Navigation

Inhaltsbereich

Session: 27.08.2021

Am 26.5.2021 reichte die Gemeindepolizei St. Moritz beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit ein Gesuch um Bussenkompetenz in Sachen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) gemäss Bussenliste 2 ein. Am 8.7.2021 lehnte das DJSG dieses Gesuch mit der nachfolgenden Begründung ab:

«Unter gewissen Voraussetzungen können im Ausnahmefall kantonspolizeiliche Aufgaben gegen Entschädigung vertraglich an die Gemeinden übertragen werden. Eine solche Übertragung erfolgte bislang ausschliesslich auf die grösste Gemeindepolizei, nämlich die Stadtpolizei Chur, und stellt auch aufgrund der historisch gewachsenen Strukturen eine Ausnahme dar. Die Regierung hat mit der Genehmigung des Berichts «Polizei Graubünden 2015plus» u.a. beschlossen, am bestehenden Modell der polizeilichen Organisation festzuhalten. Das heisst, es wurde auf die Schaffung einer Einheitspolizei verzichtet und damit auch darauf, den Gemeinden ihre bestehenden Zuständigkeiten zu entziehen. Allerdings geht der Bericht davon aus, dass – ausser Chur – die übrigen acht Gemeinden mit eigener Polizei mittelfristig freiwillig ihre Aufgaben der Kantonspolizei vertraglich übertragen. Die Regierung will denn auch diese Vertragslösungen fördern, insbesondere im Rahmen von Gemeindefusionen und der Regionalisierung von Gemeindeaufgaben. Weitere Ausnahmen analog Chur sind weder geplant noch die notwendigen Voraussetzungen dafür gegeben.»

Diese Begründung steht im klaren Widerspruch zur Teilrevision des Polizeigesetzes, welches in der Session des Grossen Rats vom 29.8.2018 bis 1.9.2018 beraten und beschlossen wurde und ignoriert bewusst die unmissverständlichen Voten, welche in der entsprechenden Debatte vom Regierungsvertreter und verschiedenen Parlamentsmitgliedern zu Protokoll gebracht wurden. So gab der zuständige Regierungsrat Rathgeb bezüglich Polizeibericht 2015, Strategie und Zukunft der Gemeindepolizei und zu deren Aufgaben respektive Kompetenzen, folgendes zu Protokoll:

«Wir haben dort die Kernfrage geklärt, ob wir weiterhin im Kanton Graubünden mit einem dualen System fahren wollen und damit […] das Thema der Einheitspolizei vom Tisch gebracht. […] Das heisst, wir haben ein feines System an Kompetenzen, die austariert sind zwischen Kanton und Gemeinden. Wir versuchen das mit dieser Teilrevision zu festigen, ohne die Kompetenzen der Gemeinden zu tangieren, zum Teil sogar noch etwas zu erweitern und dann auf individuelle Lösungen einzugehen. […] Und wir haben eine Grundregelung, um dann den individuellen Bedürfnissen der Gemeinden […] auf der vertraglichen Ebene Nachachtung zu verschaffen. Und ich meine, dass das ein sehr gutes, auf die Bedürfnisse des Kantons und der Gemeinden zugeschnittenes Modell ist, das wir mit dieser Teilrevision zementieren und an den Schnittstellen Fragen regeln. Aber noch einmal: Diese Schnittstellen bleiben natürlich immer in einem Kanton, der dieses duale Modell lebt. Wir leben das, wir bekennen uns klar dazu und wir möchten das auch in Zukunft leben (Grossratsprotokoll 1I2018/2019, S. 87).»

Gleich äusserte sich auch der damalige Kommissionpräsident, Grossrat Crameri:

«Aus dem Polizeibericht […] entspringt die Erkenntnis, dass auf die Einführung einer Einheitspolizei im Kanton Graubünden, das heisst die Integration der Gemeindepolizeien in die Kantonspolizei definitiv verzichtet werden soll (Grossratsprotokoll 1/2018/219, S. 80).»

Auch zur Aufgabenübertragung machte der Kommisspräsident eine klare Aussage:

«Umgekehrt können [die Gemeinden] Aufgaben des Kantons selbst wahrnehmen, dafür brauchen sie aber eine vertragliche Grundlage mit dem Kanton gemäss Art. 5 Abs. 3 und 4. […] Die Hürden für die Übernahme eigentlicher kantonaler Aufgaben durch die Gemeinden dürfen dabei nicht allzu hoch gesetzt werden. Es wird vom Kanton ein gewisses Entgegenkommen aus Sicht der Gemeinden erwartet (Grossratsprotokoll 1I2018/2019, S 90).»

