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Session: 19.10.2022

In Domat/Ems steht das grösste Biomassekraftwerk der Schweiz. Die Axpo Tegra AG produziert heute hauptsächlich Strom, den Grossteil der Abwärme kann sie bis heute wegen fehlender Abnehmer nicht absetzen. Die Abwärme leitet die Axpo Tegra AG darum in den Rhein ab.

Bei Volllast könnte das Biomassekraftwerk rund 220 GWh Wärmeenergie produzieren. Dies entspricht etwa der Heizenergie von 23 000 Haushalten pro Jahr. Zum Vergleich: der Wärmeverbund Chur Nord liefert heute jährlich gut 30 GWh. Für den Ersatz der fossilen Heizungen im Bündner Rheintal wäre damit genug einheimische Wärmeenergie vorhanden. Eine Fernwärmeleitung von der Axpo Tegra AG nach Chur würde auch den bereits lange beabsichtigten Zusammenschluss mit der GEVAG-Fernwärmeleitung ermöglichen und somit die Versorgungssicherheit erhöhen.

Obwohl es für das Fernwärmeleitungs-Projekt von Domat/Ems nach Chur mit Kosten von rund 20 Millionen seit langem eine Machbarkeitsstudie und eine konkrete Linienführung gibt, wurde das Projekt bis heute nicht realisiert. Die Hauptgründe sind die fehlende Bereitschaft respektive die fehlenden finanziellen Möglichkeiten der Energieversorger, diese Investition zu tätigen. Am Interesse, diese Wärmeenergie für das eigene Versorgungsgebiet zu übernehmen, fehlt es ausdrücklich nicht.

Eine andere Herausforderung ist das bestehende Baurecht der Axpo Tegra AG, welches in wenigen Jahren ausläuft. Das Resultat der anstehenden Verhandlungen ist entscheidend für den Fortbestand des Biomassekraftwerkes in Domat/Ems.

Deshalb möchten die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

  1. Teilt die Regierung die Einschätzung, dass die Wärmenutzung des Biomassekraftwerkes in Domat/Ems einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit des Bündner Rheintals leisten könnte und damit zur Umsetzung des Green Deals?
  2. Welche Möglichkeiten hat der Kanton, um die Fernwärmeleitung bis nach Chur zu bauen und zu finanzieren?
  3. Wie gedenkt der Kanton, sich bei den Verhandlungen für die Ablösung des aktuellen Baurechts zu engagieren, damit dieses einheimische Energiepotential erhalten werden kann?

Chur, 19. Oktober 2022

Mazzetta, Danuser (Cazis), Hohl, Altmann, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Bavier, Beeli, Berther, Biert, Binkert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Bundi, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Censi, Collenberg, Crameri, Della Cà, Dietrich, Furger, Gartmann-Albin, Gredig, Hartmann, Hoch, Kaiser, Kocher, Kohler, Kreiliger, Lamprecht, Loi, Luzio, Mani, Messmer-Blumer, Michael (Donat), Müller, Natter, Nicolay, Oesch, Perl, Preisig, Rageth, Rodigari, Rusch Nigg, Rutishauser, Said Bucher, Schutz, Stiffler, von Ballmoos, Widmer, Wieland, Wilhelm

