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Session: 20.03.2012
Der Drang nach höherer Bildung ist in der Schweiz und in Graubünden gross. Die Gymnasialquote beträgt in der Schweiz seit Jahren rund 20 Prozent. Dank dem dualen Bildungssystem ist eine akademische Laufbahn auch nach einer Berufslehre möglich. Dennoch möchten viele Eltern, dass ihr Kind schon nach der 6. Klasse ins Gymnasium übertritt. Die Einführung des Modell C mit drei Niveaus für die Oberstufe hat diesen Trend nicht stoppen können. Entsprechend hoch ist der Erwartungsdruck an die Primarschule und die Lehrpersonen.

Die Volksschule verfolgt einen allgemeinen Bildungsauftrag. Nebst Wissen werden auch Lern- und Arbeitsstrategien eingeübt und das soziale Verhalten geschult. Mit dem obligatorischen Unterricht sind alle Schüler und Schülerinnen nach ihren Möglichkeiten zu fördern. Die Chancengleichheit wird hoch gehalten. Die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium richtet sich nach dem Lehrplan. Wer den Unterricht überdurchschnittlich erfolgreich absolviert, hat das Potential fürs Gymnasium. Deshalb ist auch eine Sekundarschulzuweisung Voraussetzung zur Prüfung.

Trotz Binnendifferenzierung im Unterricht und Fördermassnahmen steigt die Erwartung, ausserhalb des Unterrichts weitere Angebote für Prüfungsvorbereitungen anzubieten. Die Formen hierzu sind mannigfaltig: Manche Lehrpersonen kommen dem Bedürfnis im Unterricht nach; andere organisieren Kurse ausserhalb der Unterrichtszeit ohne Entlöhnung; einige Gemeinden bieten offiziell Kurse an und entschädigen die Lehrpersonen dafür; viele Gemeinden bieten überhaupt nichts an. Entsprechend gross ist der Markt privater Anbieter, welche dieses Bedürfnis abdecken wollen. Die Preise für solche Vorbereitungskurse bewegen sich zwischen ein paar hundert bis mehrere tausend Franken. Für viele ist die heutige Situation unbefriedigend.

In diesem Zusammenhang stellen die Unterzeichnenden folgende Fragen:

1. Wie beurteilt die Regierung die oben beschriebene Situation?

2. Existieren auf kantonaler Ebene für die Vorbereitung von Aufnahmeprüfungen an Gymnasien Richtlinien?

3. Falls nein, wie gedenkt die Regierung mit der uneinheitlichen Situation umzugehen?

Chur, 20. März 2012

Thöny, Niederer, Albertin, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Bucher-Brini, Caluori, Casutt, Dermont, Dosch, Fasani, Foffa, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Gasser, Giacomelli, Hitz-Rusch, Jaag, Jenny, Kappeler, Kleis-Kümin, Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Papa, Parolini, Pedrini, Peyer, Pult, Righetti, Rosa, Tenchio, Trepp, Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch, Degonda, Deplazes, Hensel, Monigatti, Patt

Antwort der Regierung

Die Regierung teilt die Auffassung, dass im Hinblick auf einen Schultypenwechsel und auf die Laufbahnplanung grosse Anforderungen an das Individuum, an die Lehrpersonen, an die Bildungsplanung, aber auch an das private Umfeld der Jugendlichen gestellt werden. Aus diesem Grund wird viel in die Lehrpersonenbildung investiert, aber auch in die Entwicklung von Lehrplänen und geeigneten Lehrmitteln. Gut aus- und weitergebildete Lehrpersonen sichern einen zukunftsgerichteten Unterricht, unterstützen Schülerinnen und Schüler in ihren Lernprozessen. Lehrpläne vermitteln Orientierung für die Anforderungserwartung nachfolgender Bildungsstufen, und geeignete Lehr-/Lernmittel stecken die konkreten Inhalte ab, vermitteln vielfältige Übungsvarianten und Lerntechniken. Das geeignete Zusammenspiel von Lehrperson, Lehrplan und Lehrmittel bereitet die Jugendlichen zielgerichtet auf einen Schultypenübertritt vor. Dazu zählt auch die Selbstkompetenz, die eine Aneignung geeigneter Lerntechniken und -strategien umfasst, die beispielsweise für eine Aufnahmeprüfung gefördert werden müssen. Das Potenzial für die Eignung einer bestimmten Ausbildungsrichtung muss aber auch vorhanden sein. Letzteres lässt sich nicht einfach antrainieren, um ein Durchlaufen sämtlicher Schultypen zu garan¬tieren. Ein systematisches, einseitiges Trainieren auf eine Prüfung oder auf einen Test hin ist bestenfalls zur Überbrückung der Aufnahme- und ersten Bewährungshürde möglich, kann jedoch nicht über eine allfällige massive Überforderung hinwegtäuschen, die oft schmerzlich und der Entwicklung des Jugendlichen nicht förderlich ist. Frustrationen und Laufbahnkorrekturen sind nicht selten die Folge. Aus diesem Grunde ist eine einseitige systematische Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung denkbar ungeeignet.

Die Regierung ist der Meinung, dass es einer gezielten Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung bedarf, in welcher die Schule einen Teil der Begleitung und Unterstützung im Rahmen des regulären Auftrags und Unterrichts übernimmt. Dazu gehören u.a. die Korrektur von Prüfungsbeispielen, eine darauf basierende Fehleranalyse mit den Jugendlichen, eine Lernberatung sowie Zeitgefässe zum Lösen einzelner exemplarischer Prüfungsserien in Echtzeit. Alle diese Tätigkeiten müssen aber letztlich zur Stärkung der Selbstkompetenz in einer angepassten Form allen Schülerinnen und Schülern zugutekommen.

Die Regierung beantwortet die aufgeworfenen Fragen vor diesem Hintergrund wie folgt:

1. Die Regierung kann ein ausserschulisches Angebot für die Prüfungsvorbereitung nicht verbieten, ist aber der Meinung, dass dieses für einen nachhaltigen Erfolg in der nachfolgenden gymnasialen Schulstufe nicht entscheidend ist.

2. Es gibt für die Vorbereitung von Aufnahmeprüfungen an Gymnasien keine Richtlinien, da sie zum Grundauftrag des regulären Unterrichts gehört. Würde man Richtlinien erlassen, so führte dies zu Doppelspurigkeiten zum Lehrplan und würde konsequenterweise auch entsprechende Richtlinien für die Fach- und Handelsmittelschule, aber auch für die Berufsschulen (kaufmännische Richtung, BMS, allgemeinbildende Richtung der Berufsschulen, spezifische Vorbereitungen für die unterschiedlichsten Berufsfelder) bedingen.

3. Die Regierung hat über das Amt für Volksschule und Sport die gegenwärtige Situation überprüft. Dabei kann festgestellt werden, dass die Thematik in allen Schulen – wenn auch recht unterschiedlich – aufgegriffen und in grosser Mehrheit verantwortungsbewusst, förderorientiert sowie unterstützend wahrgenommen wird. Das zuständige Departement wird sicherstellen, dass die Schulen im Hinblick auf das Aufnahmeprüfungsverfahren in die Gymnasien bei Bedarf beraten werden und dass das Dienstleistungsangebot der einzelnen Schulen periodisch überprüft wird. Die Überprüfung wird dem Departement zur Beurteilung der von den Schulen zu erbringenden Dienstleistungen im Hinblick auf allfällig erforderliche Beratungen und Weisungen zugänglich gemacht.

20. Juni 2012