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Session: 21.04.2022

Der Grosse Rat hat in den letzten beiden Jahren bereits über das Thema «Umsetzung der Barrierefreiheit bei Bahn (RhB), Bus und Postauto» debattiert. Was jedoch nie ein Thema war, ist die entsprechende Umsetzung bei den Bündner Bergbahnen. Der Tourismus in Graubünden besteht nicht nur aus RhB, Events, Hotels und Gastbetrieben – auch die Bergbahnen gehören in diese Auslegeordnung. Entsprechend dürfen diese bezüglich Umsetzung der Barrierefreiheit nicht vergessen gehen. Dies umso mehr, da die Bergbahnen nicht nur für den Tourismus und die Hotellerie, sondern auch für die Erschliessung von touristischen Hotspots sowie diversen Gemeinden und Gemeindeteilen systemrelevant sind.

Am 31.08.2021 hat der Schweizerische Seilbahnverband in Davos für die Bündner Bergbahnen einen Informationstag zur Umsetzung der Barrierefreiheit bei den Bündner Bergbahnen durchgeführt. Anscheinend war bis dahin die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) kaum ein Thema.

Öffentlich zugängliche und dem Seilbahngesetz unterstellte Luftseilbahnen, Standseilbahnen und Schräglifte sind dem Behindertengleichstellungsgesetz unterstellt (Skilifte sind leider davon ausgenommen). Damit steht fest, dass auch bei diesen Transportunternehmen eine barrierefreie Nutzung von Bauten, Anlagen, Fahrzeugen und Kommunikationsmitteln bis zum 31.12.2023 umgesetzt sein muss. (Frist BehiG)

Ganz klar ist es, dass einige Bergbahnen für die entsprechende Umsetzung jetzt sehr unter Druck stehen. Andere Bergbahnen argumentieren, dass für die vereinzelten Gäste doch der Aufwand für eine Umsetzung nicht notwendig sei und sich dies für das Unternehmen nicht rechne.

Es besteht dringend Handlungsbedarf. Der Kanton Graubünden ist ein Tourismus-Kanton und muss für alle Menschen, auch jene mit besonderen Bedürfnissen, jederzeit attraktiv und zugänglich sein. Denn auch diese Gäste tragen zur touristischen Wertschöpfung des Kantons und der Unternehmen bei.

Fragen:

  1. Wie ist der aktuelle Stand der BehiG-Umsetzung bei den Bündner Bergbahnen und touristischen Transportanlagen?
  2. Wie überprüft der Kanton die Umsetzung und Fristeinhaltung der geforderten Massnahmen?
  3. Welche Unterstützung bietet der Kanton sowohl im fachlichen wie auch im finanziellen Bereich? (Die Bündner Bergbahnen und die RhB hatten in den beiden letzten Jahren ja teilweise beachtliche Umsatzeinbussen.)
  4. Wie beabsichtigt der Kanton die Erfahrung und das Wissen der betroffenen NutzerInnen in diesen Umsetzungsprozess einzubinden?

Chur, 21. April 2022

Tomaschett (Chur), Holzinger-Loretz, Ruckstuhl, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Cantieni, Caviezel (Chur), Crameri, Degiacomi, Ellemunter, Felix, Gartmann-Albin, Gugelmann, Hardegger, Hofmann, Horrer, Marti, Müller (Felsberg), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Tomaschett-Berther (Trun), Weber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, van Kleef

Antwort der Regierung

Unter den Geltungsbereich des Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; SR 151.3) fallen alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs und namentlich Fahrzeuge, die dem Bundesgesetz über Seilbahnen zur Personenbeförderung (Seilbahngesetz, SebG; SR 743.01) unterstehen (Art. 3 lit. b Ziff. 7 BehiG). Bei den Luftseilbahnen unterstehen dem BehiG nur diejenigen Anlagen mit Fahrzeugen, die mehr als acht Plätze pro Transporteinheit umfassen. Skilifte sowie Luftseilbahnen mit weniger als neun Plätzen sind vom Geltungsbereich des BehiG nicht erfasst. Die Zuständigkeit für den Vollzug des BehiG liegt bei der Behörde, die für die Erteilung der Bau- und Betriebsbewilligung zuständig ist, vorliegend somit beim Bundesamt für Verkehr (BAV). Nur für Schrägaufzüge ist der Kanton Bewilligungsbehörde. Bisher wurde lediglich eine Bewilligung für unter das BehiG fallende Schrägaufzüge (d. h. mit mehr als acht Personentransportkapazität pro Fahrmittel) erteilt.

Zu Frage 1: Der aktuelle Stand der BehiG-Umsetzung bei den betroffenen Seilbahnanlagen ist dem Kanton aufgrund seiner fehlenden Zuständigkeit nicht bekannt. Das von Nationalrat Reynard eingereichte Postulat vom 19. Juni 2020 (20.3874) befasst sich mit einer ähnlichen Fragestellung (Bestandesaufnahme betreffend Zugänglichkeit zum öffentlichen Verkehr). Die Antwort des Bundesrats darauf wird Mitte 2023 erwartet.

Was den Kanton Graubünden und die Umsetzung des BehiG in Bezug auf Schrägaufzüge betrifft, kann festgehalten werden, dass der eine Aufzug mit kantonaler Bewilligung bereits dem BehiG entsprechend ausgestaltet ist.

Zu Frage 2: Die Betreiber von Seilbahnanlagen sind verpflichtet, das BehiG bis Ende 2023 umzusetzen. Beim Neubau oder bei der Erneuerung (Umbau) bestehender Seilbahnanlagen sind die Anforderungen gemäss BehiG im Rahmen der Plangenehmigung einzuhalten. Massgebend bei Neubauten sind die Checklisten «BehiG-Anforderungen Seilbahnen» des BAV. Für bestehende Anlagen stellt der Verband Seilbahnen Schweiz (SBS) im Auftrag des «Management Board Seilbahnen» – ein Gremium zur Zusammenarbeit der Organisationen im Seilbahnbereich, bestehend aus dem BAV, der Kontrollstelle IKSS, dem Verband der Seilbahnhersteller (IARM Schweiz) und dem SBS – den Betreibern eine «Wegleitung Umsetzung Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) an bestehenden Seilbahnen» mit mehr als acht Personentransportkapazität pro Fahrmittel zur Verfügung.

Im Übrigen besteht ein Beschwerderecht von Behinderteninstitutionen zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen aufgrund von Benachteiligungen, die sich auf eine grosse Zahl von Menschen mit Behinderungen auswirken.

Zu Frage 3: Die Kompetenz bezüglich Seilbahnen – mit der erwähnten Ausnahme – liegt, wie bereits erwähnt, beim Bund bzw. BAV. Die Betreiber von Seilbahnanlagen, welche unter das BehiG fallen, erhalten fachliche Unterstützung durch das BAV in Form von Checklisten sowie durch den SBS z. B. in Form von Wegleitungen, Informationsveranstaltungen, Auskünften etc. Sämtliche Unterlagen sind auf den Internetseiten des BAV sowie des SBS frei verfügbar.

Zu Frage 4: Bei der Plangenehmigung von Umbauten sowie für die Erstellung der Checklisten zur Prüfung der Verhältnismässigkeit sind für das BAV die Stellungnahmen von Inclusion Handicap (Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz) massgebend. Erfahrungen und Wissen von Menschen mit Einschränkungen sind durch den Einbezug von Inclusion Handicap sichergestellt. 

22. Juni 2022