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Session: 18.04.2012
Tempo 30 in Graubünden ist eine eigentliche Erfolgsgeschichte. In den bisher eingeführten Tempo 30 Zonen ging die Anzahl Unfälle um etwa die Hälfte zurück, reduzierte sich der Verkehrslärm deutlich und erhöhte sich die Wohnqualität entsprechend. Und dies ohne nennenswerte Nachteile für die Autofahrerinnen und Autofahrer, da der mit Tempo 30 verbundene Zeitverlust vernachlässigbar klein ist.

Die Einführung von Tempo 30 ist auf Bundesebene insbesondere in der Signalisationsverordnung und in der Verordnung über die Tempo 30 Zonen und die Begegnungszonen geregelt. Demnach ist Tempo 30 im Innerortsbereich auf Nebenstrassen grundsätzlich immer möglich. Auf signalisierten Hauptstrassen kann Tempo 30 in Ausnahmefällen zur Verminderung besonderer Gefahren, zur Reduktion der Umweltbelastungen und zur Verbesserung des Verkehrsablaufs eingeführt werden. Im Kanton Graubünden ist bei Einführung von Tempo 30 zusätzlich zum Bundesrecht noch die kantonale Richtlinie „Verkehrsberuhigung innerorts“ zu berücksichtigen.

Die in dieser Richtlinie aufgeführten Kriterien und ihre teilweise restriktive Auslegung durch die zuständige „Kommission für differenzierte Höchstgeschwindigkeiten“ haben in den letzten Jahren vermehrt zur teilweisen oder ganzen Ablehnung von Tempo 30 Begehren von Gemeinden geführt, auch wenn das Begehren von der zuständigen Gemeindebehörde und/oder der Gemeindeversammlung verabschiedet wurde und im Einklang mit dem Bundesrecht steht.

Fragen:

1. Teilt die Regierung die Ansicht, dass bei Strassen im Innerortsbereich und Nebenstrassen, die hauptsächlich von den Anwohnern benützt werden, die Meinung der zuständigen Gemeindeorgane (Vorstand oder Gemeindeversammlung) besser berücksichtigt werden sollte?

2. Ist die Regierung auch der Meinung, dass die Kommission für differenzierte Höchstgeschwindigkeit unter Beizug zusätzlicher Interessensvertreter der Gemeinden und der schwächsten Verkehrsteilnehmer, der Fussgänger und Velofahrer, ausgewogener zusammengesetzt werden sollte?

Chur, 18. April 2012

Michel (Davos Monstein), Baselgia-Brunner, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Casanova-Maron, Casutt, Clalüna, Fontana, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hartmann (Champfèr), Holzinger-Loretz, Jaag, Jenny, Kappeler, Krättli-Lori, Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Meyer-Grass. Noi-Togni, Papa, Pedrini, Peyer, Pfenninger, Pult, Rosa, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Wieland, Deplazes, Fravi, Michel (Igis)

Antwort der Regierung

Mit der Revision der Signalisationsverordnung (SSV) und dem Erlass der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen vom 28. September 2001 vereinfachte der Bund die Einführung von Tempo-30-Zonen. Zonensignalisationen sind innerorts und auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig. Bei besonderen Gegebenheiten, z.B. in Ortszentren oder Altstadtgebieten, kann auch ein signalisierter Hauptstrassenabschnitt ausnahmsweise in eine Tempo-30-Zone einbezogen werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 108 SSV für eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit gegeben sind (Art. 2a Abs. 2, 5 und 6 SSV).

Die Zahl der Gesuche nahm in der Folge stark zu, weshalb das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit die Kommission für differenzierte Höchstgeschwindigkeiten (nachfolgend Kommission) beauftragte, eine Richtlinie für Langsamfahrzonen zu erarbeiten ("Verkehrsberuhigung innerorts" von der Regierung genehmigt am 15. März 2005, aktualisiert am 23. September 2009). Die Richtlinie dient als Leitplanke bei der Entscheidungsfindung und Wegleitung für die Gemeinden und soll dazu beitragen, eine möglichst rechtsgleiche Behandlung zu gewährleisten.

Insgesamt behandelte die Kommission 105 Begehren von Gemeinden um Tempo-30-Zonen. Auf Antrag der Kommission konnten 90 Gesuche gutgeheissen werden, sechs musste die Regierung beziehungsweise das Departement ganz ablehnen. Bei sechs Anträgen nahm die Kommission Anpassungen des Zonenbereiches vor und bei drei Begehren beurteilte die Kommission eine Erweiterung der bestehenden Zone negativ.

Die Einführung der Tempo-30-Zonen führte zu einem Rückgang der Unfälle. Entgegen den Ausführungen in der Anfrage ereigneten sich 22 % weniger Unfälle. Seit der Einführung von Tempo 30 hat die Anzahl der verletzten Personen gegenüber dem früheren Verkehrsregime „50 generell“ zudem um 14 % abgenommen. Allerdings ist auch in einer Tempo-30-Zone ein Todesopfer zu beklagen.

1. Abweichungen von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten können angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 108 Abs. 2 SSV gegeben sind und mittels eines Gutachtens (Art. 32 Abs. 3 SVG, Art. 108 Abs. 4 SSV) abgeklärt wurde, ob die Massnahme nötig, zweck- und verhältnismässig ist oder ob andere Massnahmen vorzuziehen sind. Der Anstoss für die Einführung einer Tempo-30-Zone erfolgt in der Regel durch den Gemeindevorstand oder die Gemeindeversammlung. Somit werden Meinung und Wunsch der Gemeindeorgane bereits durch die interne Entscheidfindung in bedeutendem Masse mitberücksichtigt. Grundlage für die Einführung einer Tempo-30-Zone kann letztlich aber nicht die Meinung der zuständigen Gemeindeorgane sein, sondern das Vorliegen der in Art. 108 Abs. 2 SSV geforderten gesetzlichen Voraussetzungen.

2. Die Ausgewogenheit der Kommission ist durch je einen Vertreter von ACS, TCS und VCS sowie des Tiefbauamtes (Leiter der kantonalen Fachstelle Langsamverkehr) und dem Chef der Verkehrspolizei gewährleistet. Die Kommission wird darüber hinaus mit einem Fachspezialisten der Verkehrstechnik der Kantonspolizei unterstützt. Aufgrund der beratenden Funktion der Kommission und der bisherigen – auch im Vergleich mit den übrigen Ostschweizer Kantonen – grosszügigen Praxis besteht nach Ansicht der Regierung kein Handlungsbedarf, zusätzliche Interessenvertreter, wie in der Anfrage vorgeschlagen, in die Kommission aufzunehmen.

29. Juni 2012