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Session: 11.06.2019

Seit Jahren wiederholen sich die Ereignisse bei der Präsentation des Budgets und der Rechnung. Es wird zuerst rot geschrieben (Budget) und dann schwarze Zahlen ausgewiesen (Rechnung). Für das Jahr 2018 war ein Defizit von 33.4 Mio. Franken budgetiert, am Ende resultierte ein Plus von 105.2 Mio. Franken (operatives Ergebnis). Noch deutlicher sind die Abweichungen, wenn man einen Blick auf die Finanzpläne der Vergangenheit wirft. In den Finanzplänen 2005 – 2008, 2009 – 2012, 2013 – 2016 und 2017 – 2020 wurden fast ausnahmslos hohe Defizite prognostiziert, in der Realität waren die Zahlen dann sehr viel positiver. Dieser Umstand macht es für den Grossen Rat schwierig, strategisch zu planen. Es wird aufgrund der pessimistischen Planung oft davon ausgegangen, dass gewisse Investitionen und Ausgaben nicht finanzierbar sind. In der Realität zeigt sich dann aber, dass genügend Geld vorhanden gewesen wäre.

Am stärksten zum Tragen kommt dieses Problem beim Regierungsprogramm resp. Finanzplan. Die Bündner Verfassung sieht in Art. 93 Abs. 2 vor, dass der Kantonshaushalt unter Berücksichtigung der Wirtschaftsentwicklung mittelfristig ausgeglichen sein muss. In der Theorie hiesse diese Verfassungsbestimmung, dass auf Jahre der Überschüsse auch Jahre der Defizite möglich sind, etwa zur Stützung der Konjunktur. Die aktuelle Praxis der pessimistischen Prognosen kombiniert mit sehr eng gefassten finanzpolitischen Richtwerten (z.B. max. 50 Mio Franken Budgetdefizit) führt dazu, dass dieser von der Bevölkerung demokratisch legitimierte Spielraum eigentlich gar nicht gegeben ist.

Zudem ist für die Wählerinnen und Wähler die Finanzsituation des Kantons schwer nachvollziehbar, wenn die Regierung jährlich von Budgetdefiziten spricht und über Jahre kontinuierlich rote Zahlen voraussagt, am Jahresende dann doch laufend positiv abgeschlossen wird.

In diesem Kontext stellt die SP-Fraktion folgende Fragen an die Regierung:

1.     Wie hoch waren die Abweichungen pro Jahr zwischen Budget und Rechnung (Stufe operatives Ergebnis) in den letzten 15 Jahren (tabellarische Darstellung in Mio. Franken)? Wie hoch waren die kumulierten Abweichungen über die letzten 15 Jahre? Wie hoch war die durchschnittliche jährliche Abweichung in den letzten 15 Jahren?

2.     Analog Frage 1, wie präsentiert sich die Situation für die Finanzpläne 2005 – 2008, 2009 – 2012, 2013 – 2016 und 2017 – 2020?

3.     Teilt die Regierung die Ansicht, dass es bei der langfristigen politischen Planung und Prioritätensetzung für ein Parlament eine zentrale Rolle spielt, ob man davon ausgeht, in einer Zehnjahresperiode ca. 1000 Mio. Franken mehr oder weniger in der Kasse zu haben?

4.     Wie gedenkt die Regierung dem Umstand zu begegnen (insb. mit Blick auf den nächsten Finanzplan), dass derart systematisch und kontinuierlich immer in die gleiche Richtung Abweichungen bestehen?

5.     Teilt die Regierung die Position, dass ein Finanzplan und ein Budget ein möglichst realistisches und nicht ein pessimistisches oder optimistisches Bild zeigen sollte für eine sinnvolle politische Steuerung öffentlicher Ausgaben und Einnahmen?

6.     Ist die Regierung bereit, die finanzpolitischen Richtwerte und deren Höhe mit Blick auf den nächsten Finanzplan im Lichte dieser systematischen Abweichungen kritisch zu prüfen und zu hinterfragen?

Pontresina, 11. Juni 2019

Caviezel (Chur), Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Deplazes (Chur), Hofmann, Horrer, Locher Benguerel, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schwärzel, Thöny, Wilhelm, Pajic

Antwort der Regierung

Der Kantonshaushalt hat in den letzten gut 20 Jahren starke Schwankungen erlebt. Von 1997 bis 2003 sind ausnahmslos Rechnungsdefizite mit steigender Tendenz bis minus 41 Millionen Franken angefallen. Nach diesen sieben mageren Jahren konnten seit 2004 in den Jahresrechnungen ohne Unterbruch Ertragsüberschüsse erzielt werden. Bis ins 2008 sind die Gewinne stark gestiegen und anschliessend bis 2016 schrittweise auf ein kleines Plus von 16 Millionen zurückgefallen. Die letzten beiden Jahre 2017 und 2018 haben den Abwärtstrend erfreulicherweise nicht fortgesetzt. Dazu beigetragen haben in wesentlichem Umfang nicht planbare grössere Sondererträge wie doppelte SNB-Gewinnausschüttung, Postauto-Rückerstattung, Auflösung von Wertberichtigungen, Teilverkauf von Aktien der Ems Chemie AG und hohe Spezialsteuern. Die Budgetdefizite konnten jeweils im Rahmen der finanzpolitischen Richtwerte des Grossen Rates gehalten werden. Sie boten gute Aussicht für ausgeglichene Rechnungsergebnisse und gaben nicht Anlass, rote Zahlen vorauszusagen.

