Navigation

Inhaltsbereich

Session: 19.10.2022

Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Schulsozialpartner LEGR und VSLGR zeigt auf, dass der qualitative Lehrpersonenmangel auch im Kanton Graubünden angekommen ist. Der Umstand, dass beinahe sämtliche offenen Stellen besetzt werden konnten, verschleiert die Tatsache, dass im Bewerbungsverfahren der ausgeschriebenen Stellen oftmals keine oder nur eine unzureichende Auswahlmöglichkeit bestand. Ausserdem zeigte die Umfrage, dass in den einzelnen Schulhausteams zusätzliche Massnahmen ergriffen werden mussten. Dazu gehören zum Beispiel Pensenerhöhungen, Pensenumlagerungen, Streichung von Zusatzangeboten oder Lösungen mit Projektwochen statt Wochenlektionen. Solche personellen oder stundenplantechnischen Massnahmen sowie die generell erschwerten Bedingungen für die Stellenbesetzungen bedeuten insbesondere in den peripheren Regionen, in gewissen Stufen oder für spezifische Fächer für die Schulleitungen einen massiven Mehraufwand. Im laufenden Schuljahr verfügen zudem rund 400 Lehrpersonen nicht über ausreichende Qualifikationen.

Die Entwicklung, welche in den letzten Jahren in den urbanen Kantonen zu beobachten war, kann nun zeitversetzt auch in Graubünden festgestellt werden. Somit ist davon auszugehen, dass wir in den kommenden Jahren mit der Situation konfrontiert sein werden, dass vor allem in den Randregionen oder in den romanisch- und italienischsprachigen Gebieten nicht ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal zu finden sein wird. Mögliche Massnahmen, um die Lehr- und Lernbedingungen zu verbessern, sind beispielsweise, dass Klassengrössen und -zusammensetzungen flexibler gestaltet werden können. Um vermehrt auch Wiedereinsteiger:innen für den Lehrberuf zurückzugewinnen, könnte durch den Kanton zusammen mit den anderen beteiligten Akteuren eine entsprechende Kampagne gestartet werden. Damit sie sich wieder stärker auf das Unterrichten konzentrieren können, sollen Lehrpersonen zudem in administrativen Belangen entlastet werden. Der Einsatz von Klassenhilfen kann auf alle Stufen der Volksschule ausgeweitet werden. Diese unterstützen die Lehrpersonen im Unterricht. Die pädagogische Verantwortung bleibt bei der Lehrperson. Mittels Monitoring soll eruiert werden, wie viele Lehr- und Fachpersonen jährlich ihren Arbeitsvertrag auflösen, wie viele Stellen nicht beziehungsweise mit nicht adäquat qualifizierten oder mit unqualifizierten Personen besetzt und wie viele Stellen von Studierenden beziehungsweise Pensionierten übernommen werden.

Die Unterzeichnenden zeigen sich erfreut darüber, dass auch in Graubünden auf Stufe Aus- und Weiterbildung in den kommenden Jahren Anpassungen und Neuerungen bei der Grundausbildung und den Masterstudiengängen gemacht werden. Ein breites Angebot der PHGR kann der Entwicklung mittelfristig teilweise entgegenwirken. Der Kanton Graubünden hat die Möglichkeit, zusätzlich zu agieren und dem Problem proaktiv entgegenzuwirken, bevor sich die Situation weiter verschärft und wir von einem qualitativen in einen quantitativen Lehrpersonenmangel rutschen.

Aus diesem Grund möchten die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

  1. Wie will Graubünden gegenüber anderen Kantonen bei der Rekrutierung von Lehrpersonen konkurrenzfähig bleiben? (Einige Kantone haben erste Massnahmen gegen den bestehenden und drohenden Lehrpersonenmangel umgesetzt und geplant.)
  2. Welche Massnahmen sind gegen den Lehrpersonenmangel konkret geplant?
  3. Wie sind diese Massnahmen zeitlich geplant?

Chur, 19. Oktober 2022

Rettich, Brunold, Lehner, Atanes, Bardill, Baselgia, Bavier, Biert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Collenberg, Della Cà, Dietrich, Epp, Furger, Gartmann-Albin, Gredig, Hoch, Kaiser, Luzio, Mazzetta, Messmer-Blumer, Müller, Nicolay, Perl, Preisig, Rageth, Rusch Nigg, Rutishauser, von Ballmoos, Walser, Widmer, Wilhelm

