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Session: 21.04.2015
Am 20. März 2015 wurde das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) von National- und Ständerat angenommen. Die Referendumsfrist läuft am 9. Juli 2015 ab. Es ist davon auszugehen, dass es nicht zu einem Referendum kommen wird und das Gesetz 2016 in Kraft treten kann. Das Gesetz überträgt wichtige Kompetenzen und Aufgaben den Kantonen, namentlich in den Artikeln 3, 12 und 15:

Art. 3 ZWG: Aufgaben und Kompetenzen der Kantone
1 Die Kantone legen bei Bedarf im Richtplan Massnahmen zur Förderung einer besseren Auslastung der Zweitwohnungen sowie zur Förderung von Hotellerie und preisgünstigen Erstwohnungen fest.
2 Sie können Vorschriften erlassen, die die Erstellung und Nutzung von Wohnungen stärker einschränken als dieses Gesetz.

Art. 12 ZWG: Missbrauch und unerwünschte Entwicklungen
1 Die Kantone und Gemeinden ergreifen bei Bedarf die Massnahmen, die nötig sind, um Missbräuche und unerwünschte Entwicklungen zu verhindern, die sich aufgrund einer unbeschränkten Nutzung altrechtlicher Wohnungen zu Zweitwohnzwecken ergeben können.
2 Zu diesem Zweck können die Kantone die Umnutzung von bisher zu Erstwohnzwecken genutzten Wohnungen zu Zweitwohnzwecken sowie die Änderungsmöglichkeiten nach Artikel 11 Absätze 2–4 stärker einschränken als dieses Gesetz. Soweit diese nutzungsmässigen und baulichen Änderungen nicht der Baubewilligungspflicht unterstehen, können die Kantone sie ihr unterstellen.

Art. 15 ZWG: Aufsichtsbehörde
Jeder Kanton bestimmt eine Behörde, die den Vollzug dieses Gesetzes beaufsichtigt.


Wegen der vollständigen Umnutzungsfreiheit altrechtlicher Wohnungen besteht die Gefahr, dass Erstwohnungen in Dorfkernen als Zweitwohnungen verkauft werden, während neue (Ersatz-)Erstwohnungen auf bisher noch nicht überbauten Grundstücken an der Peripherie entstehen. Diese raumplanerisch unerwünschte Entwicklung wird auch als Donut-Effekt bezeichnet.

Weiter ist absehbar, dass sich in touristischen Hotspots wegen der Verknappung des Zweitwohnungsmarkts ein neuer «Ausweichmarkt» entwickeln wird. Der Wert bestehender Erstwohnungen wird ansteigen, mit unerwünschten Folgen für die ortsansässige Mieterschaft und Einheimische – insbesondere junge Familien – die sich ein Eigenheim leisten möchten. Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:

1. Wie gedenkt die Regierung den in Art. 3 ZWG statuierten kantonalen Aufgaben nachzukommen?

2. Anerkennt die Regierung die Notwendigkeit einer kantonalen Regelung der Umwandlung altrechtlicher Wohnungen in touristische Hotspots?

3. Wo sieht die Regierung Handlungsbedarf mit Blick auf Missbrauch und unerwünschte Entwicklungen, wie sie in Art. 12 ZWG beschrieben werden?

4. Wie gedenkt die Regierung die Gemeinden beim Vollzug dieses hochkomplexen Gesetzes zu unterstützen?

Chur, 21. April 2015

Pult, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Jaag, Monigatti, Perl, Thöny, Rutishauser, Vassella

Antwort der Regierung

Zu Frage 1

Die erste Frage betrifft Art. 3 ZWG, wonach die Kantone bei Bedarf im Richtplan (KRIP) Massnahmen zugunsten einer besseren Auslastung bestehender Zweitwohnungen sowie zur Förderung der Hotellerie und preisgünstiger Erstwohnungen festzulegen haben. Die Regierung erliess bereits im 2009 einen KRIP „Erst- und Zweitwohnungen sowie touristische Beherbergung“, welcher Vorgaben in den erwähnten Bereichen enthält. Dieser Richtplan sowie der dazugehörige kantonale Werkzeugkasten sind in diesen Punkten immer noch gültig. Eine Überprüfung drängt sich eventuell in Bezug auf die Hotellerie auf, nachdem das ZWG hier neue Leitplanken gesetzt hat. 

