Navigation

Inhaltsbereich

Session: 15.02.2023

Der Kanton und die Konzessionsgemeinden haben ihren 18-prozentigen Anspruch an Beteiligungsenergie der Engadiner Kraftwerke AG (EKW) der Grischelectra AG (GEAG) abgetreten. Die EKW produziert ihren Strom seit 5 Jahren zu unter 5 Rappen pro Kilowattstunde, im Jahre 2020/21 sogar zu 3.83 Rappen. Gemäss Medienberichten bestätigte EKW-Verwaltungsratspräsident Martin Schmid, dass die EKW Strom für das Jahr 2023 zu 55 Rappen pro Kilowattstunde auf dem Markt eingekauft habe. Dadurch werden die Jahreskosten 2023 der EKW gegenüber 2021 voraussichtlich mehr als verdoppelt. Das trifft nicht nur die Konsumenten in den Konzessionsgemeinden der EKW (Valsot, Scuol, Zernez und S-chanf), sondern auch die GEAG, die die Beteiligungsenergie zum verdoppelten Preis übernehmen muss. Kanton und Gemeinden bringen jährlich über 200 Gigawattstunden EKW-Strom in die GEAG ein, was fast 40 Prozent der gesamten GEAG-Energie ausmacht. Ein verdoppelter Preis wird deshalb Einfluss auf das gemäss Partnervertrag zu leistende Aufgeld haben und damit auf die Kantonsfinanzen, ja selbst auf die Repower AG, die die Energie inklusive Aufgeld von der GEAG übernimmt. 

Vor diesem Hintergrund wollen die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

  1. Ist die Regierung bereit, abzuklären, was die EKW AG dazu bewogen hat, Strom zu 55 Rappen/kWh zuzukaufen, nachdem sie selber Strom zu unter 5 Rappen/kWh produziert?
  2. Ist die Regierung bereit, abzuklären, ob der Einkaufspreis der EKW AG von 55 Rappen/kWh tatsächlich auf dem öffentlichen Markt ausgeschrieben wurde und wie die entsprechende Preisbildung zustande kam?
  3. Teilt die Regierung die Ansicht, dass der Einkaufspreis von 55 Rappen/kWh allein kriegsbedingt ist und eine entsprechende Verteuerung der GEAG-Energie durch derartige Stromzukäufe deshalb gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst?
  4. Die Preisbildung im öffentlichen Energiemarkt Europas wird durch das sogenannte «Merit-Order-Prinzip» bestimmt. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass das teuerste Kraftwerk auch den Preis für frühere Anbieter bestimmt. Seit Kriegsbeginn war es aus bekannten Gründen meistens der europäische Gaspreis. Verschiedene EU-Länder haben deshalb den Gaspreis gedeckelt. Sieht die Regierung eine Möglichkeit, zu intervenieren, damit dieses «Merit-Order-Prinzip» die Bündner Strompreise zukünftig nicht mehr beeinflussen kann?
  5. Ist die Regierung bereit, der EKW und ihren Partnergesellschaften mitzuteilen, dass der Kanton ein solches Vorgehen nicht toleriert, eine Korrektur des Gestehungspreises 2023 der EKW auf Höhe ohne überteuerten Stromeinkauf verlangt und eine langfristige Vereinbarung anstrebt, welche solche Strompreisbeeinflussungen verunmöglicht?

Chur, 15. Februar 2023

Metzger, Städler, Adank, Biert, Brandenburger, Candrian, Cortesi, Della Cà, Grass, Heim, Hug, Krättli, Morf, Rauch, Roffler, Salis, Sgier, Weber

Antwort der Regierung

Die Produktionskosten der Engadiner Kraftwerke AG (EKW) haben im Durchschnitt der vergangenen 10 Geschäftsjahre 4,8 Rappen pro Kilowattstunde (Rp./kWh) betragen. Im Geschäftsjahr 2021/22 5,83 Rp./kWh und im Jahr zuvor 3,83 Rp./kWh.
Massgeblichen Einfluss auf die Produktionskosten haben unter anderem die Hydrologie sowie die Nettoenergieabgabe. Der EKW-Beteiligungsenergieanteil der Konzessionsgemeinden und des Kantons wird, neben weiteren Beteiligungsenergiepaketen anderer Kraftwerksgesellschaften, in die Grischelectra AG (GEAG) eingebracht.

