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Session: 16.06.2011
An der Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention vom Oktober 2010 in Nagoya hat die Staatengemeinschaft klare Biodiversitätsziele 2020 beschlossen, welche auch die Schweiz verbindlich bis in zehn Jahren zu erfüllen hat. Der Natur- und Heimatschutz fällt gemäss Art. 78 der Bundesverfassung in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Der Bund erlässt die nötigen Vorschriften, der Vollzug dieser liegt weitgehend in den Händen der Kantone und ist durch Gesetze und Verordnungen verpflichtend geregelt. Der Bündner Grosse Rat hat im Oktober 2010 das neue kantonale Natur- und Heimatschutzgesetz verabschiedet. Seit 1. Mai 2011 ist es in Kraft.

Im Hinblick auf die Umsetzung der Biodiversitätsziele 2020 bitten die Unterzeichnenden die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Welche Gebiete in unserem Kanton weisen eine besondere Bedeutung für die Biodiversität auf (sogenannte Hotspots)?

2. Welche Anstrengungen hat der Kanton bisher unternommen, um diese wichtigen Gebiete zu schützen und pflegen, und welche weiteren Schritte wurden zur Erhaltung und Stärkung der kantonalen Biodiversität eingeleitet?

3. Wo sieht die Regierung den grössten Handlungsbedarf im Hinblick auf die Erfüllung der Biodiversitätsziele 2020 auf unserem Kantonsgebiet?

4. Welche nächsten Schritte sieht die Regierung vor, um die Erreichung der Biodiversitätsziele 2020 in unserem Kanton sicherzustellen?

5. Welche Unterstützung benötigt der Kanton vom Bund für eine adäquate Umsetzung der Biodiversitätsziele 2020?

Chur, 16. Juni 2011

Thöny, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Baselgia-Brunner, Bezzola (Samedan), Bucher-Brini, Dermont, Dosch, Foffa, Fontana, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Gasser, Jaag, Kappeler, Locher Benguerel, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michel, Müller, Niederer, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Tenchio, Trepp, Wieland

Antwort der Regierung

Der Kanton ist sich der Bedeutung der Biodiversität bewusst und verfügt seit über 20 Jahren über ein Vollzugskonzept zur Umsetzung des Biotop- und Artenschutzes im Kanton Graubünden (Regierungsbeschluss Nr. 237 vom 4. Februar 1992).

1. Hotspots für die Biodiversität in Graubünden sind die sogenannten Smaragdgebiete, die in den Bundesinventaren nach Art. 18a des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (Natur- und Heimatschutzgesetz, NHG; SR 451) enthaltenen Auen, Moore, Trockenwiesen und -weiden sowie Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung, der Wald generell, insbesondere seit langem unbewirtschaftete Waldflächen, Wälder mit Auerhuhnvorkommen und Bestockungen, die traditionell bewirtschaftet werden (Kastanienselven, Lärchenweidewälder). Weiter zu nennen sind die Gebiete der Primärvegetation sowie die wenigen grösseren, noch unbeeinflussten Oberflächengewässer.

2. Mit Ausnahme der Trockenwiesen und -weiden sind bereits heute sämtliche Biotope von nationaler und regionaler Bedeutung im kantonalen Richtplan ausgewiesen und bilden damit einen festen Bestandteil der kantonalen Raumordnungspolitik. Seit 1991 verfügt der Kanton gemäss den Vorgaben der Ökoqualitätsverordnung des Bundes über ein kantonales Vernetzungskonzept. Darauf basierend haben heute rund 80 % der Gemeinden ein kommunales Vernetzungskonzept erarbeitet, welches mittels einzelbetrieblichen Bewirtschaftungsverträgen umgesetzt wird. Ende 2010 waren rund 21 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen unter Vertrag. Für die Biodiversität besonders wichtige Waldflächen werden seit 1996 im Rahmen der Waldentwicklungsplanung als Naturvorrangflächen ausgeschieden. Zudem wurden zahlreiche Waldreservate eingerichtet. Weiter verfügt der Kanton über ein detailliertes Wildtiermanagement.

Weitere wichtige Massnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Biodiversität stellen die verschiedenen Aufwertungs- und Revitalisierungsprojekte in Mooren und Auengebieten sowie die Wiederherstellung von Trockenstandorten dar. Zudem wurden verschiedene Massnahmen zur Biodiversitätsförderung im Wald beschlossen. Mit den im Jahr 2008 erstmals abgeschlossenen Programmvereinbarungen zwischen dem Bund und den Kantonen in den Bereichen Natur- und Landschaftsschutz, Biodiversität im Wald sowie Wasserbau/Revitalisierungen wurden Leistungen im Sinne der Biodiversitätsziele 2020 definiert und vereinbart.

3. Im Bereich Wald werden die in der Waldentwicklungsplanung festgesetzten Naturschutzziele umgesetzt. In Bezug auf die übrigen terrestrischen Biotope (Moore, Trockenwiesen) wird nebst den raumplanerischen Massnahmen der Agrarpolitik von Bund und Kanton eine entscheidende Rolle zukommen. Im Bereich der aquatischen Lebensräume gilt es die neuen Bestimmungen der Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes zu vollziehen. Die Kantone sind verpflichtet, Gewässerräume auszuscheiden und planerisch zu sichern sowie für die Revitalisierung der Gewässer und die Sanierung von kraftwerkbedingten Beeinträchtigungen zu sorgen. Im Bereich des Artenschutzes wird das Grossraubtiermanagement an Bedeutung gewinnen. Weitere Beiträge können durch eine nachhaltige Jagd- und Fischereipolitik geleistet werden. Von der Errichtung neuer Naturpärke darf eine Förderung des Bewusstseins in der Bevölkerung erwartet werden.

4. Bis Ende 2014 dürfte unter Vorbehalt der Genehmigung des Budgets durch den Grossen Rat der grösste Teil der Vernetzungskonzepte vertraglich umgesetzt sein. Bis Ende 2014 müssen die Planungsarbeiten abgeschlossen sein, welche sich aus den neuen Bestimmungen in der Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes ergeben haben. Zwischenzeitlich werden Revitalisierungsprojekte im Rahmen der verfügbaren Mittel realisiert.

5. Damit verbindliche Biodiversitätsziele erreicht werden können, muss zunächst die Biodiversitätsstrategie des Bundes vorliegen. Zudem müssen ausreichende Mittel für die Umsetzung der Programmvereinbarungen mit dem Bund in den genannten Bereichen sowie im Landwirtschaftsbereich bereit gestellt werden.

24. August 2011