Vor diesem Hintergrund wird die Regierung beauftragt, dafür zu sorgen, dass im DJSG von einer unzutreffenden Interpretation des Berichts Polizei Graubünden 2015 Abstand genommen wird, dass die korrekte Umsetzung und Anwendung des im Jahr 2018 teilrevidierten Polizeigesetzes uneingeschränkt erfolgt und die diesbezüglichen Meinungen und die entsprechenden Aufträge der Legislative des Kantons Graubünden nicht weiter ignoriert, sondern akzeptiert und umgesetzt werden.

Chur, 27. August 2021

Pfäffli, Marti, Michael (Castasegna), Alig, Bigliel, Censi, Claus, Engler, Felix, Flütsch, Giacomelli, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hohl, Holzinger-Loretz, Jenny, Jochum, Kasper, Kienz, Kunz (Chur), Kuoni, Loi, Mittner, Natter, Niggli (Samedan), Papa, Rüegg, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, Valär, Waidacher, Weidmann, Wellig, Wieland

Antwort der Regierung

Das Polizeigesetz (PolG; BR 613.000) enthält in Art. 4 Abs. 6 ein ausdrückliches Bekenntnis zur Zusammenarbeit zwischen der Kantonspolizei und den Gemeinden und damit ein Bekenntnis zum dualen System. Das duale System bedingt aber eine Vielfalt der Aufgabenteilungen, die dann in der Abgrenzung immer wieder zu Diskussionen führt. Hierzu führte die Regierung in der Grossratsdebatte (GRP 2018/2019, S. 87) aus, dass "wenn wir aber an diesem dualen System festhalten, das auch Ihrem Willen entspricht, dann gibt es Abgrenzungen und irgendwo müssen wir dann einfach diesen Strich ziehen." Dieses Bekenntnis zum dualen System gilt nach wie vor und sowohl die Regierung als auch das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit handeln entsprechend. Dennoch kann im Bericht Polizei Graubünden 2015plus, der am 22. September 2015 von der Regierung genehmigt worden ist, auf Seite 54 nachgelesen werden, dass es zu begrüssen wäre, wenn mittelfristig die verbliebenen Gemeindepolizeien (ausser Stadt Chur) durch Vertragsregelungen aufgehoben werden könnten. Die Förderung der vertraglichen Übernahme von gemeindepolizeilichen Aufgaben durch die Kantonspolizei entspricht folglich der Strategie der Regierung. Die Regierung hält somit fest, dass das DJSG keine unzutreffende Interpretation des Polizeiberichts 2015 vornimmt resp. vorgenommen hat.

Der oben erwähnte Strich wird insbesondere dort gezogen, wo im geltenden Recht die notwendigen Grundlagen fehlen. Fehlen hingegen die notwendigen Grundlagen nicht, müssen noch die polizeirechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein, denn eine Delegation von Kompetenzen kann und darf gemäss Art. 5 Abs. 4 PolG nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen und Strukturen dafür gegeben sind. Zudem bedarf es für eine solche Delegation, welche vertraglich zu vereinbaren ist und somit beiderseitig einer Zustimmung benötigt, stets sachlich sinnvolle Gründe. Deshalb erfolgt eine Aufgabenübertragung nach Art. 5 Abs. 4 PolG dort nicht, wo eine solche unzweckmässig ist und die organisatorischen sowie personellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Bei vertraglichen Aufgabenübertragung der Kantonspolizei an eine Gemeindepolizei muss die Regierung zudem die polizeiliche Gesamtstrategie im Blick haben.

Sollten Gemeinden gestützt auf Art. 5 Abs. 4 PolG ein konkretes Anliegen haben, welchem im geltenden Recht die notwendigen Grundlagen nicht fehlen, können sie dieses mit entsprechenden Ausführungen zu den in Art. 5 Abs. 4 PolG genannten Voraussetzungen an das DJSG richten. Im Anschluss daran prüft das DJSG das Ersuchen.

Die Regierung hält nach den obgenannten Ausführungen fest, dass die Umsetzung und Anwendung des teilrevidierten Polizeigesetzes aus dem Jahre 2018 korrekt erfolgt und keine entsprechenden Aufträge des Grossen Rats ignoriert werden.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen und gleichzeitig als erledigt abzuschreiben.

27. Oktober 2021