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Session: 15.02.2023

Die angemessene Teilhabe beider Geschlechter an allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgaben ist eine Notwendigkeit. Dies aus demografischen Gründen, weil in Zukunft viel mehr Personen aus dem Arbeitsleben austreten werden als nachrücken, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, weil durchmischte Teams bessere Ergebnisse erreichen. Das ist unbestritten.

Quantitative Zielgrössen sind ein effizientes Mittel, um eine gewünschte Diversität herbeizuführen. Der Bund hat dies im Rahmen der Aktienrechtsrevision umgesetzt: Für grosse börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz gilt ab Januar 2021 neu ein Richtwert von 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat und 20 Prozent Frauen in der Geschäftsleitung. Wer die Richtwerte nicht einhält, muss erklären wieso.

Sowohl in der Verordnung zur Umsetzung der Public Corporate Governance für den Kanton Graubünden als auch in der Verordnung für die nebenamtlichen Mitarbeitenden des Kantons Graubünden und anderen einschlägigen Rechtsnormen fehlen angemessene Richtwerte zur Diversifizierung. Die Erfahrung zeigt, dass es einer verbindlicheren Grundlage bedarf, wenn die Grundsätze der Gleichstellung der Geschlechter sowie der Meinungsvielfalt konsequent und glaubwürdig umgesetzt werden wollen.

Neben der Sicherstellung von Diversität stellt sich auch die Frage nach der Unabhängigkeit der Kandidatinnen und Kandidaten. Entstehende Abhängigkeiten bei der kumulierten Übernahme von Verwaltungsratsmandaten erachten wir als kritisch.

Wir möchten von der Regierung nun gerne erfahren, wie sich die Situation im Kanton Graubünden betreffend Besetzung von Leitungs- und Fachgremien unter kantonalem Einfluss präsentiert. Konkret bitten wir die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Wie steht es um die Diversität bei den von der Regierung zu besetzenden Amtsleitungen u. ä., Kommissionen sowie den Kantonsvertretungen? Wir bitten um Informationen zur Geschlechterverteilung, zum Alter, zur Sprache und zur Parteizugehörigkeit.
  2. Auf welche Dimensionen von Diversität achtet die Regierung zudem bei der Besetzung von Gremien?
  3. Hat die Regierung in den letzten drei Jahren Personen in einen Verwaltungsrat oder in ein Leitungsgremium berufen, die bereits Mitglied eines anderen Verwaltungsrats oder Leitungsgremiums im Kanton Graubünden waren?
  4. Wie steht die Regierung grundsätzlich zur Problematik der Ämterkumulation?

Chur, 15. Februar 2023

Oesch, Perl, Brandenburger, Bardill, Baselgia, Bavier, Bergamin, Biert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Candrian, Casutt, Danuser (Chur), Degiacomi, Della Cà, Dietrich, Dürler, Hoch, Hofmann, Kappeler, Kreiliger, Mazzetta, Metzger, Morf, Müller, Nicolay, Pajic, Preisig, Rageth, Rettich, Roffler, Rusch Nigg, Rutishauser, Saratz Cazin, Spagnolatti, Städler, von Ballmoos, Zaugg-Ettlin

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Die nachfolgende Tabelle zeigt die Situation bei Kantonsvertretungen (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verordnung zur Umsetzung der Public Corporate Governance für den Kanton Graubünden [PCG-Verordnung; BR 710.400]) und nebenamtlichen Mitarbeitenden (Art. 3 Abs. 4 Gesetz über das Arbeitsverhältnis der Mitarbeitenden des Kantons Graubünden [Personalgesetz, PG; BR 170.400]). Dienststellenleitende, deren Stellvertretende und Generalsekretärinnen und -sekretäre haben grundlegend andere Funktionen. Als Mitarbeitende der Kantonalen Verwaltung gilt für sie das Personalgesetz, wonach der Kanton bei seiner Personalpolitik die Chancengleichheit berücksichtigt (Art. 1). Zudem ist auch Art. 6 des Sprachengesetzes des Kantons Graubünden (SpG; BR 492.100) anwendbar, wonach bei gleichen Qualifikationen in der Regel jenen Bewerberinnen und Bewerbern der Vorzug zu geben ist, welche über Kenntnisse in zwei oder allenfalls den drei Amtssprachen verfügen. Die Tabelle umfasst Angaben zur Geschlechter- und Altersverteilung. Die Sprache wird teilweise, die Parteizugehörigkeit nicht erhoben.

