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Session: 05.12.2013
Seit 2010 testet der Kanton Graubünden das Vote électronique. Wenn man der Meinung einiger Gemeinden Glauben schenkt, laufen die Tests anhand eines äusserst komplizierten und, wie es scheint, nicht allzu nachvollziehbaren und logischen Verfahrens ab. Die technische Grundlage der Tests liefert ein zunächst vom Kanton Zürich ausgearbeitetes System, welches die sieben Kantone (zu denen auch Graubünden zählt), die heute damit arbeiten, weiterentwickelt haben. Die Kosten dieser Entwicklung werden von den sieben Kantonen des Consortiums getragen. Der Kanton Graubünden hat sich bisher mit rund 100 000 Franken beteiligt. Für die Abstimmungen seit 2010 sind weitere 120 000 Franken ausgegeben worden, während für die Jahre 2014 – 2018 ein Betrag von über 200 000 Franken für die Weiterentwicklung des Systems vorgesehen ist. Hinzu kommen interne Organisations-, Ausstattungs- und Schulungskosten in den Gemeinden, die mehr als 400 000 Franken betragen.

In den letzten Monaten sind in der Schweiz immer mehr Stimmen laut geworden, welche die Ausführbarkeit, aber auch die Sicherheit des elektronischen Abstimmungssystems infrage stellen. Ausserdem erklärte sich der Kanton Genf, welcher die Tests im Wallis sowie in den Kantonen Uri und Obwalden für die Abstimmung vom 24. November hätte beaufsichtigen sollen, ausserstande diese Aufgabe durchzuführen. Daraufhin hat das Wallis darauf verzichtet, den ersten kantonalen Test mit Vote électronique durchzuführen. Probleme mit der Sicherheit der Daten gab es ohnehin schon konkret im Kanton Zürich und in anderen Kantonen. Das geht soweit, dass sich heute zahlreiche Politiker – unter ihnen auch herausragende Persönlichkeiten aus der Politik, die sich anfangs für die Einführung von Vote électronique ausgesprochen hatten – Fragen über die Sicherheit des E-Votings stellen. Ausserdem weiss heute jeder, dass es möglich ist, die elektronischen Kommunikationssysteme zu manipulieren.

Die Regierung wird ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1) Welchen Einfluss haben die Entwicklungen der letzten Monate (Abfangen von Daten, elektronische Spionage, Unmöglichkeit, die vorgesehenen Tests durchzuführen) auf die positive Haltung der Regierung zum Vote électronique?

2) Stellt sich die Regierung die Frage über die Ernsthaftigkeit und die Folgen einer allfälligen Manipulation während einer Wahl?

3) Muss der Kanton Graubünden angesichts dieses Zustandes weiterhin als "Pilotkanton" in diesem Bereich tätig sein?

4) Inwieweit kann der Bund unseren Kanton dazu zwingen, sich an dieser Praxis zu beteiligen, wenn man bedenkt, dass verschiedene Kantone eine Beteiligung noch vermeiden?

5) Ist eine Frühanalyse seitens der kantonalen Verwaltung mit den von diesem Verfahren betroffenen Gemeinden über Gültigkeit und Sicherheit vom Vote électronique für Abstimmungen und Wahlen vorgesehen?

Chur, 5. Dezember 2013

Noi-Togni, Pult, Baselgia-Brunner, Della Vedova, Fasani, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Papa, Peyer, Pfenninger, Rosa, Tenchio, Thöny, Trepp, Deplazes, Hensel, Michel (Igis), Monigatti

Antwort der Regierung

Gemäss Art. 25 Abs. 3 des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) verfügt die Regierung über die Kompetenz, die Stimmabgabe auf elektronischem Weg zu ermöglichen. Die Regierung legte 2009 in ihrem Bericht die schrittweise Einführung von Vote électronique (VE) fest: (1) Einführung von VE für Auslandschweizer Stimmberechtigte; (2) Etappenweise Einführung von VE als dritten, komplementären Stimmkanal. Seit 2010 führt Graubünden VE-Versuche mit Auslandschweizer Stimmberechtigten durch. Alle 14 bisherigen Urnengänge verliefen erfolgreich. Geplant ist, ab 2016 Versuche mit Inlandschweizer Stimmberechtigen in Bündner Pilotgemeinden durchzuführen. 2019/2020 soll VE allen Bündner Stimmberechtigen zur Verfügung stehen. Hierzu werden die bereits heute hohen Sicherheitsanforderungen zusätzlich vergrössert. Der Kanton Graubünden entwickelt mit den Partnerkantonen des Consortiums unter Begleitung des Bundes ein VE-System der 2. Generation und schafft zudem die notwendigen kantonalen Anschlussinfrastrukturen. Diese Arbeiten werden mit bestehenden personellen und finanziellen Ressourcen umgesetzt. Nach aktuellen Schätzungen belaufen sich Investitions- und Betriebskosten für den Zeitraum 2015-2018 auf rund CHF 730'000. Die Regierung beantragt die erforderlichen Kredite jeweils mit der Budgetbotschaft und informiert den Grossen Rat periodisch über die Entwicklungen des Pilots. 

