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Session: 28.08.2015
Gemäss der am 1. August 2013 in Kraft getretenen Verordnung vom 19. März 2013 über weiter gehende Tagesstrukturen (Tagesstrukturverordnung; BR 421.030) sind die Schulträgerschaften verpflichtet, weiter gehende Tagesstrukturen anzubieten, sofern entsprechender Bedarf besteht. Die Gemeinden sind seither gefordert, entsprechende Betreuungsangebote bereitzustellen und aufgrund der rasant wachsenden Nachfrage kontinuierlich auszubauen.

Nach Art. 13 Abs. 2 der Tagesstrukturverordnung richtet der Kanton den Schulträgerschaften Pauschalen in der Höhe von 2.00 Franken für eine Betreuungseinheit der Vormittags- und Nachmittagsbetreuung und 3.00 Franken pro Mittagsbetreuung aus. Gemäss entsprechendem Regierungsbeschluss vom 19. März 2013 basieren die Pauschalen auf den vom Kantonalen Sozialamt erhobenen Normkosten für familienergänzende Angebote des Jahres 2012 und entsprechen 20% der Normkosten. Diese Normkosten berücksichtigen jedoch die besondere Situation der Tagesstrukturen zu wenig. Während sich die Nachfrage auf einige wenige Spitzenzeiten, v.a. am Dienstag und Donnerstag über Mittag und nach der Schule, konzentriert, muss die entsprechende Infrastruktur, das Personal und die Organisation dauernd zur Verfügung gestellt werden.

Die Gemeinden stellen deshalb nun fest, dass die Beiträge des Kantons von einer Beteiligung von 20% der Normkosten weit entfernt sind. Eine Umfrage ergab, dass dieser Anteil in der Stadt Chur, in Davos und auch in Landquart gerade mal 10% beträgt. Dies hat für die Erziehungsberechtigten in Chur beispielsweise zur Folge, dass sie für eine einzelne Mittagsbetreuung bis zu 31.60 Franken bezahlen müssen. Die Berechnungen im Bericht „Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Graubünden“ der HTW Chur aus dem Jahr 2013 bestätigen (S. 32), dass die schulergänzende Kinderbetreuung deutlich weniger öffentliche Mittel erhält als der vorschulische Bereich.

Der Bundesrat erkennt im Bericht vom 1. Juli 2015 über die „Vollkosten und Finanzierung von Krippenplätzen im Ländervergleich“: „Eine höhere Beteiligung der Eltern von kleinen Kindern am Arbeitsmarkt, vor allem der Mütter, ist aus volkswirtschaftlicher und gleichstellungspolitischer Sicht wünschenswert und trägt zur Minderung des Fachkräftemangels bei. Die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung scheitert jedoch teilweise immer noch am Mangel an familienergänzenden Betreuungsplätzen und den hohen Kosten der Betreuung“ (S. 9). Im Bericht vom 20. Mai 2015 über „Familienpolitik – Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundes“ stellt der Bundesrat insbesondere Handlungsbedarf bei den Angeboten und der Finanzierung des schulergänzenden Bereiches fest.

Um den Bedarf an schulergänzender Kinderbetreuung abdecken zu können, stehen die Bündner Gemeinden vor immensen betrieblichen und finanziellen Herausforderungen. Es droht eine weitere Überwälzung der Kosten auf die Erziehungsberechtigten, was zur Folge haben kann, dass die wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele der Gesetzgebung, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, untergraben werden. Die Regierung wird deshalb gebeten, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Wie begründet die Regierung den Umstand, dass der Anteil der Kantonsbeiträge an den Kosten der Tagesstrukturen im Vergleich zum Anteil im vorschulischen Bereich deutlich tiefer ist?

2. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, um die Tagesstrukturen mit einem vergleichbaren Anteil an den Vollkosten zu unterstützen wie die vorschulischen Angebote?

3. Welche Vorgaben für die Schulträgerschaften plant die Regierung im Bereich, der Tagesstrukturen zu erlassen?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung im Bereich der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung, um negative Anreize zur Nutzung der Angebote durch übermässige Tarife zu beseitigen?

Chur, 28. August 2015

Degiacomi, Thöny, Alig, Atanes, Baselgia-Brunner, Bleiker, Bucher-Brini, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casanova (Ilanz), Cavegn, Claus, Darms-Landolt, Deplazes, Dosch, Engler (Davos Dorf), Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Hardegger, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Kappeler, Kollegger, Locher Benguerel, Mani-Heldstab, Marti, Monigatti, Noi-Togni, Perl, Peyer, Pult, Steck-Rauch, Steiger, Stiffler (Chur), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, von Ballmoos, Widmer-Spreiter, Wieland, Engler (Surava), Föhn, Gugelmann, Tuor, Zanetti (Poschiavo)

Antwort der Regierung

Gestützt auf das Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) sind die Schulträgerschaften verpflichtet, bei Bedarf weiter gehende Tagesstrukturen anzubieten. Massgebend für die Festlegung der Kantonsbeiträge an die Tagesstrukturen sind die gemäss Art. 6 des Gesetzes über die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung (BR 548.300) von der Regierung festgelegten Normkosten von aktuell Fr. 9.05 sowie der Beitragssatz von 20 %. Die Wohnsitzgemeinde hat sich mindestens im gleichen Umfang wie der Kanton zu beteiligen.
Für Tagesstrukturangebote wurden für das Schuljahr 2013/14 Kantonsbeiträge von rund 583 000 Franken geleistet. Für das Schuljahr 2014/15 ist aufgrund der vorliegenden provisorischen Abrechnungen mit Kantonsbeiträgen von rund 571 000 Franken auszugehen. Trotz eines Anstiegs in dieser Zeit von 44 auf 53 Schulträgerschaften mit anerkannten Angeboten sind die in Anspruch genommenen Betreuungseinheiten also leicht zurückgegangen.