Antwort der Regierung

Die drei Öfen des Biomassekraftwerks (BMKW) der Axpo Tegra AG in Domat/Ems weisen eine Feuerungswärmeleistung von insgesamt 81,5 Megawatt (MW) auf. Ofen 1 mit 5,5 MW produziert ausschliesslich Prozesswärme für die EMS-CHEMIE AG. Er erzeugt keinen Strom. Die Öfen 2 und 3 weisen je 38 MW installierte Feuerungswärmeleistung auf und dienen hauptsächlich der Stromproduktion und als Redundanz zu Ofen 1 zur Produktion von Prozesswärme für die EMS-CHEMIE AG. Die elektrische Gesamtleistung von Ofen 2 und 3 beträgt 22,2 MW (Ofen 2 mit 12 MW und Ofen 3 mit 10,2 MW). Der Anteil der Feuerungswärmeleistung, der sich in elektrische Leistung umsetzen lässt, ist aufgrund von physikalischen Gesetzen limitiert. Beim BMKW der Axpo Tegra AG werden tatsächlich 29 % erreicht. Dies bedeutet, dass gut zwei Drittel der Feuerungswärmeleistung zu Abwärme auf Temperaturniveau zwischen 30 °C und 90 °C führt, von welcher heute rund 220 GWh/a mit Temperaturniveau zwischen 30 °C und 60 °C ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden. Diese Abwärme kann nur noch für Heizzwecke verwendet werden. Dazu braucht es aber Wärmebezüger, die in der unmittelbaren Umgebung des BMKW der Axpo Tegra AG nicht in genügendem Mass vorhanden sind. Eine Möglichkeit, grössere Wärmeenergien abzusetzen, besteht in der Stadt Chur, wo die Industriellen Betriebe der Stadt Chur (IBC) eine Versorgung mittels Fernwärmenetzen (im Osten das Hochtemperaturwärmenetz von der KVA Trimmis, im Westen die Anergienetze mit Warm- und Kaltleitern) stetig weiter ausbauen. Die Warmleiter der Anergienetze werden heute vorwiegend mit Wärmepumpen aus dem Grundwasser gespeist. Zum Betrieb dieser Wärmepumpen muss Strom eingesetzt werden. Wenn zur Stützung des Temperaturhubs in der Wärmeversorgung anstelle der Wärmepumpen die Abwärme des Biomassekraftwerks benützt würde, ergäbe sich gemäss Schätzungen der Stadt Chur ein Stromsparpotenzial von 3,5 GWh/a.

Zu Frage 1: Grundsätzlich teilt die Regierung diese Meinung. Es kann von einer Reduktion der CO2-Emissionen in der Grössenordnung von 40 000 t CO2/a ausgegangen werden und zwar ohne wesentlichen Einsatz von knappem Winterstrom. Allerdings hat der Churer Gemeinderat auf Antrag des Stadtrates in seiner Botschaft vom 25. Oktober 2022 den Auftrag Mazzetta für die Planung einer Fernwärmeleitung von der Axpo Tegra AG bis Chur als erledigt abgeschrieben. Auf Nachfrage seitens des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartements (EKUD) bleibt der Stadtrat bei seiner Einschätzung, dass die Einspeisung von Niedertemperatur-Abwärme des BMKW der Axpo Tegra AG in das Niedertemperatur-Anergie-Netz aufgrund von Abschätzungen durch die IBC nicht wirtschaftlich sei. Zudem könne man wegen der anstehenden Volksabstimmung vom 12. März 2023 vorderhand keine Anpassungen am geplanten Netzausbau machen.

Zu Frage 2: Gemäss Art. 25 des Energiegesetzes des Kantons Graubünden (BEG; BR 820.200) kann der Kanton im Interesse einer nachhaltigen Energieversorgung Grossprojekte mit kantonaler oder regionaler Bedeutung im Rahmen der Finanzkompetenz unterstützen. Der Kanton kann sich auch an solchen Anlagen selber beteiligen. Ist eine Finanzierung kurzfristig gewünscht, könnte dies gestützt auf den erwähnten Gesetzesartikel im Rahmen eines Einzelkredits in Verbindung mit einer entsprechenden Botschaft an den Grossen Rat durch diesen genehmigt werden. Eine Finanzierung wäre aus Sicht der Regierung jedoch an die verbindliche Zusage der Stadt Chur geknüpft, die Wärme auch abzunehmen respektive in ihre Wärmenetze einzuspeisen.

Zu Frage 3: Bei gegebener Bereitschaft zur langfristigen Abgabe der Niedertemperatur-Abwärme des BMKW nach 2030 gäbe es Instrumente, die Bezugsrechte abzusichern. Auf entsprechende Nachfrage seitens des EKUD teilte die EMS-CHEMIE AG jedoch mit, dass sie zurzeit diesbezüglich keinen Handlungsbedarf sehe. Die EMS-CHEMIE AG verweist dabei auf die fehlende Wirtschaftlichkeit einer Fernwärme ab dem Werkplatz EMS und auf die ablehnende Haltung des Churer Stadtrates zur Variante «Bezug der Fernwärme ab Axpo Tegra» in der Botschaft an den Gemeinderat vom Oktober 2022. Aufgrund dieser Ausgangslage und wegen des fehlenden Interesses der Stadt Chur bzw. der IBC an der Niedertemperatur-Abwärme der Axpo Tegra AG sieht die Regierung zurzeit keine Veranlassung, sich in Baurechtsverhandlungen zu engagieren.

11. Januar 2023