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Session: 21.04.2022

Im Tages-Anzeiger vom 19. April 2022 ist auf Seite 15 ein Bericht über eine neue Zonenregelung im Kanton Zürich erschienen, welche die Zürcher Gemeinden vor neue Herausforderungen betreffend Raumplanung beziehungsweise Zonenplanung stellt. Die neue Praxisregelung des Kantons Zürich stellt den Verbleib von noch verfügbaren Bauparzellen in Weilern oder sogenannten Aussenwachten von Gemeinden rechtlich in Frage. Die neue Regelung soll dem Prinzip des raumplanerischen Ziels der inneren Verdichtung entsprechen und wird begründet mit, Zitat, «Es sei nicht zielführend, dass eine wesentliche bauliche Entwicklung in den eigentlichen Weilern stattfinde». In diesem Sinne soll in den betroffenen Weilern auf heute noch verfügbaren Bauparzellen nicht mehr gebaut werden dürfen und diese sollen entsprechend als «Nichtbauzonen» gelten. Gemäss dem Bundesrat seien Neubauten dort «unzulässig».

Diese Praxisänderung hat die Baudirektion des Kantons Zürich aufgrund einer Anweisung des Bundesrats im Zusammenhang mit der Genehmigung des überarbeiteten kantonalen Richtplans erlassen. Von dieser Praxisänderung sind von rund 300 Kleinsiedlungen ca. 130 Weiler betroffen und sie stellt die entsprechenden Gemeinden vor im Moment noch nicht abschätzbare Probleme.

Der Richtplan KRIP-S des Kantons Graubündens beziehungsweise die Anpassung Raumkonzept und Siedlung wurde vom Bundesrat am 10. April 2019 mit Vorbehalten genehmigt. Im Prüfbericht zur Genehmigung ist explizit darauf verwiesen, dass die Inhalte der Anpassungen des Planungs- und Baugesetzes jedoch nicht Gegenstand der Prüfung und Genehmigung sind. Am 15. Juni 2019 beziehungsweise 21. Dezember 2021 hat die Regierung Anpassungen des kantonalen Richtplans im Bereich Siedlung (KRIP-S) aufgrund der Aufträge des Bundes gemäss Genehmigung vom 10. April 2019 verabschiedet.

Da der Kanton Graubünden auch über eine Vielzahl von Weilern beziehungsweise Kleinsiedlungen aufweist, stellen die Unterzeichnenden der Regierung folgende Fragen:

  1. Wie weit ist der Stand der Genehmigung durch den Bundesrat bezüglich den Richtplänen KRIP-S im Bereich Raumordnungspolitik (Kapitel 2) und Siedlung (Kapitel 5) des Kantons Graubünden?
  2. Gibt es im Kanton Graubünden auch solche «Weiler» im Sinne des Bundesrats? Wenn ja, um wie viele «Weiler» handelt es sich und welche Kriterien werden angewendet, um eine solche Häusergruppe als «Weiler» im Sinne des Bundes einzuteilen?
  3. Inwiefern könnte der Bundesrat im Kanton Graubünden ebenfalls eine solche Praxisänderung verfügen? Bestehen im Kanton Graubünden im Vergleich zum Kanton Zürich gewichtige Unterschiede, um nicht auch diese vom Bundesrat im Kanton Zürich angeordnete Praxisänderung berücksichtigen zu müssen?

Chur, 21. April 2022

Felix, Crameri, Weber, Alig, Berweger, Brandenburger, Casutt-Derungs, Censi, Danuser, Dürler, Engler, Flütsch, Gort, Hardegger, Hitz-Rusch, Jochum, Kienz, Lamprecht, Loepfe, Mittner, Müller (Susch), Natter, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Ruckstuhl, Thomann-Frank, Thür-Suter, Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, Valär, Weidmann, Widmer-Spreiter (Chur), Wieland, Bürgi-Büchel, Costa, Gujan-Dönier, Patzen

