besteht daher im heutigen Zeitpunkt kein Revisionsbedarf.

17. Februar 2010