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Session: 16.06.2021

In 21 Kantonen sind junge Erwachsene bis zum Abschluss der Erstausbildung von der Rückerstattungspflicht der Sozialhilfeleistungen befreit.

Im Kanton Graubünden ist dies nicht der Fall. Ab 18 Jahren sind junge Erwachsene für Unterstützungsleistungen rückerstattungspflichtig, die sie selbst beziehen.

Grundsätzlich sollten Jugendliche während einer Ausbildung nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Die Praxis zeigt allerdings, dass nicht alle die anerkannten Kosten zu decken vermögen, dies trotz Stipendien und Ausbildungsgehalt. Deshalb sollen junge Erwachsene von der Rückerstattungspflicht für Unterstützungsleistungen, die sie während der Erstausbildung beziehen, befreit werden. Dadurch wird die Chance erhöht, dass junge Erwachsene eine Ausbildung antreten, diese abschliessen und ohne finanzielle Verschuldung in die wirtschaftliche Selbständigkeit starten können.

Diese Forderung war ein wichtiger Punkt in der Vorlage Stärkung der familienergänzenden Kinderbetreuung – Aufhebung des Gesetzes über Mutterschaftsbeiträge.

Aus diesen Gründen beauftragen wir die Regierung:

Die Rückerstattungspflicht der Unterstützungsaufwendungen für eine volljährige Person während ihrer Erstausbildung bis längstens zu ihrem vollendeten 25. Altersjahr aufzuheben.

Davos, 16. Juni 2021

Holzinger-Loretz, Degiacomi, Hardegger, Alig, Baselgia-Brunner, Berweger, Bettinaglio, Brunold, Caluori, Cantieni, Caviezel (Chur), Claus, Crameri, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Fasani, Felix, Florin-Caluori, Föhn, Gartmann-Albin, Gugelmann, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Horrer, Jochum, Kienz, Kohler, Lamprecht, Loepfe, Märchy-Caduff, Mittner, Müller (Felsberg), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Perl, Pfäffli, Rettich, Ruckstuhl, Rüegg, Rutishauser, Sax, Schmid, Schutz, Schwärzel, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, von Ballmoos, Waidacher, Weidmann, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Spadarotto, Stieger, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

Die Rückerstattung und Verjährung von bezogenen Sozialhilfeleistungen ist in Art. 11 des Gesetzes über die Unterstützung Bedürftiger (Kantonales Unterstützungsgesetz, UG; BR 546.250) geregelt. Art. 11 Abs. 2 UG bestimmt, in welchem Umfang Sozialhilfeleistungen rückerstattungspflichtig sind. Bei einer Verbesserung der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse der unterstützten Person muss diese die in den letzten 15 Jahren rechtmässig bezogene Unterstützungshilfe ohne Zins zurückerstatten. Für die Berechnung des Anspruchs sind die bezogenen Leistungen innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Zeitpunkt, in dem die Verbesserung der Verhältnisse eingetreten ist, massgebend. Die Rückerstattungspflicht wird lediglich dadurch eingeschränkt, dass keine neue Bedürftigkeit entsteht.

Die Regierung hat in der Botschaft zur Stärkung der familienergänzenden Kinderbetreuung – Aufhebung des Gesetzes über Mutterschaftsbeiträge (Heft Nr. 12 / 2019–2020, S. 971) ausgeführt, dass "In 21 Kantonen […] junge Erwachsene bis zum Abschluss der Erstausbildung von der Rückerstattungspflicht der Sozialhilfeleistungen befreit [sind] (SKOS, Monitoring Sozialhilfe 2018, S. 10). Im Kanton Graubünden ist dies nicht der Fall. Eltern müssen für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen (Art. 276 Abs. 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB; SR 210]). Deshalb sind Unterstützungsleistungen für minderjährige Personen durch deren Eltern zurückzuerstatten. Vor der Volljährigkeit angefallene Unterstützungsleistungen können nicht bei den Kindern zurückverlangt werden. Ab 18 Jahren sind junge Erwachsene für Unterstützungsleistungen rückerstattungspflichtig, die sie selbst beziehen. Grundsätzlich sollten Personen während einer Ausbildung nicht auf wirtschaftliche Sozialhilfe angewiesen sein. Die Praxis zeigt allerdings, dass die ausgerichteten Stipendien nicht immer alle anerkannten Kosten zu decken vermögen."

Die Regierung teilt die Forderung der Unterzeichnenden, dass junge Erwachsene von der Rückerstattungspflicht für Unterstützungsleistungen, die sie während der Erstausbildung beziehen, befreit werden sollen. Dadurch wird sichergestellt, dass junge Erwachsene eine Ausbildung antreten, abschliessen und ohne finanzielle Verschuldung in die wirtschaftliche Selbständigkeit starten können.

Die COVID-19-Pandemie hat zudem gezeigt, dass viele Menschen in eine finanzielle Notlage geraten können. Während die Kurzarbeitsentschädigung oder der Corona-Erwerbsersatz nicht zurückerstattet werden müssen, ist die Rückerstattungspflicht bei den Unterstützungsleistungen in Graubünden gesetzlich gefordert. In Bezug auf den Vollzug durch die Gemeinden bleibt das Gesetz sehr vage. Die Richtlinien der Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe empfehlen, "grundsätzlich auf das Geltendmachen der Rückerstattungen aus späterem Erwerbseinkommen zu verzichten [oder eine grosszügige Einkommensgrenze vorzusehen]. Mit diesem Grundsatz soll die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit aller Personen nicht gefährdet werden, welche aufgrund einer Notlage Unterstützungsleistungen benötigt haben" (SKOS Monitoring Sozialhilfe 2018). Unsicher ist zum heutigen Zeitpunkt, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf den Bedarf hinsichtlich Sozialhilfeleistungen haben wird. Präventiv soll deshalb im Kontext der Aufhebung der Rückerstattungspflicht für junge Erwachsene während der Erstausbildung überprüft werden, ob die Regelung der Rückerstattung der Unterstützungshilfen insgesamt klarer ausgestaltet werden kann.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern:

Die Regierung legt dem Grossen Rat eine Botschaft zur Aufhebung der Rückerstattungsplicht von Sozialhilfeleistungen für junge Erwachsene während der Erstausbildung vor und überprüft darüber hinaus die geltende Regelung betreffend Rückerstattungspflicht von Sozialhilfeleistungen für alle Bedürftigen.

30. August 2021