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Session: 18.04.2012
In der Gemeinde San Vittore ist eine Industriezone von kantonaler Bedeutung mit einer Fläche von ca. 180'000 m2 geplant. Das Projektgebiet betrifft den ehemaligen Flugplatz, welcher sich heute im Besitz von armasuisse befindet. In der Bevölkerung von San Vittore sind Zweifel in Bezug auf dieses Projekt aufgekommen, vor allem bezüglich Umwelt- und Landschaftsschutz.

Diese Zweifel und Unsicherheiten führten dann zur Lancierung einer Petition gegen das Projekt und zur Gründung einer Vereinigung für den Schutz des Piano di San Vittore.

Einige Aspekte dieses Projektes sind noch nicht klar; dazu nachfolgend einige Fragen:

1. Welche sind die Gründe für eine solche Grösse des Projektes (ca. 180'000 m2)?

2. Es ist bekannt, dass die in San Vittore und in der unteren Mesolcina gemessenen Werte bezüglich Feinstaubbelastung zu den höchsten in der Schweiz zählen. Riskiert man mit der Ansiedlung neuer Industrien nicht eine Verschärfung der Situation und die Gefährdung der Gesundheit der einheimischen Bevölkerung? Hat das Amt für Natur und Umwelt keine Beurteilung der Situation vorgenommen und allenfalls vorsorgliche Massnahmen vorgeschlagen?

3. Kürzlich erklärte der Regionalentwickler Moritz Piller, dass für ansiedlungswillige Betriebe Kriterien angewendet werden würden, die eine Ansiedlung von wertschöpfungsstarken Betrieben garantieren würden. Um welche Kriterien handelt es sich? Wie wird die Anwendung dieser Kriterien kontrolliert? Welche Art von Betrieben wäre ideal?

4. Wie hoch wird die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze geschätzt? Welcher Art werden diese neuen Arbeitsplätze sein: temporäres Arbeitsverhältnis, prekäres Arbeitsverhältnis oder feste Arbeitsplätze mit Löhnen im schweizerischen Durchschnitt?

5. Eines der Ziele der Regione Mesolcina und des neu geschaffenen ente turistico ist die Förderung des Tourismus in der Mesolcina. Ist es in dieser Hinsicht nicht unangebracht, neue Industrien in der Nähe des Wohngebietes anzusiedeln?

6. Ist ein solches Projekt mit dem Ziel einer engeren Zusammenarbeit mit dem nahen Kanton Tessin zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung vereinbar? Besteht nicht das Risiko, die Konkurrenz zwischen den beiden Kantonen in Bezug auf die Ansiedlung von Betrieben anzuheizen und so diese Zusammenarbeit zu gefährden?

Chur, 18. April 2012

Thöny, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Müller, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Trepp, Deplazes, Hensel, Michel (Igis), Monigatti

Antwort der Regierung

Die Bedenken der Bevölkerung von San Vittore hinsichtlich des Projekts sind ernst zu nehmen. Die Bevölkerung kann über das vorgesehene Konzept zur Entwicklung einer Arbeitsplatzzone (keine Schwerindustrie) informiert werden, sobald ein gemeinsames Verständnis aller Hauptakteure über das Realisierungskonzept vorliegt und ein Grundlagendokument, das sogenannte „Memorandum of Understanding“, unterzeichnet wird. Die diesbezüglichen Gespräche dauern derzeit noch an.

Zu Frage 1: Die theoretisch mögliche, raumplanerisch vertretbare und anfänglich auch in Betracht gezogene Erweiterung der bestehenden Arbeitsplatzzone beläuft sich auf rund 40 ha. Der Perimeter des Entwicklungsprojektes ist in Absprache mit der Gemeinde San Vittore und mit der Regione Mesolcina auf rund 18 ha reduziert worden. Die gewählte Grösse ist das Resultat einer Interessenabwägung zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen. Es braucht aber eine gewisse Minimalgrösse, damit die Erschliessungskosten pro m2 in einem wirtschaftlich sinnvollen und tragbaren Verhältnis zu stehen kommen. Die Nutzung der Zone erfolgt in sinnvollen Etappen.

