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Session: 04.12.2019

Obwohl der motorisierte Verkehr mit 32% für den grössten Teil der Schweizer CO2-Emissionen verantwortlich ist und dringender Handlungsbedarf besteht, schlägt die Regierung in der Botschaft zur Teilrevision des kantonalen Energiegesetzes (BEG) keine konkreten Massnahmen zur Reduktion der verkehrsbedingten CO2-Emissionen vor.

Die aktuell sinkende Nachfrage nach Dieselfahrzeugen führt dazu, dass von der Bevölkerung wieder vermehrt benzinbetriebene Fahrzeuge angeschafft werden. Da Fahrzeuge mit Benzinantrieb in der Regel über einen höheren CO2-Ausstoss als vergleichbare Dieselfahrzeuge verfügen, steigen als Folge dieser Entwicklung die CO2-Emissionen. Das Bundesamt für Energie BFE hält in ihrem neuesten Bericht über die jährliche Erfassung und Auswertung des Energieverbrauchs fest: «Treibstoffverbrauch und CO2-Emissionen von neuen Personenwagen haben 2018 deutlich zugenommen.»

Neben dem allgemeinen Anstieg verkehrsbedingter CO2-Emissionen geht aus den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Energie BFE hervor, dass neu zugelassene Fahrzeuge im Kanton Graubünden einen CO2-Ausstoss von durchschnittlich 149 Gramm CO2/km aufweisen. Damit verfehlt Graubünden nicht nur deutlich den vom Bund geforderten Zielwert von 130 Gramm CO2/km, sondern belegt im interkantonalen Vergleich dadurch den zweitletzten Platz.

Bei einer Einsatzdauer von mehreren Jahren tragen benzinbetriebene Neuwagen unnötig zur bereits hohen CO2-Belastung bei und erschweren damit das klimapolitische Netto-Null-Ziel des Bundesrats. Im Strassenverkehr, durch den am meisten Treibhausgasemissionen verursacht werden, will der Bundesrat die verkehrsbedingten Emissionen deshalb mit der schrittweisen Elektrifizierung des Strassenverkehrs senken.

Um dieses Ziel zu erreichen, verzichten mittlerweile immer mehr Kantone auf eine Besteuerung von Fahrzeugen mit rein elektrischen Antrieben. 8 Kantone haben Elektrofahrzeuge bereits vollständig von der kantonalen Verkehrssteuer befreit. In SO und ZH ist die Steuerbefreiung zeitlich unbegrenzt. In FR, GE, GL, SG, NW und OW ist die Steuerbefreiung in Abhängigkeit zum Zeitpunkt der 1. Inverkehrsetzung zeitlich begrenzt (48 Monate in SG und OW, 32 Monate in allen anderen Kantonen). Demgegenüber steht die Haltung der Bündner Regierung. Diese hat sich mehrmals gegen eine Steuerbefreiung von Elektrofahrzeugen ausgesprochen und diese Haltung jüngst in der Junisession 2019 bei der Beantwortung meiner Frage nochmals bestätigt.

Mit einer vollständigen, befristeten Steuerbefreiung von Elektrofahrzeugen wäre der Kanton Graubünden kein Einzelfall, sondern würde vielmehr die Stossrichtung des Bundesrates und den vom Grossen Rat beschlossenen Green Deals unterstützen. Dies insbesondere auch in Hinblick auf die Umsetzung des Pariser Abkommens und die geplante Totalrevision des nationalen CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2020.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung, die Strassenverkehrssteuer so anzupassen, dass Fahrzeuge mit rein elektrischen Antrieben vollständig von der Verkehrssteuer befreit werden (100-Prozent-Bonus). Um eine möglichst grosse Anreizwirkung zu entfalten und gleichzeitig die längerfristige Kalkulierbarkeit der Einnahmen zu gewährleisten, soll die Steuerbefreiung zeitlich befristet werden. Dies kann beispielsweise in Abhängigkeit zur ersten Inverkehrsetzung (Modell FR, GE, GL, SG, NW und OW) oder über eine Auslaufklausel ("Sunset Clause") realisiert werden, bei der die Steuerbefreiung bis zum Erreichen eines gewissen Ablaufdatums (bspw. 2030) gilt. Letzteres wäre zu bevorzugen, da der Spareffekt für die Bürgerinnen und Bürger umso grösser wäre, je schneller diese ein Elektrofahrzeug anschaffen. Damit könnte erreicht werden, dass der Kanton Graubünden bei Neuwagenzulassungen möglichst schnell den von Bund geforderten CO2-Zielwert erreicht, welcher ab 2020 von 130 auf durchschnittlich 95 Gramm CO2/km gesenkt wird.

Chur, 4. Dezember 2019

Bigliel, Kappeler, Cantieni, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Berweger, Cahenzli-Philipp, Degiacomi, Engler, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Föhn, Gasser, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hofmann, Horrer, Kasper, Kunfermann, Mittner, Müller (Felsberg), Perl, Preisig, Rettich, Rüegg, Rutishauser, Schmid, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, von Ballmoos, Waidacher, Weidmann, Widmer (Felsberg), Wilhelm, Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Im Kanton Graubünden erhält ein Elektrofahrzeug aktuell einen Verkehrssteuerrabatt von 80 Prozent, was je nach Modell einer jährlichen Belastung von 90 bis 110 Franken entspricht. Die Regierung ist der Auffassung, dass Anreizmassnahmen grundsätzlich nur dann umgesetzt werden sollten, wenn sie auch solche Wirkungen entfalten. Wie verschiedentlich darauf hingewiesen (vgl. etwa Antwort der Regierung auf die Frage Thomas Bigliel in der Fragestunde der Junisession 2019, GRP 5/2018-2019, S. 894; Antwort der Regierung auf den Auftrag Kappeler betreffend Anteil Elektrofahrzeuge an Neufahrzeugen, Regierungsbeschluss vom 16. April 2019 [Prot. Nr. 259], GRP 1/2019-2020, S. 165 f.), würde die Steuerbefreiung von Elektrofahrzeugen keinen Anreiz schaffen, ein solches Fahrzeug zu kaufen. Diese Aussage ist durch eine im Auftrag des Amts für Natur und Umwelt durchgeführte Studie vom 22. Februar 2013 belegt, wonach die Reduktion der Motorfahrzeugsteuer in Graubünden den Kauf CO2-armer Personenwagen nicht beeinflussen konnte. Zu beachten ist, dass dieser Studie Frankenbeträge zugrunde lagen, die um ein Mehrfaches höher waren als die vorliegenden. Dass eine solche Massnahme auch nach heutigem Wissensstand unwirksam wäre, zeigt gerade auch der Hinweis im vorliegenden Auftrag, wonach im Kanton Graubünden 2018 neu zugelassene Fahrzeuge einen überdurchschnittlichen CO2-Ausstoss aufwiesen. So ist in Erinnerung zu rufen, dass Graubünden schweizweit betrachtet über eines der grosszügigsten Rabattsysteme für emissionsarme Fahrzeuge verfügt, weil die Verkehrssteuerermässigung zeitlich nicht limitiert ist.

Im Weiteren erachtet die Regierung eine Steuerbefreiung von Elektrofahrzeugen für unangebracht, weil gegen eine solche Regelung auch das Verursacherprinzip spricht. Bekanntlich sind die Nettoeinnahmen aus den Verkehrssteuern zweckgebunden für den Strassenbau und Strassenunterhalt einzusetzen und Elektrofahrzeuge belasten den Strassenkörper nicht weniger als Fahrzeuge mit herkömmlichen Antriebssystemen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

6. März 2020