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Session: 12.02.2020

Im Juni beschloss das Parlament in Bern neue Regeln für das Beschaffungswesen. Dies aus der Folge daraus, dass vor ein paar Jahren publik wurde, dass der Bund im Bundeshaus Ost für 1.5 Millionen Franken neue Fenster einbauen will. Dies notabene aus Tschechien, weil Schweizer Anbieter mit den Billigpreisen nicht mithalten konnten. Bewirbt sich nun eine ausländische Firma für Aufträge beim Bund, wird dort das Preisniveau berücksichtigt. Liegt nun das Preisniveau um 20% tiefer als in der Schweiz, muss auch die Offerte um 20% tiefer sein. Dies kommt faktisch einem Inländervorteil gleich oder anders gesagt, die ungleichlangen Spiesse werden etwas ausgeglichen. Beim Bund geht es immerhin um ein Volumen von 8 Milliarden Franken. Viel höher ist aber das Beschaffungsvolumen bei Kantonen und Gemeinden, ca. 32 Milliarden Franken.

Leider teilt die Regierung die Meinung des Bundes nicht und hat juristische Bedenken. Wir von der SVP Fraktion verstehen die Ansicht der Regierung nicht. Im Gegenteil, hier hat die Regierung das Gespür für das Gewerbe völlig verloren. Wir von der SVP Fraktion sind der Meinung, dass dies eine gute Möglichkeit wäre, unser Gewerbe zu schützen. Denn gerade die Randregionen oder besser gesagt die Grenzregionen leiden doch am meisten unter dem Druck ausländischer Firmen. Auch Arbeitnehmer würden profitieren, da dies dem Lohndruck entgegenwirken wird. Allfällige Mehrkosten für Gemeinden und Kanton würden wieder durch Steuern zurückfliessen, da die Wertschöpfungskette in der Schweiz bleibt und nicht ins Ausland exportiert wird. Dies käme auch dem Klima zugute, da die Transportwege wesentlich verkürzt werden. Zusätzlich würde dadurch das Harmonisierungsziel zwischen Bund und Kanton gestärkt.

Daher reicht die Fraktion der SVP Graubünden den Auftrag zur Erarbeitung folgender Punkte ein:

  • Eine Auslegeordnung, welche dem oben beschriebenen Problem Rechnung trägt.
  • Einen Gesetzesentwurf, welche das einheimische Gewerbe vor den invasiven ausländischen Firmen schützt.

Chur, 12. Februar 2020

Gort, Brandenburger, Della Cà, Dürler, Favre Accola, Hug, Koch, Salis, Jegen

Antwort der Regierung

Die Kantone haben am 15. November 2019 anlässlich einer Sonderplenarversammlung die revidierte interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (revIVöB) einstimmig zuhanden des kantonalen Beitrittsverfahrens verabschiedet. Sie wollen damit das revidierte WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA), welches den Schweizer Unternehmen einen erweiterten Marktzugang von rund 80 – 100 Mia. Dollar pro Jahr gewährt, auf Kantonsebene umsetzen. Die revIVöB bewirkt ausserdem eine Modernisierung und Flexibilisierung der Beschaffungsabläufe und eine im Vergleich zu heute deutlich weitergehende Vereinheitlichung der Vorschriften im kantonalen Beschaffungsrecht, das in den Kantonen, Städten und Gemeinden zur Anwendung gelangt. Gleichzeitig führt die revIVöB zu einer so weit wie möglichen Harmonisierung mit dem auf Bundesebene revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1).