Zu Frage 2: Das Amt für Natur und Umwelt (ANU) ist sowohl im Rahmen der Projektentwicklung als auch bei der Vernehmlassung zur Teilrevision der Ortsplanung involviert. Aus Sicht des Umweltschutzes sind keine Ausschlusskriterien für die Realisierung des Projektes festgestellt worden. Die Hauptursache der Feinstaubbelastung sind nicht die angesiedelten Betriebe, sondern die unzähligen kleinen, privaten Holzverbrennungsanlagen. Jegliche Konkretisierungsschritte in den anstehenden Raumplanungsverfahren und anlässlich der jeweiligen künftigen Baubewilligungsverfahren müssen den bestehenden gesetzlichen Vorschriften, wie z.B. auch der Luftreinhalteverordnung, entsprechen.

Zu Frage 3: Grundsätzlich sind nur Unternehmen mit produktiven Aktivitäten oder produktionsnahe Dienstleistungsunternehmen zuzulassen. Dabei sind technologieorientierte, innovative, immissionsarme sowie nachhaltig tätige Unternehmen zu bevorzugen. Nutzungen, die einen grossen Landbedarf im Verhältnis zu einer geringen Anzahl der damit verbundenen Arbeitsplätze aufweisen wie Lagerhallen, Verkaufsgeschäfte, Logistikbetriebe, Abstellplätze und dergleichen, sind grundsätzlich nicht erwünscht. Die Nutzungskriterien werden im „Memorandum of Understanding“ festgehalten. Dieses Dokument ist in Arbeit und wird von der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vom Kanton Graubünden, von der politischen Gemeinde San Vittore und von der Regione Mesolcina unterzeichnet. Die künftig zu gründende, vom Kanton, der Regione Mesolcina und der Gemeinde San Vittore kontrollierte Trägerschaft, wird die Anwendung dieser Nutzungskriterien beaufsichtigen.

Zur Frage 4: Die Anzahl der neu zu schaffenden Arbeitsplätze ist schwer abschätzbar. Die Schaffung von möglichst vielen, nachhaltigen Arbeitsplätzen wird angestrebt. Vorgesehen sind feste Arbeitsplätze mit orts- und regionenüblichen Löhnen.

Zur Frage 5: Das Wirtschaftsleitbild Graubünden 2010 sieht die Ausschöpfung der vorhandenen Wachstumspotenziale vor. Dieses Ziel erfordert eine Wirtschaftspolitik, die den unterschiedlichen Voraussetzungen der Standorte Rechnung trägt. Die untere Mesolcina ist dabei für industrielle Ansiedlungen sehr attraktiv. Speziell das Gebiet südwestlich von San Vittore ist im kantonalen Richtplan als Arbeitsplatzgebiet für flächenintensive Nutzungen vermerkt. Die Förderung des Tourismus in den dafür geeigneten Gebieten der Regione Mesolcina wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil, die Konzentration von industriellen Ansiedlungen in der Agglomeration Bellinzona ermöglicht eine optimalere touristische Nutzung in der übrigen Mesolcina.

Zur Frage 6: Die Regierung hat mit Regierungsbeschluss vom 31. August 2010 (Protokoll Nr. 807) entschieden, die Standortentwicklung mit dem Kanton Tessin abzustimmen. Im neuen Umsetzungsprogramm Graubünden 2012 – 2015 der neuen Regionalpolitik ist im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit diese Abstimmung vorgesehen. Das Zusammenarbeitskonzept ist in Ausarbeitung. Ziel dieses Konzeptes ist die gegenseitige Information, die Eruierung von potenziellen Synergien und die Verhinderung einer ungesunden Konkurrenzierung im gemeinsamen, funktionellen Raum.

11. Juni 2012