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Session: 11.02.2015
Ausgangslage: Die 2008 von US-Bankern ausgelöste Wirtschaftskrise ist in Europa nicht vorbei. Dazu führt die Zweitwohnungsinitiative zu weiterem Arbeitsplatzabbau. Seit der Kursfreigabe der Schweizer Nationalbank am 15.1.2015 stehen die betroffenen Branchen insb. die Bau- und Tourismusbranche noch zusätzlich unter Druck.

Rahmenbedingungen: Eine Überprüfung der Rahmenbedingungen - insbesondere im Verkehrs- und Tourismusbereich - ist vordringlich. Unsere teilweise kleinstrukturierten Gemeinden und Tourismusdestinationen stehen heute weniger in Konkurrenz mit Nachbargemeinden. Ganz andere Destinationen wie die österreichischen oder französischen Grossregionen oder Mittelmeerstädte, kanadische und US-Destinationen, Asien, Afrika und Südamerika locken heute die Touristen mit Billigflügen, die keine Kerosinabgabe bezahlen. Graubünden steht heute in Konkurrenz mit „Megadestinationen“. Reagieren wir nicht rechtzeitig könnte bei uns mehr als nur eine „rezessive Phase“ drohen.

Neue touristische Herausforderung: Wir bewundern und feiern die touristische Pionierentwicklung, welche vor 150 Jahren in Davos und im (Ober-)Engadin, auf rund 1‘800 m.ü.M. begann und von der Graubünden heute noch profitiert. Aus topographischer Sicht und für die Erreichbarkeit der touristischen Gebiete, verfügen heute viele Täler und Tourismusregionen über mindestens so gute Voraussetzungen. Indessen erreicht eine Basler Familie heute schneller Paris als einige Bündner Destinationen. Im Vergleich zur österreichischen oder französischen Konkurrenz wie „Trois Valée“ (als weltweit grösstes Skigebiet) in Savoyen fehlen bei uns entsprechende Verkehrsinfrastrukturen. Dazu gilt es soweit möglich auch aktuelle Trends und künftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Bereits über 40% der Einwohner/innen aus Grossstädten wie Paris, Lyon, Berlin inkl. Schweizer Städte verfügen heute über kein Individualfahrzeug mehr. Sie sind während ihrer Freizeit auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Die Höhendifferenz z.B. von der ersten Stadt am Rhein, Ilanz bis Rotterdam ist gering. Beiderseits des Rheins zwischen Paris und Berlin wohnen die meisten Menschen Europas, die sich im Sommer und Winter Ferien leisten können. Sie und insbesondere die Rheinanlieger suchen sauberes Wasser, natürliche Fluss- und Erholungslandschaften als Rheinfreunde und Wanderer von der Rheinquelle bis Rotterdam.

Wirtschaft und Natur: Dank geringen Höhendifferenzen in Mitteleuropa ist Graubünden mit Landquart, Chur und Ilanz mit der Region Surselva prädestiniert für moderne, energieeffiziente und möglichst emissionsarme Verkehrsverbindungen wie SBB, TGV aus Paris oder ICE aus Berlin Mitte. All dies ist ohne Beeinträchtigung der Ruinaulta ev. durch ein Zusatzgleis ab Chur bis Ilanz möglich. Gäste aus mitteleuropäischen Städten östlich und westlich des Rheins können GR und die Surselva im Sommer und Winter praktisch emissionsfrei in 4-7 h erreichen - mit einem einmaligen Umstieg in Ilanz zu den verschiedenen Regionalbussen und Destinationen in der Surselva (Ilanz, Flims-Laax-Falera, Vals/Val Lumnezia, Obersaxen und Brigels/ Waltensburg sowie Disentis/Sedrun). In GR befinden sich am meisten landw. Biobetriebe. Nachhaltige Verbindungen zur Surselva verwandeln emissionsarme Reisen zum Grand Canyon Europas bereits zum Ferienerlebnis.

