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Session: 09.12.2009
In der Oktobersession 2007 des Grossen Rates wurde ein Auftrag der SP-Fraktion beraten, welcher die Schaffung eines kantonalen Integrationsgesetzes beinhaltete. Auf Grund der Tatsache, dass weder von der Regierung noch von anderen Fraktionen Unterstützung signalisiert wurde, zog die SP ihren Auftrag zurück. Die Fakten haben seit Oktober 2007 aber nicht geändert.

Die Schweiz verfügt über einen Ausländeranteil von 20,7 Prozent (Stand 2005). Das Zusammentreffen verschiedener Völker und Kulturen war schon seit jeher eine Triebfeder für Fortschritt in Forschung, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft. Aus demographischer Sicht erweist sich die Immigration gar als Notwendigkeit. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung sind wir auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Die Schweiz ist ein Einwanderungsland und sie wird es auch in Zukunft bleiben.
 
Immigration birgt neben Chancen auch Risiken. Wo verschiedene kulturelle Hintergründe aufeinander treffen, entstehen auch Missverständnisse, Konkurrenz und Missgunst. Immigration erzeugt gesellschaftliche Reibungen zwischen Eingewanderten und Einheimischen. In der Abstimmung vom 27. November 2009 über ein Verbot von Minaretten hat sich dies im Ergebnis kumuliert. Als eine der Konsequenzen aus dem Abstimmungsergebnis werden unisono von allen Parteien verstärkte Anstrengungen bei der Integration von ausländischen BewohnerInnen der Schweiz verlangt. Es ist deshalb eine zentrale Aufgabe, unbestritten vorhandene Probleme im Zusammenhang mit der Immigration in ihrer real existierenden Grösse zu erfassen und weder populistisch aufzublähen noch zu bagatellisieren.

In sämtlichen relevanten Kennzahlen (Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeabhängigkeit, Schulbildung, Integration ins Erwerbsleben, Gesundheit, Straffälligkeit etc.) weist die ausländische Bevölkerung im Durchschnitt schlechtere Werte auf. Das Problem, mit dem wir heute primär konfrontiert sind, ist u.a. die Folge des Familiennachzugs der zweiten Einwanderungsphase, der in den 90er-Jahren stattfand. Das führte unter anderem dazu, dass Frauen und Kinder ehemaliger Gastarbeiter in hoher Zahl in die Schweiz nachgezogen sind und sich, nicht zuletzt aufgrund einer mangelnden Integrationspolitik, relativ schlecht ins Erwerbsleben und in die Gesellschaft integrieren konnten - mit allen damit verbundenen negativen Folgen.

Eine erfolgreiche Integration ist ein gegenseitiger Prozess und setzt den Willen und die Integrationsbereitschaft aller Beteiligten voraus. Dabei braucht es auch verpflichtende Instrumente. Ein wesentlicher Grundsatz ist jener der „Integration der ersten Stunde“: Unmittelbar nach Ankunft in der Schweiz muss der Integrationsprozess beginnen und sich permanent fortsetzen.

Ziel der Integration ist das Erreichen der umfassenden Chancengleichheit. Integration ist dann wirklich gelungen, wenn Migrantinnen und Migranten in den verschiedenen Integrationsbereichen vergleichbare Kennzahlen wie die Schweizerinnen und Schweizer aufweisen beispielsweise hinsichtlich Bildungsniveau, Erwerbslosenquote, Sozialhilfeabhängigkeit, Armutsrisiko, Invalidität, Kriminalität oder Gesundheit.

Gesellschaft und Wirtschaft profitieren von einer gut integrierten ausländischen Bevölkerung. Die Integration findet dabei auf mehreren Ebenen statt. Die strukturelle Integration soll den Zugang der Eingewanderten zu den relevanten Integrationsbereichen wie Schule, Berufsbildung und Arbeitsmarkt gewährleisten. Die kulturelle und soziale Integration spielt sich im gesellschaftlichen Leben, im Wohnquartier oder dem Freizeitbereich ab. Sie soll zum Verständnis der Grundwerte, der Regeln des Zusammenlebens und der Rechtsordnung beitragen. Die politische Integration soll schliesslich dazu führen, dass Eingewanderte in gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden.

Eine erfolgreiche Integration erleichtert das Zusammenleben zwischen SchweizerInnen und MigrantInnen. Es ermöglicht auch MigrantInnen, ihre Fähigkeiten voll zu nutzen und sich in der Gesellschaft (Vereine, Nachbarschaft, Behördentätigkeit, gesamter ehrenamtlicher Bereich) einzubringen. Darüber hinaus trägt die ausländische Wohnbevölkerung aber auch wesentlich zu einer Stärkung der kulturellen Vielfalt bei.

Eine verbesserte Integration der ausländischen Bevölkerung trägt letztlich zu einem steigenden Steueraufkommen und zu geringeren Kosten bei den Sozialausgaben bei, sie vermindert andererseits durch mangelhafte Integration entstehende Folgekosten (Nachbesserung Schulbereich, Kosten Gesundheitswesen, Strafverfolgung und Strafvollzug).

