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Session: 04.10.1999
Mit dem vorliegenden Postulat wird die Regierung ersucht, dem Bund eine Standesinitiative mit folgendem Begehren zur Beschlussfassung zu unterbreiten:
Die Dividenden- und Gewinneinnahmen des Bundes von Post, SBB und Swisscom werden in einem nationalen Kohäsionsfonds geäufnet. Die Fondsmittel werden zweckgebunden für Konversions- und Innovationsprojekte im Bereich des Service public allgemein und insbesondere in den von Arbeitsplatz- und Leistungsabbau betroffenen Regionen eingesetzt. Über die Zuteilung entscheidet der Bundesrat.

Begründung:
1. In den eidgenössischen Räten liegen wichtige Vorstösse in Sachen Service public auf dem Tisch. Diese Vorstösse sind auch im Interesse des Kantons Graubünden. Deshalb müssen der Kanton Graubünden und die andern, von Arbeitsplatzabbau betroffenen Regionen unbedingt mithelfen, dass die Begehren der Vorstösse realisiert werden. Die Standesinitiative ist ein einfaches aber wirkungsvolles Mittel, um in Bern kantonale Interessen zu wahren.
2. Die Aufrechterhaltung und der gezielte Ausbau qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienste in allen Bereichen muss ein vorrangiges Ziel staatlicher Tätigkeit auf der Ebene von Bund, Kanton und Gemeinden bleiben. Das gilt insbesondere für Post, den Kommunikationsbereich und die SBB.
3. Die Schweiz braucht eine flächendeckende Versorgung mit notwendigen und attraktiven Dienstleistungen. Nur mit einem starken Service public kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft alle Einwohner/innen zu gleichen günstigen Bedingungen Zugang zu den öffentlichen Diensten haben. In einer Welt der zunehmenden Mobilität und des wachsenden Waren- und Informationsaustausches sind auch Industrie und Gewerbe auf leistungsfähige öffentliche Betriebe mit modernen Dienstleistungen angewiesen.
4. Ein flächendeckender Service public, der in allen Landesteilen und Regionen die Grundversorgungen, Angebotsleistungen und Arbeitsplätze gewährleistet, ist für den Zusammenhalt der Schweiz von zentraler Bedeutung. Dazu gehört eine Politik des gezielten und permanenten Ausgleichs zwischen den privilegierten und den benachteiligten Gebieten.
5. Dieser Zusammenhalt und der Ausgleich werden heute auch die durch Unternehmungspolitik von Post, Swisscom und den SBB ernsthaft gefährdet. Alle drei Unternehmungen, die vollständig oder mehrheitlich im Besitz des Bundes sind, haben bereits ganz massiv Arbeitsplätze und Leistungen abgebaut und planen weitere, einschneidende Restrukturierungen. Besonders betroffen davon sind Berg- und Randgebiete, für welche die Leistungen und Arbeitsplätze der öffentlichen Dienste und Betriebe sozial, wirtschaftlich und gesellschaftlich von enormer Bedeutung sind. Zu den von Leistungs- und Arbeitsplatzabbau besonders hart betroffenen Regionen gehört neben den Regionen Wallis, Tessin, Jura/Westschweiz und Luzern/Innerschweiz vorab auch der Kanton Graubünden.
6. Die Parlamentarische Initiative Hämmerle verlangt zu Recht, dass der Abbau von Arbeits- und Ausbildungsplätzen nicht einseitig in den Rand- und Berggebieten erfolgen darf, und dass Post, SBB und Swisscom auch in diesen Regionen neue Arbeitsplätze anzubieten haben. Der öffentliche Dienst erbringt nicht nur wichtige Leistungen im Dienste der Allgemeinheit, sondern schafft auch wertvolle Arbeit und Kaufkraft gerade in den Regionen, die wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet sind.
7. Mit der Schaffung eines nationalen Kohäsionsfonds, der mit den Gewinnen von Post, SBB und Swisscom geäufnet wird, erhält der Bundesrat die notwendigen, zweckgebundenen Mittel, um Konversions- und Innovationsprojekte im Bereich des Service public allgemein und insbesondere in den vom Leistungs- und Arbeitsplatzabbau betroffenen Regionen gezielt zu unterstützen und zu fördern. Diese Mittel sind im Gesamtinteresse des Landes notwendig, um die Fehlentwicklungen zu stoppen oder wenigstens abzufedern. Gleichzeitig lassen sich damit auch Projekte in neuen, zukunftsträchtigen Bereichen entwickeln und fördern.
8. Der Grosse Rat des Kantons Wallis hat am 23. September 1999 mit 74 Ja, 5 Nein und 25 Enthaltungen mit einer dringlichen Resolution die Regierung beauftragt, dem Grossen Rat in der Novembersession den Entwurf einer Standesinitiative zur Beschlussfassung vorzulegen. Stossrichtung und Begründung sind bei beiden Vorstössen weitgehend identisch.
9. Um eine möglichst schnelle Abwicklung der Einflussnahme des Kantons Graubünden auf beim Bund anstehende Entscheidungen zu gewährleisten, haben die Unterzeichneten den Weg des Postulates gewählt, womit bei einer Annahme des Begehrens die Bündner Regierung, ebenfalls im Anschluss an die Novembersession, aktiv werden kann.

Chur, 4.10.1999

Namen: Arquint , Bucher, Locher, Aebli, Jäger, Looser, Meyer, Pfenninger, Trepp, Schütz, Gort, Frigg

Session: 4.10.1999
Vorstoss: dt Postulat

Antwort der Regierung


Die Idee eines nationalen Fonds, geäufnet aus den abgelieferten Dividenden und Gewinnen der Post, der SBB und der Swisscom, wurde von Bundesrat Leuenberger am Wahlparteitag der SP Schweiz vom 4. September 1999 lanciert. Das Postulat ist inhaltlich und in der Begründung völlig identisch mit einer im Grossen Rat des Kantons Wallis am 20. September 1999 eingereichten und am 23. September 1999 vom Parlament zuhanden des Staatsrates verabschiedeten dringlichen Resolution. Danach hat dieser dem Grossen Rat in der Novembersession, die vom 8. 12. und am 17. November 1999 stattfindet, den Entwurf einer entsprechenden Standesinitiative zur Beschlussfassung zu unterbreiten. Der Vorstoss ist auch identisch mit der in der Septembersession des Nationalrates eingereichten parlamentarischen Initiative Tschäppet.
Ein flächendeckender Service public ist insbesondere für die Berg- und Randregionen aus wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Sicht zweifellos von grosser und langfristig gesehen von existenzieller Bedeutung. Es darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass es problematisch ist, einerseits Post, SBB und Swisscom zu privatisieren und dem freien Markt auszusetzen, aber anderseits diesen Markt mit von diesen Unternehmen erwirtschafteten Mitteln zu beeinflussen. Ausserdem ist fraglich, ob es richtig ist, die öffentliche Aufgabe der Sicherstellung eines flächendeckenden Service public mit Geldern aus einer "Sonderkasse" zu erfüllen, anstatt dafür allgemeine Bundesmittel zu verwenden.
Die in letzter Zeit feststellbaren Bestrebungen, Arbeits- und Ausbildungsplätze aus den Berg- und Randregionen, insbesondere auch aus unserem Kanton, in die grossen Ballungszentren des schweizerischen Mittellandes zu verlagern, erfüllen die Regierung mit grösster Sorge. Sie ist deshalb bereit, die Initiative entgegenzunehmen und im Fall der Überweisung des Postulates durch den Grossen Rat die Standesinitiative umgehend auf dem Korrespondenzweg einzureichen.

Chur, 29. November 1999