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Session: 05.12.2013
Das Öffentlichkeitsprinzip beschreibt einen Grundsatz demokratischer Regierungsführung und Verwaltung, wonach staatliches Handeln gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich transparent sein muss. Will oder muss der Staat aufgrund übergeordneter Interessen gewisse Bereiche geheim halten, muss nach dem Öffentlichkeitsprinzip ein entsprechender Geheimhaltungsvorbehalt für den bestimmten Bereich anhand einer normativen Regelung festgelegt und begründet werden.

In den letzten Jahren blieben einige Versuche erfolglos, auch für den Kanton Graubünden das Öffentlichkeitsprinzip einzuführen. Bis heute gilt darum der Geheimhaltungsgrundsatz, wonach die staatlichen Stellen und Behörden von Fall zu Fall selber entscheiden, was sie der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen und was nicht. Ein generelles Recht auf Einsicht in staatliche Akten besteht für die Bürgerinnen und Bürger des Kantons Graubünden grundsätzlich nicht.

Die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips erhöht das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Behörden und in die Politik, weil es durch mehr Transparenz die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger verbessert. Die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, dass die Bündner Politik einen solchen Vertrauensschub gut gebrauchen kann. Entsprechend ist es aus Sicht der Unterzeichnenden richtig, das Öffentlichkeitsprinzip nochmals zu thematisieren.

Aus diesen Gründen wird die Regierung beauftragt, dem Grossen Rat eine Botschaft zur Einführung des Öffentlichkeitsprinzips für den Kanton Graubünden vorzulegen.

Chur, 5. Dezember 2013

Thöny, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Trepp, Deplazes, Hensel, Michel (Igis), Monigatti

Antwort der Regierung

Im Oktober 2011 hat der Grosse Rat letztmals über den Wechsel vom Geheimhaltungsgrundsatz (mit Öffentlichkeitsvorbehalt) zum Öffentlichkeitsprinzip (mit Geheimhaltungsvorbehalt) debattiert und in der Folge den Auftrag Müller abgelehnt, der die Einführung des Prinzips auf Gesetzesstufe verlangt hatte (vgl. GRP 2011/2012, S. 368 ff.). Seither ist die Entwicklung in den Kantonen hin zum Öffentlichkeitsprinzip weitergegangen. Heute kennen neben Graubünden nur noch die Kantone Nidwalden, Appenzell Ausserrhoden und Glarus das Geheimhaltungsprinzip. In den anderen Kantonen gilt das Öffentlichkeitsprinzip oder es sind konkrete Projekte zu dessen Einführung im Gange (Zug, St. Gallen, Luzern).

Im Kanton Graubünden informieren die Behörden, namentlich die Regierung und die Verwaltung, in Beachtung von Art. 25 der Kantonsverfassung, welcher die Behörden zu regelmässiger Information verpflichtet, in sehr aktiver und vielfältiger Weise über die staatlichen Tätigkeiten. Die Behörden versuchen damit, die berechtigte Forderung nach Transparenz zu erfüllen. Verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit haben dazu geführt, dass diese Herstellung von "Öffentlichkeit" teilweise als nicht mehr genügend beurteilt wird. Auslöser bilden sowohl mutmassliche Korruptionsfälle beim Bund, der das Öffentlichkeitsprinzip bereits kennt, wie auch Gesuche um Einsicht in amtliche Dokumente im Kanton, die nicht nach den Vorstellungen der Gesuchstellenden behandelt wurden. Dabei ist festzuhalten, dass nicht bei allen Diskussionen Anwendungsfälle des Öffentlichkeitsprinzips vorliegen. Neben interessierten Bürgerinnen und Bürgern sind vor allem die Medien an einer formellen Einführung des Öffentlichkeitsprinzips interessiert. Sie sehen sich dadurch in die Lage versetzt, auf Anfrage in amtliche Dokumente Einsicht zu nehmen, die von den Behörden nicht aktiv publiziert werden.

Der angestrebte Paradigmawechsel dürfte aufgrund der bereits bestehenden offensiven Informationspraxis nur mit vergleichsweise geringen Anpassungen verbunden sein. Die bisherigen Erfahrungen im Bund und in verschiedenen Kantonen zeigen, dass die mit der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips befürchteten Nachteile wie die Beeinträchtigung des Kollegialitätsprinzips und des Meinungsbildungsprozesses innerhalb der Behörden, der Druck der Medien im Vorfeld von Entscheidungsprozessen, die Beeinträchtigung der Privatsphäre, Mehraufwand der Verwaltung und höhere Kosten weitgehend ausgeblieben sind. Erforderlich ist allerdings, dass diesen Bedenken durch eine zweckmässige Regelung des Zugangs zu amtlichen Informationen Rechnung getragen wird. Dem Öffentlichkeitsprinzip sind klare Schranken zu setzen, damit die Behörden- und Verwaltungstätigkeit und insbesondere die interne Meinungs- und Willensbildung nicht unnötig erschwert werden. Zum Erarbeitungsprozess gehören sowohl die Prüfung, ob und welche Bereiche allenfalls von der Einsichtnahme auszunehmen sind, der Schutz überwiegender öffentlicher und privater Interessen wie auch ein einfaches Verfahren zur Klärung der Einsicht. Ein in dieser Form einfaches Verfahren beinhaltet z.B. den Verzicht auf eine spezielle Schlichtungsstelle, damit Aufwand und Kosten möglichst gering gehalten werden. Es ist weder Bürgerinnen und Bürgern noch den Medien gedient, wenn zwar das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt, die Klärung der Berechtigung zur Einsicht in öffentliche Dokumente jedoch durch eine starke Formalisierung des Verfahrens bei unterschiedlichen Auffassungen von Gesuchstellenden und Behörden erheblich in die Länge gezogen wird.

Aus den dargelegten Überlegungen erachtet die Regierung einen Wechsel zum Öffentlichkeitsprinzip für den Kanton Graubünden als angezeigt. Damit kann Vertrauen in die Behörden geschaffen werden. Die Regierung beantragt deshalb, den vorliegenden Auftrag im Sinne der Erwägungen zu überweisen.

07. März 2014