Die Regierung wird eingeladen, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Verbesserte Grunderschliessung: Welche Voraussetzungen und Aufwendungen sind notwendig, um für Graubünden und insb. die Surselva die Rahmenbedingungen im erwähnten Sinne zu verbessern und z.B. die Region Ilanz-Glion auch mit SBB-, TGV- und ICE-Zubringern von Berlin bis Paris ohne Umsteigen zu ermöglichen und damit auch den Billigfluglinien eine Alternative zu bieten?

2. Bessere Regionalerschliessung: Die erschwerten ökonomischen Umstände belasten nicht nur die Gastronomie, sondern auch viele Bergbahnen und andere Betriebe. Wie zu vernehmen war, erfolgten in Zusammenhang mit den Gemeindefusionen im Kreis Rueun und der Skiregion Waltensburg-Brigels Abklärungen z.B. zu Umfahrungsvarianten für bessere Verkehrsverbindungen für Einheimische sowie für Gäste in dieser Region.* Mit welchen Planungsarbeiten und Aufwendungen ist – unter Berücksichtigung ev. Finanzmittel des Infrastrukturfondsgesetz (IFG) wie bei anderen Bündner Regionen – für ein solches Vorprojekt und ev. für ein Projekt zu rechnen? (* verbesserte Regionalerschliessung mit kurzem Tunnel rechts des Flusses Schmuér in Rueun hinauf bis zum Zusammentreffen von Schmuér und Flémbach zwischen den Gemeinden Rueun, Pigniu und Andiast; von dort in Richtung Bergbahnen Darums als 1. Etappe; 2. Etappe: Von dort den Flémbach überqueren und auf seiner linken Seite etwa dem bestehenden Waldweg entlang bis zu den Bergbahnen/Brigels)

3. Regionalerschliessung bei ev. Fusion: Wie könnte die Finanzierung der in der Frage 2 erwähnten Verkehrserschliessung der Etappe 1 und 2 aussehen, wenn eine weitere Variante von Prof. Dr. iur. U. Fetz, HTW Chur in der Studie „Entwicklung zukünftiger Strukturen“ von 2009 in Frage käme, weil z.B. nebst Waltensburg und Andiast auch Brigels beschliessen würde, verstärkt mit der Gemeinde Ilanz zu kooperieren oder ev. zu fusionieren?

Chur, 11. Februar 2015

Alig, Casanova (Ilanz), Weber, Berther, Brandenburger, Burkhardt, Casutt-Derungs, Caviezel (Davos Clavadel), Davaz, Epp, Felix (Scuol), Giacomelli, Hug, Jenny, Kasper, Koch (Igis), Kollegger, Müller, Nay, Niggli (Samedan), Rosa, Salis, Sax, Thomann-Frank, Toutsch, Vetsch (Pragg-Jenaz), Calonder, Derungs

Antwort der Regierung

Die Anfrage Alig thematisiert die bahntechnische Grunderschliessung der Surselva sowie die Strassenerschliessung der Gemeinden Breil/Brigels, Waltensburg/Vuorz und Andiast. Die Regierung nimmt wie folgt Stellung: 

