Navigation

Inhaltsbereich

Session: 12.06.2019

Die öffentliche Sozialhilfe ist eine sehr wichtige Aufgabe der Gemeinden. Der Aufwand für diese Aufgaben nimmt in vielen Gemeinden tendenziell zu und die Sachverhalte werden immer komplexer.

Den grössten Aufwand verursachen Personen, die ihren Pflichten nicht nachkommen und keinerlei Integrationsanstrengungen zeigen, z.B. indem sie sich weigern, eine Arbeit zu suchen. Solche Personen sind klar in der Minderheit, sie verursachen aber einen grossen Mehraufwand bei allen beteiligten Stellen.

Die Gemeinden können Massnahmen verfügen, z.B. die Teilnahme an einem Arbeitsprogramm oder Kürzungen des Grundbedarfes (zuerst 10%, schliesslich bis 30%). Oft reagieren die Personen mit Wohnortwechsel und können dann von vorne (ohne Verfügung) beginnen, weil die neue Gemeinde nicht über die Vorkommnisse in der bisherigen Wohnortsgemeinde informiert wird. Dies ist unbefriedigend! Die bisherige und neue Wohngemeinde sollten sich austauschen und die neue Wohnortgemeinde sollte auch bereits verfügte Auflagen (z.B. Mitmachen bei einem Arbeitsprogramm oder Kürzung der Unterstützungsleistungen (Grundbedarfs)) übernehmen dürfen. Die rechtliche Grundlage dafür fehlt aber noch, dies sollte geändert werden. Allgemein sollte man bei Personen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, mehr Möglichkeiten haben für Sanktionen.

Einiges an Aufwand bringen auch Personen mit, die aus einer anderen Kultur stammen und oft die Sprache noch nicht beherrschen. Diese Personen werden zwar durch den Kanton unterstützt (Integrationsstelle), dennoch müssen sie viele alltägliche Prozesse schon alleine erledigen und sind damit oft überfordert – so beispielsweise, wenn eine Person aus einem Asylantenheim erstmals eine Wohnung bezieht und dann zuerst alles einrichten muss. Eine stärkere Begleitung durch die Sozialhilfebetreuerin oder den Sozialhilfebetreuer wäre hier vor allem in den ersten zwei Jahren wünschenswert. Die Treffen zwischen Klienten und Sozialhilfebetreuenden sind heute oft zu selten. Auch bei der Regelung von finanziellen Angelegenheiten (Rechnungen zahlen, Einkaufen in geeigneten Filialen usw.) wäre eine bessere Unterstützung anzustreben. Allenfalls wäre der finanzielle Mehraufwand über das Amt für Migration abzugelten, da eine verstärkte Sonderbetreuung für Flüchtlinge nicht Sache der Gemeinden sein sollte. Die Gemeinden sollten aber dennoch die Gewissheit haben, dass Unterstützungsgelder noch gezielter zur verbesserten Integration eingesetzt werden.

Vor diesen Hintergründen gelangen die Unterzeichnenden mit folgenden Fragen an die Regierung:

1.     Ist sich die Regierung dieser Probleme bewusst?

2.     Gibt es aus Sicht der Regierung mögliche Massnahmen, um einen besseren Austausch zwischen den Wohngemeinden zu ermöglichen, damit die geschilderten Probleme bei einem Wohnortwechsel nicht von vorne beginnen und die Verfügungen der bisherigen Wohngemeinde weiterhin gelten?

3.     Wie steht die Regierung einer stärkeren alltäglichen Begleitung einer sozialhilfeberechtigten Person anderer Kultur während den ersten zwei Jahren gegenüber?

4.     Wie könnte eine stärkere Begleitung im Alltag finanziell sichergestellt werden?

Pontresina, 12. Juni 2019

Widmer (Felsberg), Florin-Caluori, Ulber, Berther, Bettinaglio, Buchli-Mannhart, Casty, Cavegn, Clalüna, Crameri, Danuser, Deplazes (Rabius), Ellemunter, Epp, Flütsch, Föhn, Gasser, Gort, Grass, Gugelmann, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hohl, Kohler, Kunfermann, Kuoni, Lamprecht, Loepfe, Loi, Maissen, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Müller (Susch), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Paterlini, Ruckstuhl, Rüegg, Sax, Schmid, Tanner, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Weber, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Renkel

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: 2017 bezogen 2697 Bündnerinnen und Bündner Sozialhilfe. Dies sind 1,4 Prozent der Bevölkerung des Kantons. Wer Sozialhilfe beantragt, ist verpflichtet, bei der Abklärung des Sachverhalts mitzuwirken und hat nach seinen Kräften zur Verminderung und Behebung der Notlage beizutragen (Art. 4 Gesetz über die Unterstützung Bedürftiger [Kantonales Unterstützungsgesetz; BR 546.250] und SKOS-Richtlinien A.5.2). Vereinzelt gibt es Personen, welche ihren Pflichten nicht nachkommen und geringe Integrationsanstrengungen zeigen. Dies führt für die öffentliche Hand zu einem Mehraufwand. Die Erfahrung zeigt aber, dass die allermeisten Personen in der Sozialhilfe bereits arbeiten oder arbeiten wollen.