Art. 93 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Graubünden (BR 110.100), Art. 6 Abs. 3 des Finanzhaushaltsgesetzes (BR 710.100) und der finanzpolitische Richtwert Nr. 1 betreffend maximal zulässigem Budgetdefizit zielen auf einen auf die Dauer ausgeglichenen Haushalt unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Konjunkturlage. In den letzten 15 Jahren war die Wirtschaftsentwicklung dabei zu stark, um Rechnungsdefizite einzuplanen und ein Budgetdefizit bis maximal 80 Millionen zuzulassen. Um den Kantonshaushalt langfristig im Lot zu halten, ist das Wachstum der Gesamtausgaben massvoll im Griff zu halten. Es ist nicht Ziel einer umsichtigen und zurückhaltenden Finanzpolitik, die Ausgaben jährlich nach den Einnahmen auszurichten und vorhandenes Geld möglichst schnell wieder auszugeben. Die Finanzpolitik hat sich bewährt. Es konnten sowohl für die natürlichen als auch für die juristischen Personen die Steuern mehrmals reduziert, die Gemeinden entlastet und auf der Ausgabenseite Investitionen in hohem Umfang getätigt werden.

Zu Frage 1: In den sieben mageren Jahren 1997 bis 2003 betrugen die Abweichungen zwischen Budget und Rechnung durchschnittlich knapp 30 Millionen und in den letzten 15 satten Jahren durchschnittlich 99 Millionen. Die Abweichungen sind offensichtlich stark abhängig vom finanziellen Umfeld. Bei engem Finanzkorsett sind die Abweichungen entsprechend klein. Der finanzpolitische Richtwert Nr. 1 mit einem zulässigen Budgetdefizit von 50 Millionen soll in Zeiten der Finanznot die Rechnungsdefizite im Rahmen halten und in guten Zeiten vor allem Budgetluft mit entsprechend grossen Abweichungen zu den Rechnungen vermeiden.

Zur Frage 2: Die Abweichungen zwischen den Finanzplänen und den jeweiligen Rechnungen liegen für die einzelnen Jahre zwischen gut 100 und 200 Millionen. Diese Abweichungen haben wenig Aussagekraft. Erfahrungsgemäss lassen sich die finanzpolitischen Richtwerte in den Budgets einhalten und ausgeglichene Rechnungen erzielen, wenn die Finanzplandefizite deutlich unter 100 Millionen liegen.

Zu Frage 3: Die Budgets kalkulieren von Anfang an mit einer Verbesserung der Rechnungen in der Grössenordnung von 50 Millionen. Entscheidend sind sodann nicht die kumulierten Abweichungen, sondern die Rechnungsergebnisse. Diese haben es in den letzten 15 Jahren erlaubt, zweckgebundene Vermögen und Reserven sowie ein frei verfügbares Eigenkapital von je gut 400 Millionen zu bilden. Diese Mittel werden transparent ausgewiesen und stehen zur Deckung von Defiziten in der Erfolgsrechnung oder zur Finanzierung von weiteren Sonderprojekten zur Verfügung.

Zu Frage 4: Es besteht kein grundlegender Handlungsbedarf. In dem Ausmass wie der Finanzrahmen enger wird, werden die Abweichungen wieder kleiner ausfallen. Zu vermeiden ist vor allem eine Lockerung der Richtwerte.

Zu Frage 5: Realitätsnahe Budgets sind wichtig. Sie stellen aber nicht einfach die bestmöglichen Rechnungsprognosen dar. Gewisse Abweichungen zwischen Budget und Rechnung sind bei Anwendung einer gesunden Vorsicht systemimmanent. So dürfen die Ausgabenkredite nur unter- und nicht überschritten werden. Bei erfolgswirksamen Aufwendungen und Erträgen von je rund 2 Milliarden summieren sich Abweichungen von nur 1 Prozent auf bereits 40 Millionen. Die Abweichungen sind nicht überbordend hoch. Sie bewegen sich im Rahmen des Bundes und anderer Kantone.

Zur Frage 6: Die finanzpolitischen Richtwerte werden im Zuge der Erarbeitung für die kommende Planperiode 2021-2024 unter Einbezug eines Experten mit besonderer Berücksichtigung der Budget-Rechnungs-Abweichungen vertieft überprüft und entsprechende Informationen zur Kenntnis gebracht.

07. August 2019