Zu Frage 1: Der Kanton und die Konzessionsgemeinden sind über die Repower AG in den EKW-Fachkommissionen "Betriebskonferenz", "Technische Kommission" und "Finanzkommission" sowie mit je einem Mitglied im EKW-Verwaltungsrat vertreten. Die Konzessionsgemeinden haben alljährlich bis zum 31. März das Recht zu entscheiden, ob sie für das kommende Jahr Zusatzenergie zu den jeweiligen Produktionskosten, erhöht um 1 Rp., von EKW beziehen wollen (= Bezugsrecht gemäss Konzession, aber keine Pflicht). Zwischen dem 1. Oktober 2013 und dem 31. Dezember 2019 haben die Konzessionsgemeinden entschieden, keine Energie von EKW zu beziehen, weil die Energie günstiger am Markt war und sie so unter den EKW-Produktionskosten einkaufen konnten. Dies änderte sich 2020, als die Konzessionsgemeinden beschlossen, ab dem 1. Oktober besagten Jahres die Zusatzenergie wieder von der EKW zu beziehen. Bereits im 2011 hatte der Verwaltungsrat beschlossen, sofern die Gemeinden Zusatzenergie wünschen, diese jeweils zusammen mit dem Eigenbedarf und der Gratis- und Vorzugsenergie extern zu beschaffen. Diesem Vorgehen hatten sowohl der langjährige Vertreter der Konzessionsgemeinden im Verwaltungsrat als auch der Kantonsvertreter zugestimmt. Auch im Juli 2022 wurde diese Beschaffung wiederum einstimmig für ein weiteres Jahr genehmigt. Die damals stark angestiegenen Strompreise bedeuteten gegenüber dem Vorjahr höhere Beschaffungskosten. Das führte zu höheren EKW-Jahreskosten und entsprechend zu höheren Produktionskosten für alle EKW-Aktionärspartner. Entsprechend verteuerte sich auch die Zusatzenergie.

Zu Frage 2: Gemäss dem in Frage 1 erwähnten Verwaltungsratsbeschluss von 2011 wurde die Energie bei den EKW-Partnern und der Repower AG ausgeschrieben und aus den beiden eingereichten Angeboten evaluierte die EKW das vorteilhafteste. Die entsprechenden Unterlagen hat EKW dem Kanton zur Kenntnis gebracht.

Zu Frage 3: Nein. Nebst dem Krieg spielten auch die anhaltende Trockenheit, die ungeplante Nichtverfügbarkeit grosser Kraftwerkskapazitäten in Europa, das fehlende Stromabkommen mit der Europäischen Union (EU) sowie die Angst vor einem kalten Winter eine Rolle. Die höheren Preise treffen die GEAG-Aktionäre nicht, weil die GEAG ihre Energie mit einem (fixen) Aufgeld an die Repower weitergeben kann. Somit ist die GEAG (als Beauftragte von Konzessionsgemeinden und Kanton) dem Marktrisiko nicht ausgesetzt.

Zu Frage 4: Das "Merit-Order-Prinzip" beschreibt den Mechanismus, wie der Strompreis auf dem Markt in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage zustande kommt. Das letzte Kraftwerk (sog. Grenzkraftwerk), welches hinzugeschaltet wird, um den jeweiligen Strombedarf abzudecken, bestimmt den Börsenpreis, den die Kraftwerke für ihren eingespeisten Strom erhalten. Da das letzte Kraftwerk meist ein Gaskraftwerk ist und somit den Preis bestimmt, machen sich die hohen Gaspreise auch auf dem Strommarkt bemerkbar. Weil die Schweiz in den europäischen Strommarkt eingebunden ist, hat die internationale Strommarktpreisbildung Einfluss auf den Schweizer Strommarktpreis. Für auf dem Spotmarkt eingekaufte Strommengen sieht die Regierung keine Möglichkeit, die Bündner Strompreise davon abzukoppeln.

Zu Frage 5: Nach Kenntnisstand des Kantons ist die EKW bereit, eine mehrjährige, tranchenweise und rollierende Beschaffung vorzunehmen, um so die Preisvolatilität zu reduzieren. Dies bedingt jedoch, dass die Konzessionsgemeinden auf ihr jährlich wiederkehrendes Recht, über den Bezug von Zusatzenergie zu entscheiden, verzichten und sich zusammen mit der EKW auf einen mehrjährigen Bezugsmodus einigen.

2. Mai 2023