Antwort der Regierung

Gemäss Bildungsstatistik der letzten acht Jahre zur Entwicklung der Anzahl Schülerinnen und Schüler (SuS) sowie der Anzahl Lehrpersonen pro Schulstufe herrscht im Kanton Graubünden kein genereller Lehrkräftemangel. Bei einem Rückgang von über 1000 SuS im Beobachtungszeitraum der Schuljahre 2013/14 bis 2021/22 blieb die Anzahl der Lehrpersonen an der Volksschule praktisch konstant. Es kann weder von einem bestehenden qualitativen noch von einem drohenden quantitativen Lehrpersonenmangel gesprochen werden. Unbestritten ist, dass sich die Rekrutierungssituation an der Bündner Volksschule teilweise verschärft hat und punktuell angespannt ist. Zu der Aussage, dass rund 400 Lehrpersonen im Kanton nicht über eine ausreichende Qualifikation verfügen, gilt es festzuhalten, dass ein wesentlicher Unterschied zu anderen Kantonen darin besteht, dass 99,8 % der unterrichtenden Lehrpersonen im Kanton Graubünden über eine anerkannte pädagogische Ausbildung verfügen. Diejenigen Lehrpersonen, die nicht über einen schulgesetzkonformen, stufengemässen Abschluss oder die spezifische fachliche Qualifikation verfügen, sowie Lehrpersonen ohne pädagogisches Diplom bedürfen einer Lehrbewilligung des Amts für Volksschule und Sport (AVS).

Zu Frage 1 und 2: Die Volksschule ist von Gesetzes wegen eine Verbundaufgabe des Kantons und der Gemeinden. Folgende Massnahmen zur Verbesserung der Rekrutierungssituation von Lehrpersonen sind auf verschiedenen Zuständigkeitsebenen geplant oder bereits umgesetzt: Die Regierung hat die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) beauftragt, den Masterstudiengang Sekundarstufe I für Primarlehrpersonen und Personen mit Fachbachelor sowie Studiengänge in Schulischer Heilpädagogik in Chur in den Kantonssprachen anzubieten. Die PHGR bildet aktuell so viele Lehrpersonen aus, wie nie zuvor. Das AVS unterstützt die Schulen bei der Rekrutierung mit der kantonalen Online-Stellenplattform und mit dem BELP-Programm (Berufseinführung Lehrpersonen). Die Abteilung Schulinspektorat des AVS vertieft mit allen Schulträgerschaften anlässlich von Quartalssitzungen regelmässig die regionale Rekrutierungssituation und Personalentwicklung. Im Kanton Graubünden ist nicht der Kanton Anstellungsinstanz für das Schulpersonal, sondern die einzelnen Schulträgerschaften. Sie haben als Arbeitgeberinnen der Lehrpersonen Handlungsmöglichkeiten, um die Rekrutierungssituation zu verbessern und die Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. So trägt die aktive Pflege des Schulklimas durch die Schulführung und alle an der Schule Beteiligten wesentlich dazu bei, dass sich Lehrpersonen an einer Schule unterstützt und wohl fühlen. Ein positives Schulklima kann einem Stellen- oder Berufswechsel proaktiv entgegenwirken. Dasselbe gilt für eine ansprechende Schulinfrastruktur. Im Rahmen der Personalentwicklung kann die Schulführung (Schulrat und Schulleitung) beispielsweise gezielt geeignete Lehrpersonen mit Lehrbewilligung oder solche, die auf der Primarstufe unterrichten, für die Ausbildung auf der Sekundarstufe I motivieren. Sie können demzufolge mit der Aussicht auf eine Festanstellung bei einer Aus- oder Weiterbildung (Stufenerweiterung) Anreize schaffen. Sofern es pädagogisch sinnvoll ist, kann die Schulführung die Lektionenzahl und damit die Pensen im Rahmen ihrer Führungsverantwortung auf Basis von Art. 19 und Art. 20 Schulverordnung (Abteilungsgrössen) anpassen. Die Organisation der Integration sowie die Prüfung der regionalen Zusammenarbeit auf Sekundarstufe I obliegt den Schulträgerschaften. Die Schulträgerschaften können zudem Mindestpensen vorgegeben und die notwendige Flexibilität für den Lehrpersoneneinsatz bezüglich Anstellungsumfang auf das jeweils nächste Schuljahr über den Anstellungsvertrag regeln. Schliesslich verweist die Regierung auf ihre Antwort zur parlamentarischen Anfrage Conrad-Roner betreffend Bündner Kindergartenlehrpersonen als Beispiel für Massnahmen im Rahmen der bevorstehenden Teilrevision des Schulgesetzes.

Zu Frage 3: Die erwähnten kantonalen Massnahmen sind umgesetzt, der Auftrag der Regierung an die PHGR zum erweiterten Studienangebot (Sekundarstufe I und Schulische Heilpädagogik) ist erteilt, der Studiengang startet per Schuljahr 2023/24. Die Massnahmen auf Ebene der Schulträgerschaften können laufend umgesetzt werden.

15. Dezember 2022