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Session: 04.12.2013
«Genf, Basel und Graubünden geben am meisten aus. Ein detaillierter Vergleich zeigt erstaunliche Unterschiede bei den Staatsausgaben von Kantonen und Gemeinden». So lauteten die Schlagzeilen der Sonntagszeitung vom 13. Oktober 2013. Grundlage bildet die Finanzstatistik der Eidgenössischen Finanzverwaltung (funktionale Gliederung ohne ausserordentliche Ausgaben 2011).

Der Kanton Graubünden belegt – betrachtet man die gesamten Staatsausgaben pro Kopf – hinter Genf und Basel den dritten Rang. Am wenigsten gibt der Kanton Aargau aus, nämlich 10'600 Franken im Jahr pro Einwohner. Der Kanton Genf gibt mehr als das Doppelte aus, das heisst 22'617 Franken – Graubünden 18'900 Franken.

Betrachtet man die einzelnen Sektoralpolitiken, so belegt der Kanton Gaubünden in den Bereichen Verkehr und Wirtschaftsunterstützung den ersten Platz; bei den Verwaltungsausgaben und beim Umweltschutz den dritten; im Bereich Kultur, Sport und Freizeit den vierten und bei der Sicherheit den fünften Rang.

Es gibt nachvollziehbare, objektive Gründe, weshalb Graubünden höhere Ausgaben hat als andere Kantone, so zum Beispiel die Grösse und Weitläufigkeit des Kantons mit relativ geringer Besiedlungsdichte. Die 150 Täler zu erschliessen ist sehr teuer und die Kosten müssen von wenigen getragen werden.

Andererseits gibt es auch das eine oder andere Fragezeichen. Insbesondere haben die Kommentare zu solchen Statistiken Schweiz weit eine nicht zu unterschätzende Aussenwirkung.

Im interkantonalen Finanzausgleich werden die Geberkantone Rechenschaft verlangen, denn die Hälfte der Staatseinnahmen des Kantons Graubünden stammen vom Bund.

Obwohl die Unterzeichnenden das heutige System des interkantonalen Finanzausgleichs als richtig erachten, unterbreiten wir der Regierung folgende Fragen:

1. Wie beurteilt die Regierung die vorliegenden Ausgangswerte der Eidgenössischen Finanzstatistik? Ist diese Statistik für einen fairen, interkantonalen Vergleich geeignet?

2. Unbesehen von der Qualität der Zahlen: Wie erklärt sich die Regierung die Spitzenposition von Graubünden bei den gesamten Staatsausgaben aber auch in den einzelnen Ausgabenbereichen?

3. Was gedenkt die Regierung zu unternehmen – werden allenfalls Abklärungen getroffen, um eine zu den finanziellen Flüssen ergänzende Gesamtbeurteilung vorzunehmen?

Chur, 4. Dezember 2013

Nick, Bleiker, Berther (Camischolas), Augustin, Berther (Disentis/Mustér), Bezzola (Samedan), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Burkhardt, Caduff, Casanova-Maron, Casty, Casutt Renatus, Claus, Clavadetscher, Conrad, Davaz, Della Vedova, Dermont, Dosch, Engler, Fontana, Furrer-Cabalzar, Giacomelli, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny (Arosa), Joos, Kasper, Kleis-Kümin, Koch (Igis), Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Locher Benguerel, Marti, Meyer-Grass, Michael (Castasegna), Michel (Davos Monstein), Niederer, Nigg, Parolini, Pfäffli, Pult, Rosa, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Troncana-Sauer, Valär, Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch, Hauser, Jenny-Marugg (Klosters Dorf), Michel (Igis), Patt

Antwort der Regierung

Interkantonale Vergleiche über Staatsausgaben sind nur bei differenzierter Betrachtung aussagekräftig. So sagen zum Beispiel unterschiedlich hohe Ausgaben pro Kopf noch nichts über die Sparsamkeit oder den effizienten Einsatz der verfügbaren Mittel der Kantone und der Gemeinden aus. Die Abweichungen sind vielmehr häufig die Folge von unterschiedlichen Strukturen und Lasten.

