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Session: 21.04.2015
Seit dem 1. Januar 2013 ist das neue Gesetz betreffend Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Im Auftrag des Bundes untersuchte das schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte, wie sich die Gesetzesrevision in den Kantonen Zürich, Genf und Waadt auf das Wohl des Kindes ausgewirkt hat. Im Fokus stand die Frage, ob das neue Gesetz auch bezüglich der UNO-Kinderrechtskonvention, welche die Schweiz ratifiziert hat, genügt. Es wurde festgestellt, dass beim heutigen Kinderschutz mehrere Mängel vorhanden seien.

Konkret werde die neue Regelung nicht so umgesetzt, dass die Bedürfnisse der Kinder optimal berücksichtigt werden. So fehle es bei den Richterinnen und Richtern, die Kinder anhören, an einer spezifischen Ausbildung. Auch würden diese Anhörungen nicht systematisch gehandhabt. Kritisiert wurde auch, dass oftmals die Meinung der Kinder in Verfahren, die sie selbst betreffen, nicht in ausreichendem Masse berücksichtigt werde.

Der Bericht zeigt klar auf, dass das Rechtssystem noch nicht spezifisch und umfassend auf die Anhörung von Kindern ausgerichtet ist. Ziel muss es deshalb sein, diese fachliche Lücke mittels Weiterbildungen, in denen Richter geschult werden, Kinder anzuhören, zu schliessen. Das Rechtssystem muss so angepasst werden, dass Kinder sorgfältig behandelt werden und an Entscheidungen, welche ihr Leben betreffen, mitwirken können.

In diesem Zusammenhang stellen die Unterzeichnenden folgende Fragen:

1. Wie beurteilt die Regierung die Feststellung, dass das heutige Rechtssystem noch nicht spezifisch und umfassend auf die Anhörung von Kindern ausgerichtet ist und wie beurteilt sie die Situation in Graubünden?

2. Wie sieht die Situation bezüglich Mängel beim heutigen Kinderschutz im Zusammenhang mit der UNO-Kinderrechtskonvention im Kanton Graubünden aus und wie stark wird die Meinung der Kinder in Verfahren berücksichtigt?

3. Wie gedenkt die Regierung, eine allfällige Lücke betreffend spezifische Ausbildung von Richterinnen und Richtern im Zusammenhang mit der Anhörung von Kindern im Kanton Graubünden zu schliessen?

Chur, 21. April 2015

Bucher-Brini, Perl, Noi-Togni, Atanes, Baselgia-Brunner, Brandenburger, Cahenzli-Philipp, Casty, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Clalüna, Deplazes, Gartmann-Albin, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jeker, Koch (Tamins), Kollegger, Locher Benguerel, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Monigatti, Pult, Salis, Steck-Rauch, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Widmer-Spreiter, Gugelmann, Natter, Rutishauser, Vassella

Antwort der Regierung

I. Einleitung

Kinder werden in rechtlichen Verfahren durch verschiedene Gerichte und Behörden angehört. Im Kanton Graubünden sind dies:

1. Die Bezirksgerichte in zivilrechtlichen, hauptsächlich familienrechtlichen Verfahren und das Kantonsgericht als Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafverfahren.

2. Die Staats- und Jugendanwaltschaft in Strafverfahren, in welchen Kinder involviert sind.

3. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) als kantonale Verwaltungsbehörden im Rahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts. 

II. Beantwortung der Fragen

1. Das Wohl der Kinder ist für die Regierung ein zentrales Anliegen. Nicht zuletzt dank der UNO-Kinderrechtskonvention wurde in den letzten Jahren die Rechtsstellung der Kinder in Zivil- und Strafverfahren deutlich gestärkt. Die Rechte der Kinder ergeben sich grösstenteils abschliessend aus dem Bundesrecht, d.h. aus dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch und der Schweizerischen Zivil- bzw. Strafprozessordnung. Die Regierung erachtet die gesetzlichen Grundlagen als genügend und beurteilt die Situation im Kanton Graubünden als unproblematisch.

2. Nach Beurteilung der Regierung sind im Kanton Graubünden keine nennenswerten Mängel im Kindsschutz vorhanden.

- Eine Umfrage des Kantonsgerichts bei den Bezirksgerichten ergab, dass die Kindsanhörungen in der Regel durch qualifizierte Richterinnen und Richter erfolgen. Das Kantonsgericht stuft den Ausbildungsstand der Richterinnen und Richter insgesamt als recht gut ein. Die Richterinnen und Richter bilden sich zudem regelmässig weiter. Dies trifft auch auf die für Kinderbefragungen zuständigen Staats- und Jugendanwälte zu, die alle über eine entsprechende Ausbildung verfügen. Schliesslich sind auch alle Behördenmitglieder der KESB sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abklärungsdienste, die Kindsanhörungen durchführen, befähigt und haben Fachkurse zu diesem Thema besucht. Alle Gerichte und Behörden können überdies bei speziellen Verhältnissen besonders befähigte Fachpersonen beiziehen (beispielsweise der Kinder- und Jugendpsychiatrie Graubünden, KJP).

- Da die Kindsanhörungen in zivil- bzw. strafrechtlichen Verfahren erfolgen, ist durch die Regierung nicht beurteilbar, ob diese systematisch durchgeführt werden bzw. inwiefern die Meinung der Kinder im konkreten Einzelfall berücksichtigt wird. Zumindest liegen aber keine Hinweise vor, wonach die Anhörungen regelmässig nicht gesetzeskonform durchgeführt würden. Allgemein kann gesagt werden, dass die Meinung des betroffenen Kindes nicht ungefiltert sondern altersgemäss und situationsbezogen zu berücksichtigen ist. Die subjektiv geäusserte Meinung von Kindern muss sodann vor dem Hintergrund der Dynamik im Familiensystem bewertet und in das Gesamtbild der Fragestellungen eingeordnet werden.

3. Der Regierung sieht bei der Staatsanwaltschaft und den KESB keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Selbstverständlich haben sich die betroffenen Personen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen stetig weiter- und fortzubilden. Bezüglich der Richterinnen und Richter steht es der Regierung aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung und des verfassungsrechtlich verankerten Selbstverwaltungsrechts der Gerichte nicht zu, in deren Ausbildung einzugreifen.

01. Juli 2015