StatistikOesch

Zu Frage 2: Soweit es für ein Mandat in einem Gremium fachliche Anforderungen gibt, stehen diese bei der Besetzung im Vordergrund. Ein bestimmtes Fachwissen (z. B. Recht, Finanzen, Personal, Fachbereich) oder bestimmte Kompetenzen (z. B. Führungserfahrung) sind regelmässig erforderlich. Teilweise müssen Funktionen oder Fach- und Interessenbereiche in einer bestimmten Zahl vertreten sein. Zu beachten ist auch, dass bei gewissen Gremien der Kanton nicht alle Personen bestimmt. Wo immer möglich wird darauf geachtet, dass insbesondere die Geschlechter, Altersgruppen, Sprachen und Regionen angemessen vertreten sind.

Zu Frage 3: Ja. Zurzeit gibt es 8 Kantonsvertretungen, die den Kanton in mehreren Gremien repräsentieren.

Zu Frage 4: Kantonsvertretungen und nebenamtliche Mitarbeitende erfüllen ihre Mandate in aller Regel nur zu einem kleinen Pensum. Es muss ihnen daher möglich sein, andere teilzeitliche Mandate auszuüben. Ansonsten liessen sich gar nicht genug fachlich qualifizierte Personen finden. Bei gewissen Gremien wird zudem bewusst die gleiche Person beauftragt, um eine einheitliche Vertretung des Kantons sicherzustellen und den Koordinationsaufwand zu verringern. Vor diesem Hintergrund muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob Interessenkonflikte vorliegen. Kantonsvertretungen sind dazu verpflichtet, solche offenzulegen (Art. 9 Abs. 3 PCG-Verordnung), bei nebenamtlichen Mitarbeitenden hat die Ausstandsregelung (vgl. Art. 12 Verordnung für die nebenamtlichen Mitarbeitenden des Kantons Graubünden; BR 170.420) eine Vorwirkung auf die Wahl. Liegt kein Interessenskonflikt vor, spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass Personen mehrere Mandate des Kantons innehaben.

Seit 1. Januar 2023 sieht Art. 9a Abs. 2 PCG-Verordnung ausdrücklich vor, dass bei Kantonsvertretungen ein offenes und transparentes Auswahlverfahren, insbesondere eine Ausschreibung, stattfindet. Dies wird dazu beitragen, auf breiterer Basis qualifizierte Personen zu rekrutieren und die Diversität in den Gremien weiter zu erhöhen.

Die Regierung weist im Übrigen auf zwei Vorstösse hin, die Überschneidungen mit dieser Anfrage aufweisen: Der Grosse Rat hat den Auftrag Bondolfi betreffend Berücksichtigung der drei Sprachregionen in Arbeitsgruppen, Fachkommissionen und Gremien von kantonaler Relevanz abgeändert und überwiesen. Der Auftrag wird bis 2024 mit einer Teilrevision der Sprachenverordnung umgesetzt. Demgegenüber hat es der Grosse Rat in der Junisession 2022 bei der Behandlung des Fraktionsauftrags SP betreffend Frauenquote in Arbeitsgruppen, Fachkommissionen und Gremien von kantonaler Relevanz (Erstunterzeichner Horrer) abgelehnt, dass eine Rechtsgrundlage für die zwingende Vertretung beider Geschlechter geschaffen oder einen Richtwert dazu definiert wird (Grossratsprotokoll 6/2021–2022, S. 1035, 1339 ff.). 

19. April 2023