Zur Frage 1: Damit Normalspurzüge aus den europäischen Metropolen über Chur bzw. über das Dreischienengleis Ems Werk hinaus bis nach Ilanz/Glion fahren können, reicht der Einbau einer dritten Schiene auf dem bestehenden RhB-Trassee nicht aus. Eine Vielzahl von zusätzlichen Massnahmen wäre notwendig, unter anderem:
- Umbau der Strecke und der Stationen mit landschaftlichen Eingriffen aufgrund der minimal erlaubten Kurvenradien. Diese sind bei der Normalspur deutlich grösser als bei der Meterspur.
- Anpassung des Lichtraumprofils und der Sicherheitsabstände: Dies betrifft vor allem die Kunstbauten wie Tunnels, Brücken und Galerien.
- Ersatz sämtlicher Schwellen für den Einbau einer dritten Schiene und Anpassung des Oberbaus zur Erhöhung der Achslast (RhB: 16 t / SBB: 20-25 t).
- Anpassung des Stromnetzes oder der RhB-Triebfahrzeuge: Da die RhB nur mit 11 000 Volt Spannung fährt, wäre eine Umstellung auf das SBB-System mit 15 000 Volt Wechselstrom vorzunehmen. Als Variante wären auch umschaltbare Fahrleitungen oder Anpassungen bei den Normalspurfahrzeugen zu prüfen (heute verkehren die älteren Cargo-Lokomotiven nur mit 11 000 Volt nach Ems Werk).
- Anpassung der Zugs-Sicherungssysteme, welche bei SBB und RhB völlig unterschiedlich sind.
Um Aussagen zu den Investitions- und Betriebskosten einer Normalspur bis nach Ilanz/Glion machen zu können, müssten aufwendige Abklärungen durch externe Experten getroffen werden. Ein solches Projekt würde zudem nur im Rahmen einer neuen Nord-Süd-Verbindung Sinn machen. Diese Idee wurde jedoch anfangs der Neunzigerjahre vom Bund abgelehnt. Deshalb konzentrieren sich die Bemühungen des Kantons darauf, die internationalen Verbindungen nach Chur zu verbessern, mit Direktverbindungen vom Flughafen Zürich Kloten nach Graubünden. Parallel dazu sollen das RhB/MGB-Angebot ausgebaut (Halbstundentakt in den Hauptverkehrszeiten) und die Infrastruktur der Surselvalinie punktuell angepasst werden (z.B. doppelspurige Hinterrheinbrücke, Ausbau der Systemkreuzungsstellen im Raum Ilanz/Glion und Rabius, punktuelle Kurvenstreckungen im Rahmen von Oberbausanierungen). 

Zu den Fragen 2 und 3: Die erwähnte Grobstudie beinhaltet eine Idee privater Kreise, eingezeichnet auf einer Landeskarte im Massstab 1:20 000. Unterlagen zur Beurteilung der Machbarkeit liegen nicht vor. Eine Abschätzung der Baukosten ergibt unter Berücksichtigung der vorgesehenen Tunnels und der nötigen Kunstbauten, dass allein die erste Etappe mindestens 65 Mio. Franken kosten würde. Damit wäre lediglich Waltensburg/Vuorz umfahren, dessen Innerortsstrecke in den vergangenen Jahren ausgebaut wurde. Für die Fortsetzung nach Breil/Brigels wären nochmals ca. 35 Mio. Franken zu rechnen. Die heutige Zufahrt nach Breil/Brigels ab der Oberalpstrasse wurde mit beträchtlichem Aufwand ausgebaut. Derzeit wird die Brücke über den Vorderrhein in Tavanasa durch einen Neubau ersetzt. Die Verkehrsmengen nach Waltensburg/Vuorz und nach Breil/Brigels sind gering. Die neue Kantonsstrasse würde für die Bevölkerung von Waltensburg/Vuorz einen beträchtlichen Umweg zur Folge haben, da sie oberhalb des Dorfes in die heutige kantonale Verbindungsstrasse einmündet. Die aktuelle Erschliessung von Waltensburg/Vuorz ab der Oberalpstrasse müsste die Gemeinde übernehmen. Dasselbe gilt für Teile der heutigen Brigelserstrasse. Aus all diesen Gründen sind vertiefte technische Abklärungen zu dieser Idee nicht sinnvoll. Mit Bundesmitteln könnte im Übrigen weder für die Projektierung noch für den Bau gerechnet werden. Gestützt auf das Infrastrukturgesetz erhalten die Gebirgskantone eine gezielte Unterstützung nur für den Bau und Unterhalt von Hauptstrassen, nicht aber von kantonalen Verbindungsstrassen.

17. April 2015