Zu Frage 1 und 2: Da es sich bei den Tagesstrukturen um ein neues Angebot handelt, für welches zum Zeitpunkt der Inkraftsetzung des neuen Schulgesetzes noch keine Erfahrungswerte vorlagen, stützte sich der Kanton bei der Festlegung des Kantonsbeitrages auf den Beitrag für die vorschulischen Angebote ab. Im Unterschied zu diesem wurde aber für den Schulbereich eine Pauschale definiert. Bereits bei der Festlegung der Pauschale hat die Regierung beschlossen, diese nach Ablauf von vier Jahren aufgrund der dannzumal vorliegenden Erfahrungswerte zu überprüfen und allenfalls neu festzulegen. Ob der Anteil der Kantonsbeiträge an die Kosten der Tagesstrukturen im Vergleich zum Anteil im vorschulischen Bereich tatsächlich tiefer liegt, lässt sich erst aufgrund dieser Überprüfung verlässlich feststellen. Bei dieser Überprüfung werden die Kosten aller Anbieter von Betreuungsangeboten berücksichtigt. Ein Vergleich wie in der vorliegenden Anfrage, bei dem nur die Kosten von drei grossen Gemeinden herangezogen werden, wäre nicht zulässig. Zu beachten ist weiter, dass verschiedene der heutigen Angebote im Schulbereich bis zur Inkraftsetzung des neuen Schulgesetzes als familienergänzende Angebote geführt (darunter Chur und Landquart) und gestützt auf das entsprechende Gesetz mit Kantonsbeiträgen unterstützt wurden. Folglich wurden sie in der Normkostenberechnung und damit in den heutigen Pauschalbeiträgen an Tagesstrukturen berücksichtigt. Analog zu den festgelegten Normkosten handelt es sich bei den Pauschalbeiträgen gemäss Verordnung über weiter gehende Tagesstrukturen (Tagesstrukturverordnung; BR 421.030) um kantonale Durchschnittswerte. Bei einzelnen Schulträgerschaften können deshalb durchaus grössere Abweichungen zu den effektiven Kosten auftreten.
Da es in verschiedenen Gemeinden zu Überschneidungen zwischen der schul- und der familienergänzenden Kinderbetreuung kommt, wird die Regierung im Rahmen der oben erwähnten Überprüfung zudem der Frage nachgehen, ob die schul- und familienergänzende Kinderbetreuung bezüglich Zuständigkeit in der Verwaltung, gesetzlicher Vorgaben und Kostenbeiträge einheitlich ausgestaltet werden soll.

Zu Frage 3: Die Ausgestaltung, Organisation und Finanzierung der Betreuungsangebote im Bereich der Tagesstrukturen ist in den Schulträgerschaften teilweise über viele Jahre gewachsen und in aller Regel optimal auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Standorts abgestimmt. Die Vorgaben gemäss Tagesstrukturverordnung berücksichtigen diese grosse Heterogenität im Kanton Graubünden und ermöglichen sie auch weiterhin. In den zwei Schuljahren seit der Inkraftsetzung des Schulgesetzes bzw. der Tagesstrukturverordnung erfolgten sehr wenige kritische Rückmeldungen zu den gesetzlichen Vorgaben. Dies zeigt, dass die zahlreichen, bereits vor der Inkraftsetzung der gesetzlichen Vorgaben bestehenden Angebote von den Schulträgerschaften problemlos weitergeführt und zusätzlich neue Angebote installiert werden konnten. Aus diesen Gründen sieht die Regierung keinen Anlass, die Vorgaben der neuen Schulgesetzgebung bereits anzupassen oder zu ergänzen.

Zu Frage 4: Aufgrund der Ergebnisse der erstmals Ende Schuljahr 2016/17 vorgenommenen Erhebung bei den Schulträgerschaften wird die Regierung allerdings prüfen, ob Anpassungsbedarf bei den Pauschalbeiträgen gemäss Tagesstrukturverordnung besteht. Eine allfällige Erhöhung der Beiträge würde auch zahlreiche Gemeinden zusätzlich belasten. Welchen Kostenanteil jedoch die Erziehungsberechtigten zu tragen haben, legt jede Schulträgerschaft in ihrer Tarifordnung selber fest. Ein Grossteil der Schulträgerschaften stuft ihre Tarife dabei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten ab. Gestützt auf die bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Festlegung der Beiträge der Erziehungsberechtigten durch die Schulträgerschaften ist keine zusätzliche Überwälzung der Kosten auf die Erziehungsberechtigten zu erwarten.

28. Oktober 2015