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Session: 19.06.2020

Die Ernährung macht mit knapp 30 % den grössten Anteil an allen konsum- und produktionsbedingten Umweltbelastungen der Schweiz aus. Es ist deshalb besonders störend, dass ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel gar nie auf einem Teller landen. In der Schweiz werden jährlich 2.6 Mio. Tonnen einwandfreie Lebensmittel vernichtet (Umweltbericht 2018, BAFU). Andererseits leben gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) 615'000 Menschen am oder unter dem Existenzminimum. Verschiedene gemeinnützige Organisationen retten Lebensmittel vor der Vernichtung und verteilen sie armutsbetroffenen Menschen. Damit leisten sie einen sozial verantwortlichen und ökologisch nachhaltigen Beitrag zum sinnvollen Umgang mit Lebensmitteln. In Graubünden leistet diese wertvolle Arbeit die Organisation «Tischlein deck dich», die mit acht Standorten in Graubünden aktiv ist. Auch bei der Caritas sind Lebensmittel zu vergünstigten Preisen erhältlich. Es gelangt aber nur ein Teil der nicht mehr verkaufbaren, aber längst noch geniessbaren Lebensmittel vom Detailhandel und von der Gastronomie an eine der Verteilorganisationen. Und nur ein Bruchteil der bedürftigen Bevölkerung hat die Möglichkeit, auf diesem Weg an günstige Lebensmittel zu gelangen. Auch in Graubünden fehlt ein flächendeckendes, ganzjähriges Netz von Abgabestellen. Armutsbetroffene gibt es jedoch in allen Regionen. Hier kann die öffentliche Hand eine aktive Rolle einnehmen. Die Weitergabe von nicht mehr verkaufbaren Lebensmitteln von Detailhandel und Gastronomie an gemeinnützige Organisationen könnte deutlich ausgeweitet werden, Angebot und Nachfrage sind vorhanden. Sensibilisierungskampagnen alleine reichen nicht aus, es benötigt Ressourcen, eine Strategie bzgl. der Haltbarkeit von Lebensmitteln sowie eine erhöhte Bereitschaft von Handel und Produzenten, sich aktiv bei der Verhinderung von Foodwaste einzubringen.

Der Regierungsrat wird von den Unterzeichnenden beauftragt:

  • ein Konzept zu erstellen zur ganzjährigen Sicherstellung in allen Regionen des Kantons Graubünden;
  • die Weiterverteilung von nicht mehr verkauf- jedoch noch geniessbaren Lebensmitteln an Armutsbetroffene und Menschen mit geringem Einkommen zu fördern;
  • in diesem Rahmen entsprechende Massnahmen zur Verhinderung von Foodwaste zu definieren.

Chur, 19. Juni 2020

Rettich, Caluori, Gasser, Baselgia-Brunner, Brunold, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Cavegn, Degiacomi, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Flütsch, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hofmann, Horrer, Kohler, Kunfermann, Loi, Maissen, Müller (Susch), Müller (Felsberg), Natter, Perl, Preisig, Rutishauser, Schwärzel, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Widmer (Felsberg), Wilhelm, Zanetti (Landquart), Giudicetti, Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Die Regierung begrüsst jegliche Anstrengungen zur Verringerung von Food Waste und unterstützt bereits heute Massnahmen, welche zur Weitergabe von nicht mehr verkaufbaren Lebensmitteln dienen. Damit wird in sozialer wie in ökologischer Hinsicht ein wichtiger Beitrag an eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und –verwendung, zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und damit zur Verringerung der Umweltbelastung geleistet. Massnahmen zur Reduktion von Food Waste werden deshalb im Rahmen des Aktionsplans Green Deal (AGD) geprüft, bei gutem Kosten-Nutzen-Verhältnis in den AGD aufgenommen und dem Grossen Rat zur Umsetzung empfohlen.