Zu Frage 2: Massnahmen für die Informationsgewinnung zur korrekten Abwicklung eines Wohnungswechsels einer sozialhilfeberechtigten Person sind die Mitwirkungspflicht der Person (Art. 4 Kantonales Unterstützungsgesetz) und das Amtshilfegesuch.

Eine Person, welche Sozialhilfe beantragt, ist verpflichtet, jede sachdienliche Auskunft zu erteilen und die nötigen Unterlagen beizubringen, welche für die Gewährung der wirtschaftlichen Unterstützung notwendig sind. Weiter besteht die Möglichkeit, ein Amtshilfegesuch an die bisherige Wohngemeinde zu stellen, um notwendige Informationen zu erhalten (Art. 13 Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; BR 370.100]). Voraussetzung ist, dass dadurch keine wichtigen öffentlichen und schutzwürdigen privaten Interessen gefährdet werden.

Im Kanton sind die Gemeinden für die Gewährung von wirtschaftlicher Sozialhilfe zuständig. Die Sozialhilfeleistungen, allfällige Auflagen oder auch Kürzungen werden von der Wohnsitzgemeinde der antragstellenden Person verfügt. Dabei finden die allgemeinen Verfahrensgrundsätze Anwendung. Die Verfügung einer Gemeinde ist somit nicht über das Gemeindegebiet hinaus gültig. Bei einem Wohnsitzwechsel müssen allfällige Auflagen oder auch Kürzungen durch die neue Wohnsitzgemeinde erneut verfügt werden. Die neue Wohngemeinde kann eine verfügte Kürzung von Sozialhilfeleistungen der alten Wohngemeinde in ihre Verfügung übernehmen, wenn die betroffene Person nachweislich rechtsmissbräuchlich handelte. Der Rechtsmissbrauch muss offensichtlich sein. Verdachtsmomente und Indizien genügen nicht.

Zu Frage 3: Der Informations- und Integrationsbedarf von Neuzuziehenden ist anerkanntermassen hoch, weshalb der Kanton der Integrationsförderung und Vermittlung der Erstinformationen einen hohen Stellenwert beimisst. Auf der Internetplattform www.hallo.gr.ch werden Informationen zur Alltagsorientierung in der Schweiz aktuell in zwölf Sprachen zur Verfügung gestellt. Zudem betreibt die Fachstelle Integration ein Informationszentrum als niederschwellige Anlaufstelle. Die regionalen Sozialdienste sind eine weitere wichtige Anlaufstelle für Neuzuziehende, insbesondere für Flüchtlinge. Infolge der hohen Zahl neuer Flüchtlinge in den Jahren 2014–2018 hat die Regierung für deren Beratung moderat mehr Stellenressourcen bewilligt. Damit konnte eine angemessene Beratung sichergestellt werden. Weiter hat der Kanton mit dem Roten Kreuz Graubünden einen Leistungsauftrag für das Freiwilligenprojekt "eins zu eins" abgeschlossen. Dabei unterstützen und begleiten Freiwillige Neuzuziehende bei spezifischen Alltagsfragen, wie Spracherwerb, Alltagsintegration, soziale Integration und Lernbegleitung.

Die im schweizweiten Vergleich hohe Erwerbsquote im Asyl- und Flüchtlingsbereich zeigt, dass die bisherigen Integrationsmassnahmen greifen. Die Regierung ist der Ansicht, dass eine angemessene Begleitung von Neuzuziehenden mit dem bestehenden Angebot sichergestellt ist.

Zu Frage 4: Die Kosten für die Sozialberatung werden seit 2016 durch die Gemeinden getragen. Die Regierung hat in den letzten Jahren die Anzahl neu geschaffener Stellen beim Kanton deshalb bewusst moderat gehalten. Fordern die Gemeinden eine stärkere Begleitung von Flüchtlingen, können die Stellenressourcen in den Sozialdiensten erhöht werden. Die Finanzierung dieser stärkeren Begleitung im Alltag müsste aufgrund der Zuständigkeit von den Gemeinden getragen werden.

21. August 2019