Am 18. April 2007 verabschiedete der Grosse Rat des Kantons Basel Stadt ein umfassendes Integrationsgesetz, welches schon jetzt als Meilenstein der schweizerischen Integrationsgesetzgebung gilt. Als erstes schweizerisches Gesetz im Bereich der Integration verpflichtet es sowohl Individuen als auch den Staat zu gegenseitigem konstruktivem Engagement in Bezug auf die Integrationsziele.

Die Unterzeichneten laden die Regierung ein, ein auf die speziellen Bedürfnisse des Kantons Graubünden ausgerichtetes Integrationsgesetz zu erarbeiten.

Chur, 9. Dezember 2009
 
Thöny, Pfiffner-Bearth, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Trepp, Brasser

Antwort der Regierung

In der Antwort zum Fraktionsauftrag der SP, mit dem mit beinahe identischem Wort-laut bereits 2007 die Schaffung eines Integrationsgesetzes gefordert wurde, hielt die Regierung fest, dass die integrationsrelevanten Bestimmungen auf Kantonsebene im kantonalen Ausführungsgesetz zu den Bundesgesetzen aufgenommen werden. Zwischenzeitlich verabschiedete der Grosse Rat die erwähnten Regelungen im neuen Einführungsgesetz zur Ausländer- und Asylgesetzgebung des Bundes (EGzAAG; BR 618.100), das die Regierung zusammen mit der dazugehörenden Verordnung (RVzEGzAAG; BR 618.110) am 1. August 2009 in Kraft setzte. Den speziellen Bedürfnissen und Gegebenheiten des Kantons wurde bei der Ausarbeitung der Gesetzesgrundlagen in angemessener Weise Rechnung getragen. Auf Wiederholungen des Bundesrechts wurde unter Berücksichtigung der VFRR-Grundsätze bewusst verzichtet. Dennoch fand die intensive Auseinandersetzung mit dem Integrationsbereich bei der Umsetzung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR142.20) ihren Niederschlag in sieben Artikeln des EGzAAG und 20 Bestimmungen der RVzEGzAAG. Dies führte dazu, dass gegenwärtig die integrationsrelevanten Normierungen im Kanton Graubünden zu den umfassendsten kantonalen Grundlagen in der Schweiz gehören.

Mit der wiederholten Forderung, sich nach dem Integrationsgesetz der Stadt Basel zu richten, verkennt die SP Fraktion, dass der Kanton Basel-Stadt sein Integrationsgesetz in einem Zeitpunkt erliess, als auf Bundesebene noch keine umfassende gesetzliche Regelung des Integrationsbereichs Bestand hatte. Die vom Bund per 1. Januar 2008 erlassene detaillierte Regelung zur Integration im AuG sowie in der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA; SR 142.205) führte dazu, dass die damals bereits existierenden kantonalen Integrationsgesetze kaum Bestimmungen enthalten, welche sich nicht auch im Bundesrecht finden lassen.

Um der Herausforderung der Integration als Querschnittaufgabe gerecht zu werden, erachteten der Bundesrat, die Konferenz der Kantonsregierungen, der schweizerische Gemeindeverband und der schweizerische Städteverband eine breite politische Diskussion zum Thema Integration als erforderlich. Es wurde deshalb im Rahmen der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK) beschlossen, einen Prozess zur „Weiterentwicklung der schweizerischen Integrationspolitik“ zu lancieren. Gestützt auf die Ergebnisse dieses Prozesses hat die TAK konkrete Empfehlungen zuhanden des Bundes, der Kantone sowie der Städte und Gemeinden verabschiedet. Dabei gelangte die TAK unter anderem zum Schluss, dass kein weitergehender spezialgesetzlicher Handlungsbedarf im Bereich der Ausländerintegration – wie beispielsweise die Schaffung von Integrationsgesetzen oder der Erlass von weiteren Bestimmungen im AuG – besteht. Vielmehr wird empfohlen, anlässlich von anstehenden Revisionen die Anliegen der Integrationspolitik bzw. der Integrationsförderung in den jeweiligen Rechtsgrundlagen zu den Regelstrukturen aufzunehmen, wie sie der Kanton Graubünden beispielsweise im Kindergartengesetz (Art. 1, 3 und 29) oder im Schulgesetz (Art. 18) kennt. Weiter hat die Regierung im Aktionsprogramm „Gesundes Körpergewicht 2008-2011“ ein Modul MUKI-VAKI-Turnen für Migrantinnen und Migranten beschlossen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Kanton Graubünden aktuell über eine der umfassendsten kantonalen Normierungen im Integrationsbereich verfügt. Die gesetzlichen Grundlagen sind ausreichend, um eine wirkungsvolle Integrationspolitik betreiben zu können. Aus diesen Gründen beantragt die Regierung, den Auftrag abzulehnen.

12. Februar 2010