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 10. April 2019 die Anpassung des kantonalen Richtplans Siedlung
(KRIP-S) genehmigt. Diese Genehmigung umfasst insbesondere die im KRIP-S erfolgte Ausscheidung des bestehenden Siedlungsgebiets. Den Begriff "Siedlungsgebiet" definiert das Bundesrecht als den bestehenden Siedlungskörper im Dauersiedlungsraum sowie das für die zukünftige Entwicklung vorgesehene Gebiet. Nicht Bestandteil des Siedlungsgebiets gemäss KRIP-S sind eingeschränkt nutzbare Bauzonen, die sich ausserhalb des Dauersiedlungsraums befinden. Dazu gehören insbesondere Kleinsiedlungen in Erhaltungszonen. Die vom Bundesrat im Rahmen seiner Genehmigung formulierten Ergänzungsaufträge betreffen weder das bestehende Siedlungsgebiet noch die Kleinsiedlungen in Erhaltungszonen. Im Übrigen hat der Bund die Genehmigung der entsprechenden, bereits erfolgten Ergänzungen des KRIP-S bis Ende Sommer 2022 in Aussicht gestellt.

Zu Frage 2 und 3: Gemäss Art. 33 der Raumplanungsverordnung (RPV; SR 700.1) können zur Erhaltung bestehender Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzonen besondere Zonen, beispielsweise Weiler- oder Erhaltungszonen, bezeichnet werden, wenn der kantonale Richtplan dies vorsieht. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Kleinsiedlung i. S. v. Art. 33 RPV eine als geschlossene Einheit in Erscheinung tretende Baugruppe von mindestens fünf bis zehn ursprünglich bewohnten Gebäuden voraus, die eine gewisse Stützpunktfunktion für das Umland erfüllen und von der Hauptsiedlung räumlich klar getrennt sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_62/2018 vom 12. Dezember 2018, E. 6.1 m. w. H.). In Graubünden bildet das Instrument der Erhaltungszone seit Jahrzehnten ein anerkanntes Modell zur Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Kleinsiedlungen (Maiensässsiedlungen). Diverse Gemeinden haben bereits in den frühen Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts Erhaltungszonen ausgeschieden. In den Jahren 1988/89 wurde das Instrument auf eine rechtliche Basis gestellt. Nach Art. 31 Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) sind Bauten und Anlagen in Erhaltungszonen in ihrem ursprünglichen Charakter und in ihrer Substanz zu erhalten. Neubauten sind hier nicht zulässig. Die Erhaltungszone bildet ferner seit dem Jahr 1995 Bestandteil des kantonalen Richtplans, inklusive Nennung der rund 80 Erhaltungszonen (vgl. KRIP-S, Kap. 5.4.2), welcher vom Bund letztmals am 10. April 2019 ohne diesbezügliche Vorbehalte genehmigt wurde. Zu den Bündner Erhaltungszonen ist anzufügen, dass diese bis zum Bundesgerichtsentscheid "Blackter Stafel" (1C_62/2018) als beschränkte Bauzonen galten, nun allerdings als Nichtbauzonen zu qualifizieren sind. 

Die Bezeichnung "Weiler" kennt das Bündner Planungsrecht im Übrigen nicht. 

Demgegenüber war im Kanton Zürich bisher ein Grossteil der Kleinsiedlungen den Kern- oder Weilerkernzonen zugewiesen, in denen nach kantonalem Recht Neubauten zulässig waren. Im Rahmen der Genehmigung des Zürcher Richtplans wurde dies vom Bund mit dem Hinweis bemängelt, dass Kernzonen im Zusammenhang mit Weilern Nichtbauzonen seien, in denen Neubauten unzulässig seien. Demzufolge beabsichtigt der Kanton Zürich die Einführung von Weilerzonen im Sinne von Art. 33 RPV. Dies hat zur Konsequenz, dass in gewissen Zürcher Kleinsiedlungen keine Neubauten mehr möglich sind (vgl. Kreisschreiben der Baudirektion Zürich vom 18. März 2022, www.zh.ch > Planen & Bauen > Raumplanung > Nutzungspläne > Kleinsiedlungen). Die Ausgangslage in Graubünden und Zürich ist somit eine grundlegend andere: Während in den bestehenden Bündner Erhaltungszonen seit jeher keine Neubauten zulässig sind, waren in den bisherigen Zürcher Kern- oder Weilerkernzonen Neubauten nach kantonalem Recht noch möglich und werden erst mit Ausscheidung der neuen Weilerzonen unzulässig. Vor diesem Hintergrund muss nicht mit einer vom Bundesrat angeordneten Praxisänderung gerechnet werden.

7. Juni 2022