Frage 1 und 2: Es gibt keine Hinweise, dass infolge einer echten Attacke auf ein VE-System Stimmen manipuliert worden wären. Vielmehr demonstrierte ein Hacker im Juni 2013 unter Laborbedingungen die Wirkungsweise von Schadsoftware. Mittels eines Nachbaus des Genfer VE-Systems simulierte er, wie eine Stimme auf der Plattform eines Stimmberechtigten unbemerkt verändert werden könnte. Die identifizierte Schwachstelle war nicht das server-, sondern das clientseitige System. Das von Graubünden verwendete VE-System ist anders aufgebaut als das Genfer VE-System. Dennoch sind sich die Consortiumskantone bewusst, dass theoretisch auch ihr System von Attacken betroffen sein könnte. Um diese Risiken gering zu halten, ist gemäss Bundesgesetzgebung VE zurzeit bei eidgenössischen Urnengängen auf 10% des gesamtschweizerischen Elektorats bzw. auf 30% des kantonalen Elektorats beschränkt. In Graubünden werden derzeit rund 2% der Stimmberechtigten in die Versuche einbezogen. Erst wenn die VE-Systeme die seit 15. Januar 2014 geltenden erhöhten Sicherheitsanforderungen erfüllen, können die Elektoratslimiten erhöht werden. Im Zentrum der neuen Sicherheitsanforderungen steht die Verifizierbarkeit. Die Verifizierbarkeit erlaubt, mit unabhängigen Mitteln zu kontrollieren, ob die Stimme korrekt übermittelt, registriert und gezählt wurde. Das VE-System des Consortiums wird derzeit dahingehend weiterentwickelt. Die individuelle Verifizierbarkeit (die Stimmenden können überprüfen, ob ihre Stimme korrekt übermittelt wurde) wird mit dem Einsatz des Systems der 2. Generation ab 2015 möglich sein. Auch Genf entwickelt sein VE-System weiter und bietet interessierten Kantonen weiterhin eine Beherbergung an.

Bei der NSA-Affäre handelt sich um einen Abhörskandal. Es gibt keine Anhaltspunkte, wonach die elektronische Stimmabgabe in der Schweiz von dieser Affäre betroffen wäre. Das VE-System des Consortiums wird in der Schweiz betrieben und unterliegt höchsten Sicherheits- und Datenschutzanforderungen. Der private Leistungserbringer des Consortiums hat sich vertraglich verpflichtet, die Schweizer Gesetzgebung zu respektieren. Organisatorische und technische Massnahmen gewährleisten, dass bei der elektronischen Stimmabgabe das Stimmgeheimnis nicht verletzt wird. Elektronische Stimmen werden verschlüsselt über das Internet verschickt und auch die elektronische Urne wird verschlüsselt. Für Behörden und die privaten Leistungserbringer ist der Zugriff auf die VE-Systeme nur in genau festgelegten Fällen, nach exakten Regeln und durch speziell autorisierte Personen möglich. Es gibt weder nachgewiesene Fälle, in denen das Stimmgeheimnis verletzt wurde, noch liegen Hinweise vor, dass die für die elektronische Stimmabgabe verwendeten Verschlüsselungstechnologien systematisch und unbemerkt geknackt werden könnten. Auch deutet nichts darauf hin, dass Nachrichtendienste gezielt auf Benutzergeräte zugreifen, die von Privaten für VE verwendet werden. Gebräuchliche Gegenmassnahmen helfen, ein entsprechendes Risiko einzudämmen.

Im Falle eines Missbrauchs müssten eine Untersuchung eingeleitet, fallweise über Tragweite und Konsequenz des Missbrauchs entschieden und allfällige Massnahmen angeordnet werden. Es existieren weder entsprechende Präzedenzfälle noch Rechtsprechung. Für die Regierung hat die Sicherheit bei der elektronischen Stimmabgabe oberste Priorität. Die Entwicklungen werden beobachtet und die Risiken laufend beurteilt. Sollte sich erweisen, dass ein zu grosses Risiko besteht, wird VE in Graubünden sistiert. 

Fragen 3 und 4: Jeder Kanton entscheidet selbst, ob er VE-Pilotversuche durchführt. Die Digitalisierung der politischen Rechte ist ein staatspolitisch wichtiger und zugleich sensibler Bereich, in welchem der Kanton Graubünden nicht abseits stehen darf. Vielmehr soll durch aktives Mitwirken als Schweizer Pilotkanton Einfluss genommen und sicher gestellt werden, dass die besonderen Verhältnisse des Kantons Graubünden von künftigen VE-Lösungen angemessen berücksichtigt werden. 

Frage 5: Der Kanton Graubünden wird die Pilotversuche zusammen mit den Pilotgemeinden analysieren. Sofern das Ergebnis positiv ausfällt und die Voraussetzungen auch seitens des Bundes und der beteiligten Kantone gegeben sind, wird die Regierung dem Grossen Rat 2017 die Einführung von VE als dritten, komplementären Stimmkanal beantragen. Gleichzeitig ist vorgesehen, eine entsprechende Teilrevision des GPR vorzuschlagen sowie die finanziellen und personellen Auswirkungen ab 2019 aufzuzeigen.

07. März 2014