Zu den Fragen 2 und 3

Die Fragen 2 und 3 betreffen den im neuen ZWG verankerten Grundsatz der freien Nutzbarkeit bestehender (altrechtlicher) Erstwohnungen zu Zweitwohnungszwecken sowie den Auftrag an die Kantone und Gemeinden, Massnahmen gegen Missbräuche und unerwünschte Entwicklungen im Zusammenhang mit der erwähnten freien Nutzbarkeit altrechtlicher Erstwohnungen zu ergreifen.

Die Regierung hat sich bei der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative von Beginn weg dezidiert dafür eingesetzt, dass sich das Zweitwohnungsverbot in erster Linie auf Neubauten beziehen soll, wogegen der bereits bestehende Wohnungsbestand davon verschont, d.h. auch in Zukunft frei nutzbar bleiben soll. Damit sollte in erster Linie ein Wertezerfall bei den betroffenen Liegenschaften verhindert werden. Dabei war und ist sich die Regierung bewusst, dass eine unbeschränkte Umnutzbarkeit bestehender Wohnungen in gewissen Gemeinden auch ihre Schattenseite haben kann. Zu denken ist an eine mögliche schleichende Verdrängung der einheimischen Bevölkerung aus den Ortszentren in die Peripherie mit der Konsequenz, dass die Ortskerne zusehends entvölkert werden. Angesichts dieser Gefahr hat die Regierung bei der Erarbeitung des ZWG stets gefordert, den Kantonen die Kompetenz zum Erlass einschränkender Vorschriften einzuräumen.

Als denkbare Massnahmen gegen unerwünschte Entwicklungen könnte etwa in Betracht gezogen werden, Umwandlungen altrechtlicher Erstwohnungen in Zweitwohnungen über Lenkungs-, Ersatz- oder Mehrwertabgaben zu steuern und/oder in dem Sinne zu beschränken, dass nur ein bestimmter prozentualer Anteil der bestehenden Geschossfläche in unbewirtschaftete Zweitwohnungen umgewandelt werden darf (Anteilsregelung). Als Massnahme gegen "Missbräuche" könnte z.B. bestimmt werden, dass eine neue Erstwohnung nur bewilligt wird, wenn die Bauherrschaft in den letzten zehn Jahren über kein Wohneigentum in der betreffenden Gemeinde verfügte, dies in sinngemässer Anlehnung an die vielerorts bestehenden Reglemente über die Veräusserung gemeindeeigener Parzellen.

Entsprechende Regelungen sollten zweckmässigerweise auf Stufe Gemeinde erlassen werden. Diese können am besten beurteilen, wann der richtige Zeitpunkt für Regelungen gekommen ist und wie diese unter Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Verhältnisse auszugestalten sind. Das kantonale Recht müsste den Gemeinden eine entsprechende Rechtsetzungskompetenz einräumen und geeignete Instrumente anbieten, z.B. im Zuge der anstehenden Teilrevision des kantonalen Raumplanungsgesetzes (KRG). 

Zu Frage 4

Im Hinblick auf die Gewährleistung einer korrekten und rechtsgleichen Anwendung der Zweitwohnungsgesetzgebung wird der Kanton die Gemeinden mit einer Vollzugshilfe unterstützen. Im Hinblick auf den allfälligen Erlass von (weitergehenden) kommunalen Vorschriften ist die Erarbeitung von Regelungs- und Massnahmenbeispielen (Musterbaugesetz, Werkzeugkasten) vorgesehen.

25. Juni 2015