Anlässlich der parlamentarischen Beratung des neuen BöB in der Junisession 2019 wurde in Abweichung zu den gemeinsam von Bund und Kantonen erarbeiteten Gesetzesentwürfen das Zuschlagskriterium "die unterschiedlichen Preisniveaus in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird" in die Aufzählung von Art. 29 Abs. 1 BöB aufgenommen. Dieses Kriterium soll allerdings nur unter Beachtung der "internationalen Verpflichtungen der Schweiz" berücksichtigt werden. Im Staatsvertragsbereich bleibt zum Vornherein kein Raum für die Berücksichtigung unterschiedlicher Preisniveaus am ausländischen Leistungsort. Im unterschwelligen Bereich (sog. Nichtstaatsvertragsbereich) schränkt ausserdem das Bilaterale Beschaffungsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) zusätzlich ein. Im EU-Binnenmarkt, zu dem die Schweiz über dieses Beschaffungsabkommen einen freien Marktzugang geniesst, gelten demnach die Grundsätze der Inländerbehandlung und Nichtdiskriminierung auch bei unterschwelligen Beschaffungen. Diese (verbindliche) völkerrechtliche Verpflichtung würde durch ein Zuschlagskriterium verletzt, das Leistungen aus Ländern der EU aufgrund unterschiedlicher Preisniveaus oder Kaufkraft taxiert. Es sind den von den Kantonen beigezogenen Rechtsexperten keine GPA- bzw. EU-Mitgliedstaaten bekannt, die vergleichbare Ansätze zur Benachteiligung ausländischer Anbieter in ihre Beschaffungsordnungen aufgenommen hätten.

Die Kantone haben an ihrer Sonderplenarversammlung aufgrund des nur sehr beschränkten Anwendungsbereichs, der praktischen Umsetzungsschwierigkeiten und des grossen Bürokratieaufwands die Aufnahme eines solchen Kriteriums in der revIVöB mit 19 zu 7 Stimmen bei 0 Enthaltungen abgelehnt. Im Rahmen der Beratung wurde darauf hingewiesen, dass das neue Konkordatsrecht verstärkt auf Qualität, Nachhaltigkeit und Innovation fokussiert und sich demnach den Beschaffungsstellen tauglichere Instrumente bieten, um den Anliegen der inlandorientierten Schweizer Anbieter Rechnung zu tragen. Die Kantone wollen ihre Beschaffungen unter wettbewerblichen Bedingungen tätigen und mit den zur Verfügung gestellten Steuergeldern sorgsam umgehen und dabei die neuen Spielräume mit den neuen Zielen in verständlichen Verfahren mit wenig administrativem Aufwand nutzen. Die Stärken des einheimischen Gewerbes bei Auftragsvergaben der öffentlichen Hand gelangen damit am besten zum Tragen. Die Kantone sind aktuell daran, die Vollzugshilfen (gemeinsamer Beschaffungsleitfaden; Faktenblätter) auszuarbeiten. In diesen Handlungsanweisungen werden die Beschaffungsstellen auf die neuen Ziele und Instrumente der revIVöB zugunsten der einheimischen Wirtschaft sensibilisiert.

Zu Punkt 1: Die Regierung wird in ihrer Botschaft zum Beitritt zur revIVöB dem Grossen Rat darlegen, welche Vorteile das neue Beschaffungsrecht den Schweizerischen Markteilnehmern bietet und welche Handlungsspielräume zugunsten des einheimischen Gewerbes sich für die öffentliche Hand mit dem neuen Konkordat eröffnen.

Zu Punkt 2: Es ist den Kantonen gemäss den von ihnen beigezogenen Rechtsexperten verwehrt, auf dem Weg des Ausführungsrechts neue (generell-abstrakte) Zuschlagskriterien wie eine Preisniveauklausel oder andere diskriminierende Praktiken zu normieren. Die Regierung wird zur Klärung dieser Rechtsfragen und zu allfällig erforderlichen Anpassungen der revIVöB infolge der COVID-19 bedingten Wirtschaftsentwicklung erneut und explizit eine Anfrage beim Interkantonalen Organ für das öffentliche Beschaffungswesen (InöB) stellen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag betreffend den Punkt 1 zu überweisen und betreffend den Punkt 2 wie folgt abzuändern: Die Regierung klärt die Zulässigkeit einer Preisniveauklausel oder ähnlicher Bestimmungen im Ausführungsrecht der Kantone und einen Anpassungsbedarf der revIVöB infolge der Auswirkungen von COVID-19 beim InöB ab.

29. April 2020