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Session: 19.04.2017

Seit der Einführung des Kantonalen Raumplanungsgesetzes (KRG) im Jahre 2005 besteht im Kanton Graubünden eine minimale Regelung für das behindertengerechte Bauen. Die Bestimmungen in Art. 80 KRG beschränken sich auf die minimalen Aussagen aus dem übergeordneten Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG). Auf weitergehende Regelungen im Gesetz wurde verzichtet und in der Verordnung wurden keine weiteren Anweisungen gemacht. Es stellt sich die Frage, ob die bestehende rechtliche Grundlage ausreicht, damit die Baubehörden der Gemeinden die Anforderungen tatsächlich durchsetzen können.

Das Gesetz greift erst bei Wohnbauten mit mehr als acht Wohneinheiten im selbigen Gebäude. Ausser in den Zentren werden kaum Mehrfamilienhäuser mit einer solchen Anzahl Wohnungen erstellt, was dazu führt, dass vor allem in den ländlichen Gebieten des Kantons kaum Wohnungen erstellt werden, welche dem hindernisfreien Bauen entsprechen. Dies führt dazu, dass betroffene Menschen unter Umständen ihr Dorf verlassen müssen um geeigneten Wohnraum zu finden. Auch können mit der jetzigen Regelung Überbauungen mit beispielsweise 20 Wohneinheiten erstellt werden, ohne die gesetzlichen Anforderungen an das behindertengerechte Bauen erfüllen zu müssen, wenn die Wohnungen nur entsprechend auf einzelne Gebäude verteilt werden. Neben Menschen mit einer Behinderung sind insbesondere ältere Menschen von dieser ungenügenden Regelung betroffen, mit der Folge nach einem höheren Bedarf an Altersheimen und Alterswohnungen, welche von der öffentlichen Hand finanziert werden.

Viele andere Kantone aber auch Gemeinden im Kanton Graubünden kennen deshalb weitergehende Regelungen, welche auch bei Mehrfamilienhäusern mit weniger als neun Wohneinheiten minimale Hindernisfreiheit vorschreiben. Auch beschreibt das aktuell geltende kantonale Gesetz nur den Zugang zur Wohnung, jedoch nicht die Benutzbarkeit der Wohnung.

Wir bitten daher die Regierung um Beantwortung folgender Frage:

1. Ist die ungenügende Wohnsituation für Menschen mit einer Behinderung und ältere Menschen im Kanton Graubünden der Regierung bekannt?

2. Teilt die Regierung die Meinung, dass Handlungsbedarf besteht und dieses Thema in die sich in Vorbereitung befindende Revision des KRG aufgenommen werden müsste?

3. Welche gesetzlichen Verbesserungen könnten auf kantonaler Ebene geschaffen werden? Wäre eine kantonale Regelung (im Sinne des Baugesetzes der Gemeinden Domat/Ems, Rhäzüns oder Bonaduz) eine Möglichkeit?

Chur, 19. April 2017

Lorez-Meuli, Sax, Hitz-Rusch, Albertin, Atanes, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Bucher-Brini, Buchli-Mannhart, Cahenzli-Philipp, Casty, Clalüna, Danuser, Darms-Landolt, Deplazes, Dermont, Dosch, Epp, Fasani, Felix (Haldenstein), Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Hardegger, Jaag, Jeker, Jenny, Koch (Tamins), Kollegger, Komminoth-Elmer, Lamprecht, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Monigatti, Müller, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Pedrini, Stiffler (Davos Platz), Tomaschett-Berther (Trun), Weber, Berther (Segnas), Erhard, Gugelmann, Hartmann-Conrad (Schiers)

Antwort der Regierung

Zu Frage 1:
Es existiert kein statistisches Material über die Wohnsituation von Menschen mit einer Behinderung. Gemäss Auskunft der Pro Infirmis verhält es sich in der Praxis aber in der Tat so, dass sich die Suche nach geeigneten Wohnungen für die betroffenen Kreise oft schwierig und vor allem zeitraubend gestaltet.

Zu Frage 2:
Die Regierung erachtet es aufgrund des Grundrechts der Gleichstellung aller Menschen als sehr bedeutungsvoll, dass der gebaute Lebensraum allen Menschen gleichermassen offen steht. Sie ist daher bereit, die Wohnsituation für Menschen mit Behinderungen näher abzuklären und bei gegebenem Handlungsbedarf die heutigen Regelungen in Art. 80 des kantonalen Raumplanungsgesetzes (KRG) im Rahmen der laufenden KRG-Revision zu überprüfen.

Immerhin darf schon an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Gemeinden bereits nach heutiger Rechtslage die Kompetenz haben, in ihren Baugesetzen bei Bedarf strengere Regelungen zu erlassen. Dies belegen die in der Anfrage positiv erwähnten Beispiele der Gemeinden Domat/Ems, Bonaduz und Rhäzüns.

Eine besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang die Aktivitäten der Bauberatungsstelle der Pro Infirmis Graubünden, welche vom Kanton im Rahmen einer Leistungsvereinbarung im Hinblick auf die Umsetzung der Zielvorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes finanziell unterstützt wird.

Zu Frage 3:
Wie in der Anfrage zutreffend dargelegt wird, begnügt sich das geltende KRG in Art. 80 damit, die zwingenden Minimalvorgaben des übergeordneten eidgenössischen Behindertengleichstellungsgesetzes umzusetzen. Es wäre möglich, im KRG über die Minimalvorgaben des Bundesgesetzes hinaus weitergehende Regelungen im Sinne der Baugesetze der genannten drei Gemeinden zu erlassen. Damit würde der Standard dieser drei Gemeinden kantonsweit in allen Gemeinden verbindlich. Ob dies mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in den verschiedenen Gemeinden effektiv nötig und angezeigt ist, wird im Rahmen der KRG-Revision zu prüfen und zu entscheiden sein.

05. Juli 2017