Es ist keine Überraschung, dass die Kantone Genf, Basel und Graubünden die höchsten Pro-Kopf-Gesamtausgaben gemäss der in der Anfrage erwähnten Statistik der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) aufweisen. Ein Blick auf den interkantonalen Finanzausgleich (NFA) zeigt, dass die Kantone Genf und Basel in Bezug auf ihre Bevölkerung mit den weitaus höchsten Zentrumslasten konfrontiert sind und der Kanton Graubünden die höchsten Kosten der Weite zu tragen hat. Dieses Bild widerspiegelt sich im Lastenausgleich des Bundes, welcher strukturell bedingte und unbeeinflussbare Lasten der Kantone teilweise abgelten soll (im Durchschnitt zu knapp 20 Prozent). Die Mittelverteilung erfolgt nach objektiven und anerkannten Kriterien. Beim soziodemografischen Lastenausgleich (SLA) erhalten ausschliesslich die beiden Kantone Basel und Genf SLA-Beiträge von mehr als 100 Franken pro Einwohner (Basel Fr. 284 und Genf Fr. 236). Beim geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) erreicht Graubünden mit einem Beitrag von 716 Franken pro Einwohner den Spitzenwert. Diese Lasten schlagen sich auch in der funktionalen Gliederung bzw. der Statistik der EFV nieder.

Zu den gestellten Fragen:

1. Die Werte der Finanzstatistik basieren auf den in den Rechnungen der Kantone und Gemeinden ausgewiesenen Zahlen gemäss deren funktionale Gliederung. Die Zuordnung der Ausgaben zu den Aufgabenbereichen dürfte nicht überall nach den gleichen Kriterien erfolgen. Die jeweilige Zuordnung hängt vom angewendeten Rechnungslegungsstandard, aber auch der Pflege und Aktualisierung der Funktionalen Gliederung ab. Mit der neuen Rechnungslegung nach HRM2 wurde die Systematik der Funktionalen Gliederung überarbeitet und teilweise angepasst. Weiterhin besteht Interpretationsspielraum, was die Zuweisung der Ausgaben zum Bereich "Allgemeine Verwaltung" und der Abgrenzung zu den Sektoralpolitiken betrifft. Die von der EFV publizierten Ausgangswerte dürfen daher bereits aus datentechnischen Gründen nicht unbesehen für interkantonale Vergleiche genutzt werden.

2. In verschiedenen Aufgabenbereichen bestehen nachvollziehbare Gründe, weshalb Graubünden höhere Ausgaben als andere Kantone aufweist. Der dritte Platz in der Rangliste der Gesamtausgaben begründet sich vorwiegend mit den ausserordentlich hohen Werten in den Bereichen Verkehr und Wirtschaftsunterstützung bzw. Volkswirtschaft. Werden diese beiden Bereiche ausgeklammert, liegen die Werte mehrheitlich im schweizerischen Durchschnitt.

Graubünden nimmt den absoluten Spitzenrang bei den Ausgaben pro Kopf im Strassen- und Schienenverkehr ein. Mitunter ergibt sich dies - ohne die anstehende Prüfung der Finanzkontrolle vorwegzunehmen (siehe Antwort zu Frage 3) - durch die Grösse und Weitläufigkeit und den damit verbundenen hohen Investitions- und Betriebskosten. Auch die sogenannt "durchlaufenden Beiträge", welche vollständig vom Bund getragen werden, sind in der Statistik enthalten. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Abgeltungen des Bundes an die Rhätische Bahn über den Kantonshaushalt verbucht werden, wird das effektive Ausgabenvolumen des Kantons überzeichnet. Im Bereich Volkswirtschaft, welcher ebenfalls gegenüber dem Gros der Kantone enorme Mehrausgaben pro Kopf aufweist, werden die Landwirtschaft (inkl. Direktzahlungen), die Forstwirtschaft sowie der Energiebereich (Wasserkraft) abgebildet. Die Mehrausgaben begründen sich mit der stark ländlich und alpin geprägten Struktur des Kantons. Aber auch in diesem Sektor werden die Ausgaben des Kantons überzeichnet, da ein erheblicher Teil aus den Direktzahlungen des Bundes an die Landwirtschaft stammt.

3. Die Regierung hat die Finanzkontrolle im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarung für das Jahr 2014 beauftragt, die Ausgaben des Kantons gestützt auf die Finanzstatistik des Bundes, Kantone und Gemeinden aus dem Jahr 2011 auf ihre Datenqualität bzw. ihre Übereinstimmung mit den Zahlen des Kantons und der Gemeinden zu analysieren. Wie in der Antwort auf den Fraktionsauftrag FDP betreffend Aufgaben- und Leistungsüberprüfung aufgeführt, sollen – trotz den bestehenden Vorbehalten – die aus der Statistik gezogenen Schlüsse bei der Evaluation und Umsetzung von gezielten Massnahmen genutzt werden.

07. März 2014