Zusammen mit dem Verein Tischlein deck dich betreibt das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) in Chur ein Logistiklager zur Sammlung und Weiterverteilung von nicht mehr verkaufbaren Lebensmitteln. Täglich wird über eine Tonne an Lebensmitteln eingesammelt und an neun Abgabestellen von Tischlein deck dich im ganzen Kanton (zwei in Chur, je eine in Davos, Grono, Ilanz, Landquart, Samedan, Scuol, Thusis) an bedürftige Menschen verteilt. Wöchentlich profitieren dadurch mehrere hundert Personen im Kanton von kostenlosen Lebensmitteln. Voraussetzung dafür ist eine Bezugskarte, welche von öffentlichen Sozialdiensten und vom Roten Kreuz Graubünden ausgestellt werden.

Die zur Verfügung gestellten Lebensmittel stammen aus über 50 Filialen von verschiedenen Detailhändlern (Coop, Migros, Manor, Denner, Aldi, Lidl und Hilcona). Es werden nur Produkte eingesammelt, welche sich noch innerhalb des Haltbarkeitsdatums befinden, jedoch voraussichtlich nicht mehr verkauft werden können. Zudem werden in der Coop-Verteilzentrale in Chur sämtliche Lebensmittel, welche von den Aussenfilialen retourniert werden, sortiert und soweit verwertbar ins Lager von Tischlein deck dich transportiert. Dort werden diese Lebensmittel weiterbearbeitet, allenfalls gewaschen, neu verpackt, anders portioniert und je nach Produkt in die Tiefkühlzelle, in den Kühlraum oder ins Lager verbracht. Beschädigte Früchte werden gewaschen, die schadhaften Stellen aus- oder abgeschnitten und dann in der eigenen Trocknungsanlage zu Dörrfrüchten verarbeitet. 

Im Projekt Tischlein deck dich wurden 2019 insgesamt 97 Stellensuchende beschäftigt. Davon waren 30 Teilnehmende als Fahrerinnen und Fahrer tätig, 20 Teilnehmende arbeiteten im Lager/Magazin und 47 Teilnehmende waren bei der Sortierung/Trennung und Gewinnung sowie der Lebensmittelveredelung tätig. Geleitet werden die verschiedenen Aufgabenbereiche durch drei Vollzeitmitarbeitende des KIGA. Die Abgabestellen von Tischlein deck dich werden durch freiwillige Helferinnen und Helfer betrieben.

Mit Tischlein deck dich verfügt Graubünden im Rahmen einer Public-Private-Partnership über ein ganzjähriges Konzept zur Sicherstellung der Lebensmittelabgabe in den meisten Regionen des Kantons. Ergänzt wird dieses Angebot durch den Caritas Markt in Chur, welcher durch den Kanton finanziell unterstützt wird. In Zusammenarbeit mit den kantonalen Sozialdiensten werden punktuell auch Lebensmittel in andere Regionen geliefert. Im Jahr 2019 hat der Caritas Markt rund 53 700 Besuche registriert. Daneben gibt es verschiedene private Initiativen wie z. B. "too good to go" (mit welcher der Schweizerische Bauernverband zusammenarbeitet und an welcher sich Landwirtschaftsbetriebe mit einem speziellen Angebot beteiligen können) und "save food, fight waste" (Food Ninjas), an welcher auch der Bund (Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Umwelt) und seitens des Kantons das Amt für Natur und Umwelt als Partner beteiligt sind.

Es gilt zu beachten, dass auch Lebensmittelspenden der Lebensmittelgesetzgebung unterliegen. Entsprechend hat auch der Verband der Kantonschemiker der Schweiz (VKCS) das Thema bereits aufgenommen und mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) diskutiert. Um die Initiativen zur Vermeidung von Food Waste zu unterstützen, wurde seitens Nahrungsmittelindustrie und Früchte-/Gemüse-/Kartoffelhandels unter Mitwirkung des VKCS und des BLV ein Leitfaden erarbeitet.

Die vom Auftrag geforderten Punkte sind somit bereits erfüllt. Konzepte bestehen und Massnahmen sind in Umsetzung. Die zahlreichen privaten Initiativen werden bereits von staatlichen Stellen unterstützt. Ausserdem wird das Thema Food Waste im AGD behandelt werden.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen und als erledigt abzuschreiben.

27. August 2020