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Session: 12.06.2012
Gewalt gegen Pflegende in Spitälern ist gemäss internationalen Studien keine neue Erscheinung. Neu ist jedoch die zunehmende Häufigkeit von verbalen und körperlichen Gewaltereignissen, nicht nur in speziellen Risikobereichen wie der Geriatrie und Psychiatrie, sondern auch in Spitälern und Pflegeheimen.

Eine Untersuchung aus dem Jahre 2003 zeigt, dass rund 25 Prozent aller Gewalttaten am Arbeitsplatz allein auf das Gesundheitswesen entfallen. Mehr als die Hälfte aller Pflegefachpersonen haben im Jahre 2011 Gewalt durch Patientinnen und Patienten oder Besucherinnen und Besucher erfahren (Studie der Fachzeitschrift „Journal of Advanced Nursing“). Im Berner Inselspital hatte gemäss einer Befragung vom April 2012 jede/r achte in den vergangenen Wochen ein solches Erlebnis.

Die Gewalttaten reichen von Beschimpfungen, über Kratzen, Beissen, Treten, Schlagen bis zu schweren körperlichen Verletzungen. Auslöser der Übergriffe sind z. B. unangenehme Untersuchungen, Schmerzen, kognitive Einschränkungen oder ungewohnte, oft als bedrohlich empfundene Erlebnisse. Aber auch häufig Situationen, in denen Patientinnen und Patienten lange warten müssen. Sie werden ungeduldig und fühlen sich nicht ernst genommen oder haben gar Kommunikationsschwierigkeiten. Auch Angehörige gehen oftmals von falschen Erwartungen aus.

Die Folge der Übergriffe ist oft zeitweise Arbeitsunfähigkeit, die vor allem durch psychische Verletzungen und weniger durch körperliche Verletzungen verursacht wird. Dabei sind junge Pflegefachpersonen mit wenig Berufserfahrung einem höheren Risiko ausgesetzt.

Leider werden Aggressionen von Patientinnen oder Patienten und Übergriffe oft bagatellisiert oder als Berufsrisiko abgetan. Offen über Gewalt im beruflichen Spital- oder Pflegealltag zu sprechen ist jedoch notwendig für die persönliche Verarbeitung. Zusätzlich braucht es für die Sicherheit des Personals unterstützende Massnahmen in allen Betrieben.

Als eines der wenigen Spitäler bietet das Inselspital Bern z. B. regelmässig Schulungen für das Personal an. Obwohl die Sicherheit des Personals zur Pflicht des Arbeitgebers gehört ist es wichtig, dass in allen Kantonen Strategien gegen Patienten- und Besuchergewalt entwickelt werden. In anderen Ländern zeigen Studien, dass Präventions- und Interventionsstrategien die Situation für die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen klar verbessern können.

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

1. Nimmt die Gewalt gegen Pflegende auch in den Spitälern und Pflegeheimen von Graubünden zu?

2. Wenn ja, in welcher Form ist die Regierung bereit, die Spitäler und Pflegeheime tatkräftig zu unterstützen, um die Sicherheit der Pflegefachpersonen zu verbessern?

3. Wie beurteilt die Regierung das Bedürfnis für ein gesamtkantonales Konzept betr. Schulung des Pflegepersonals im Umgang mit Aggressionen und ist sie bereit, ein solches Konzept zu initiieren?

4. Wie beurteilt die Regierung die Möglichkeit, diese Thematik an einer Sitzung der GDK zu thematisieren, um eine einheitliche Präventions– und Interventionsstrategie zu entwickeln, damit sich die Situation für alle Mitarbeitenden in den Spitälern und Pflegeheimen verbessert?

Samnaun, 12. Juni 2012

Bucher-Brini, Kleis-Kümin, Furrer-Cabalzar, Barandun, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Brandenburger, Caduff, Caluori, Casanova-Maron, Casty, Casutt, Casutt-Derungs, Cavegn, Clalüna, Conrad, Darms-Landolt, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Geisseler, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jeker, Jenny, Kappeler, Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Michel (Davos Monstein), Müller, Nick, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pedrini, Peyer, Pfenninger, Pult, Steck-Rauch, Stiffler (Chur), Thöny, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Wieland, Zweifel-Disch, Berther (Segnas), Degonda, Deplazes, Hensel, Michel (Igis), Monigatti

Antwort der Regierung

Gewalt gegen Pflegende ist ein bekanntes Problem, das insbesondere bei der Betreuung von Patienten auftritt, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sind oder ein verändertes kognitives Erleben aufweisen. Solche Patienten leiden häufig an psychischen, Demenz- oder Geisteskrankheiten oder befinden sich in
einer Ausnahmesituation (z.B. Notaufnahme in Spitälern). Experten gehen nicht davon aus, dass die Häufigkeit von Gewaltereignissen zunimmt.

