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Session: 12.02.2020

Im Sommer 2019 hat es in der Surselva eine enorme Anzahl Wolfsrisse bei Nutztieren gegeben und diesen Winter waren Wölfe immer wieder bei Tageslicht auf den Skipisten im Siedlungsgebiet von Obersaxen unterwegs. An einer öffentlichen Veranstaltung im Herbst 2019 wurde die Information verbreitet, dass kein öffentlicher Zugang zu den DNA-Proben unserer Wölfe möglich sei. Dies hat zu wilden Spekulationen in Bezug auf Wolfshybride geführt.

In Deutschland wurden im bundesweiten genetischen Wolfsmonitoring des Senckenberg-Forschungsinstitutes einige Fälle von Wolfshybriden auf Basis von DNA-Proben nachgewiesen. Das ebenfalls deutsche Institut ForGen geht hingegen von deutlich mehr Wolfshybriden in Deutschland aus. Ebenfalls wurden Proben aus der Schweiz an das ForGen Institut gesandt, bei welchen es Hinweise auf eine Hybridisierung gibt. Wolfshybride werden zudem vor allem in Italien vermutet – und unsere Wölfe sind in den meisten Fällen aus Italien eingewandert, also aus einem Gebiet mit einer hohen Artenvermischung.

Momentan herrscht beim Thema Wolfshybride keine Transparenz. Die Daten und die Proben müssen offengelegt werden, damit sie für jedermann vergleichbar und kontrollierbar sind. Dies wäre ein Beitrag zur Transparenz und zur Vermeidung von Spekulationen. Zudem würde es das Vertrauen der Geschädigten in unsere Behörden wiederherstellen.

Vor diesem Hintergrund wollen die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

1.     Wo wird wissenschaftlich die Grenze zwischen Wolfshybriden und reinrassigen Wölfen gezogen?

2.     Wie sieht der gesetzliche Schutzstatus von Wolfshybriden im Vergleich zu reinrassigen Wölfen aus?

3.     Ist der Zugang zu den DNA-Proben von Wölfen in der Schweiz tatsächlich eingeschränkt und nicht öffentlich?

4.     Falls ja, wieso werden die Proben nicht öffentlich zugänglich gemacht?

5.     Hat die Regierung Kenntnis über die Proben und allfällige Wolfshybride?

6.     Was gedenkt die Regierung zu tun, um die Transparenz und das Vertrauen beim Thema Wolfshybride zu erhöhen?

Chur, 12. Februar 2020

Derungs, Hefti, Brunold, Aebli, Berther, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Caluori, Casutt-Derungs, Cavegn, Crameri, Danuser, Della Cà, Deplazes (Rabius), Dürler, Ellemunter, Epp, Fasani, Favre Accola, Florin-Caluori, Giacomelli, Gort, Grass, Hohl, Hug, Jenny, Kienz, Koch, Kohler, Lamprecht, Loi, Märchy-Caduff, Mittner, Müller (Susch), Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Paterlini, Ruckstuhl, Salis, Sax, Schmid, Tanner, Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Weber, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Fontana (Clugin), Ulber Daniel

Antwort der Regierung

Nach politischen Diskussionen betreffend Wolfshybriden (Wolf-Hunde-Mischlinge) in der Schweiz, unter anderem ausgelöst durch Analysen des privaten DNA-Forensik-Labors ForGen aus Deutschland, hat das BAFU im Jahr 2018 der Universität Lausanne eine wissenschaftliche Studie über die Vermischung von Wolf und Haushund in der Schweiz in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse von 1645 genetischen Proben aus den Jahren 1998–2017 wurden im Januar 2019 veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass die genetische Integrität des Schweizer Wolfbestands intakt ist. Zwei von 115 Wolfsindividuen zeigten Anzeichen einer früheren Einkreuzung von einem Hund. Bei den beiden Tieren handelt es sich um ein männliches und ein weibliches Wolfsindividuum. Beide haben sich in der Schweiz nicht fortgepflanzt.

Zu Frage 1: Wolf-Hunde-Mischlinge können über DNA-Analysen eindeutig identifiziert werden. Die Grenze zwischen Wolfshybriden und reinrassigen Wölfen wird aus wissenschaftlicher Sicht bei Wolf-Hunde-Mischlingen der ersten Generation (F1) oder der ersten beiden Rückkreuzungsgenerationen (R1 und R2) gezogen. Rückkreuzungen der dritten Generation (R3) gelten als Wildtiere.

Zu Frage 2: In der Schweiz gilt der Wolf (Canis lupus) gemäss Berner Konvention und eidgenössischer Jagdgesetzgebung als geschützte Tierart. Direkte Mischlinge von Wild- und Haustieren stellen eine Bedrohung für die Erhaltung von Wildtierpopulationen dar. Deshalb sind Nachkommen solcher Paarungen gestützt auf Art. 8bis Abs. 5 der Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdverordnung, JSV; SR 922.01) möglichst sofort aus der Natur zu entfernen, namentlich:

–  die Nachkommen der ersten Kreuzungsgeneration F1 (optisch erkennbar);
–  die Nachkommen von Rückkreuzungen R1 und R2 (nur über genetische Analysen erkennbar).

Zu Frage 3 und 4: Das vom BAFU beauftragte, zertifizierte Forschungslabor der Universität Lausanne arbeitet stets nach dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Technik. Nach wissenschaftlichem Standard und zwecks wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit ist ein genaues Protokollieren des Vorgehens eine Selbstverständlichkeit. Somit liegen sämtliche Hintergrunddaten bei der Universität vor. Der Zugang zu den Ergebnissen der DNA-Proben von Wölfen in der Schweiz ist gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip nicht eingeschränkt. Da die Interpretation der Laborergebnisse ausgewiesenes Fach- und Hintergrundwissen voraussetzt, ist es allerdings Praxis, dass das Laborergebnis dem für das Wildtiermanagement zuständigen Amt für Jagd und Fischerei (AJF) in verkürzter Form mitgeteilt werden: Wolf ja/nein und das Geschlecht mit einer fortlaufenden Nummer (M…/F…). Diese Ergebnisse werden jährlich in den Jahresberichten Wolf des AJF publiziert. Im Auftrag des BAFU publiziert die Stiftung KORA die Ergebnisse für die ganze Schweiz laufend in tabellarischer und kartografischer Form auf ihrer Homepage https://www.kora.ch/.

Zu Frage 5: Ja. Der zuständige Departementsvorsteher orientiert die Regierung bei Bedarf. Die Ergebnisse können zudem jederzeit von interessierten Kreisen beim AJF eingesehen werden.

Zu Frage 6: Der Kanton Graubünden hat über Jahre eine konsequente Umsetzung des Wildtiermanagements verfolgt. Dazu gehören auch gesetzlich zulässige Abschüsse von geschützten Wildtieren wie der Wolf. Zu dieser konsequenten Umsetzung des Wildtiermanagements gehören auch Abschüsse von Wolf-Hunde-Hybriden, die eine Bedrohung für die Erhaltung von Wildtierpopulationen darstellen und in unserer Kulturlandschaft nichts zu suchen haben. Die Regierung und die zuständigen Jagdbehörden werden weiterhin um eine transparente Arbeit in diesem Bereich bemüht sein, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Wildtiermanagement gewährleisten beziehungsweise erhöhen zu können.

30. April 2020