Um die Situation im Kanton Graubünden abzuklären, führte das Gesundheitsamt bei allen beitragsberechtigten 90 Betrieben des Gesundheitswesens (19 Spitäler beziehungsweise Kliniken, 51 Pflegeheime und 20 kommunale Spitex-Dienste) eine Umfrage betreffend Gewalt gegen Pflegende durch. Dabei wurde den Institutionen die Frage gestellt, ob die Gewalt gegen Pflegende im Betrieb zunimmt und welche externe Unterstützung sie benötigen, um die Sicherheit der Pflegefachpersonen zu verbessern.

Von den angeschriebenen Betrieben haben insgesamt 63 geantwortet (13 Spitäler, 34 Pflegeheime und 16 kommunale Spitex-Dienste). Die Auswertung der Antworten zeigt, dass die Gewalt gegen Pflegende in über 90% der Institutionen nicht zunimmt. Nur gerade sechs Betriebe bejahen eine Zunahme der Gewalt, wobei es sich dabei in drei Fällen um eine Zunahme der verbalen Gewalt beziehungsweise des Aggressionspotentials handelt. In einem Fall wurde eine Zunahme bei "psychisch veränderten, dementen Bewohnern" festgestellt und in zwei weiteren Fällen wurden keine näheren Angaben zu den Gründen gemacht. 80% der Betriebe geben zudem an, keine externe Unterstützung zur Bewältigung des Problems zu benötigen. Die Betriebe, die eine externe Unterstützung als hilfreich erachten, geben als mögliche Massnahmen die Finanzierung von Supervision und Teamberatung, die Anstellung zusätzlicher Psychiatriepfleger, Weiterbildung sowie für die kommunalen Spitex-Dienste ein vereinfachtes Verfahren für die Befreiung von der Leistungspflicht bei Gefährdung von Mitarbeitenden an. Gewünscht wird auch eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei und deren rasche Mobilisierung in Krisensituationen.

Insgesamt bestätigen die Resultate der Umfrage die bereits bekannte Tatsache, dass die Problematik der Gewalt gegen Pflegende vor allem im Zusammenhang mit ganz bestimmten Patientengruppen auftaucht (Demenz- und Suchtkranke, Personen mit psychischen Beschwerden und psychiatrischen Erkrankungen, Patienten auf der Notfallstation von Spitälern). Dabei handelt es sich zumeist um Einzelfälle. Die Antworten der Befragten zeigen, dass die Problematik bekannt ist und die notwendigen Massnahmen bereits eingeleitet wurden. Als Beispiele werden interne Fallbesprechungen, der Beizug von externen Fachkräften (Psychologe, konsiliarischer Dienst), Weiterbildung u.a. genannt.

Die Pflegeheime setzen sich zudem im Rahmen des Qualitätsstandards "Machtausübung/Gewalt von Pflegenden gegenüber Bewohnerinnen und Bewohnern" mit dem Thema Gewalt auseinander. Diese Auseinandersetzung umfasst auch Gewalt gegen Pflegende.

Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:

1. Nein. Aufgrund der vom Gesundheitsamt durchgeführten Umfrage nimmt die Gewalt gegen Pflegende in den Bündner Spitälern und Pflegeheimen nicht zu.

2. Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass die Institutionen bezüglich der Problematik sensibilisiert sind. Sie sind selbständig in der Lage, die zur Verbesserung der Sicherheit des Pflegepersonals notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Eine Unterstützung von Seiten des Kantons ist deshalb nicht notwendig.

3. Die Notwendigkeit beziehungsweise Zweckmässigkeit eines gesamtkantonalen Konzeptes ist durch die Spitäler und Pflegeheime zu beurteilen. Ein Konzept im anvisierten Sinne ist gegebenenfalls durch den Bündner Spital- und Heimverband als Dachorganisation der Bündner Spitäler und Pflegeheime zu initiieren.

4. Aufgrund der vorstehend dargelegten Gründe erachtet die Regierung die Thematisierung der Problematik an einer Sitzung der GDK als nicht notwendig.

05. September 2012