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Session: 30.11.1999

Beim Dachverband "Schweizer Lehrerinnen und Lehrer" (LCH) wird diskutiert über neue Schulmodelle bei vier bis achtjährigen Kindern. Wie aus verschiedenen Medienberichten zu entnehmen ist, handelt es sich bei den bevorstehenden Reformen weniger um Schul-, vielmehr um gesellschaftspolitische Anliegen.

So fordert eine Petition der Arbeitsgruppe Frauen 2001: "Kinderbetreuung für alle!". Verlangt wird also in erster Linie das garantierte Betreuungsangebot für Kinder. Die Einschulung mit vier Jahren wird begleitet von Begehren wie: Blockzeiten, Mittagstisch, Tageschulen, Hausaufgabenbetreuung und Harmonisierung des Unterrichts zwischen den Kantonen.

Bei der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), wo in den letzten Jahren eine Menge von Reformpaketen geschnürt wurden, hat die Idee der frühen Einschulung und Kinderbetreuung im Dossier 48a seinen Platz gefunden.

In einem Positionspapier des LCH werden diese Gedanken wie folgt kommentiert: Der Zweck einer schulischen Kinderbetreuung mit vier Jahren ist die Entlastung der Eltern im heutigen Arbeitsprozess. Ebenso verhindert es die Isolation der Kinder und dient der rechtzeitigen Sozialisation und Bildung der Kinder. Es berücksichtigt die moderne Lebens- und Arbeitswelt, die neuen Familienstrukturen und kommt der oft fehlenden Sachkundigkeit der Eltern in Bildungsfragen entgegen. Individuelle Aufgabenbetreuung und individuelle Stütz- und Förderangebote werden Aufgabe der Lehrkräfte sein. Sozialpädagogische Betreuungsarbeit in Tagesschulen fällt den speziell für Jugendarbeit ausgebildeten Personen zu. Dies ist Betreuungs- und Animationsarbeit.

Auch eine organisatorische Weiterentwicklung der Schulen wird angestrebt, man spricht von "Teilautonomen Volksschulen". Laut LCH ist es folgerichtig, dass Lehrkräfte von der Basisstufe (4J.) bis zum Übertritt in die Sekundarstufe I gleichgestellt sind. Auch gehört die Pädagogik von Maria Montessori zum Schulsack jeder Lehrkraft dieser Stufe. Nebst der Ausbildung bringen Früheinschulung und Tagesschulangebote höhere Investitions- und Betriebskosten. Man rechnet mit 20% mehr Primarschulklassen. Das bedeutet Mehrkosten für Löhne, Schulräume und Transporte. Basisstufen erfordern eine individuelle Schülerbetreuung, das heisst eine 150% Stelle pro Klasse.

Die Regierung wird um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:
1. Ist die Regierung der Ansicht, dass die Abschaffung des Kindergartens und die Zwangseinschulung mit vier Jahren für Graubünden in absehbarer Zeit in Frage kommt?
2. Welche Position will die Regierung bei der EDK einnehmen, um die Reformgier und den massiven Einfluss der Zürcher Erziehungsdirektion auf die übrigen Ostschweizer Kantone herabzumindern?

Chur, 30. November 1999

Namen: Gartmann, Suter, Plouda, Bär, Baselgia, Beeli, Biancotti, Bühler, Capaul (Lumbrein), Capaul (Ruschein), Casanova, Cathomas, Cavegn, Crapp, Demarmels, Federspiel, Giuliani, Hassler, Joos, Maissen (Schluein), Maissen (Rabius), Möhr, Picenoni, Pitsch, Portner, Risch, Schaad, Scharplatz, Schmid (Sedrun), Schmid (Splügen), Stecher, Thöny, Tremp, Tuor, Valsecchi, Walther, Zinsli, Quinter, Castelli, Stiffler (Davos), Kasper, Rizzi, Christ, Ragettli

Session: 30.11.1999
Vorstoss: dt Interpellation

Antwort der Regierung

Eine von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) eingesetzte Studiengruppe stellt in einer Prospektivstudie (EDK-Dossier Nr. 48A) die Einführung einer Basisstufe zur Diskussion. Im Sinne dieser Studie soll die Basisstufe die Zeit vom 4. bis 8. Lebensjahr bzw. den heutigen Kindergarten und die ersten beiden Jahre der Primarschule umfassen. Das Konzept der Basisstufe leitet sich ab aus entwicklungspsychologischen Erkenntnissen sowie aus dem gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte. Einerseits möchte man damit dem unterschiedlichen Entwicklungsstand und dem individuellen Entwicklungstempo der einzelnen Kinder Rechnung tragen; andererseits wird in der Basisstufe auch eine Organisationsform gesehen, welche den heutigen Familien- und Berufssituationen besser gerecht werden kann. In einem weiteren EDK-Dossier (Nr. 57A) wird die mögliche Ausbildung der Basisstufen-Lehrkräfte skizziert.
Alle diese im Auftrag der EDK erstellten Diskussionsgrundlagen machen deutlich, dass die Frage betreffend einer allfälligen Einführung der Basisstufe nicht für sich allein gelöst werden kann, sondern eng mit dem ganzen Umfeld koordiniert werden muss. Diesbezügliche Diskussionen, welche gesamtschweizerisch angelaufen sind, werden vom Kanton Graubünden mit Interesse verfolgt.
Zu den konkreten Fragen kann folgendermassen Stellung bezogen werden:
1. Die zur Zeit im Kanton Graubünden laufende Revision der Ausbildung der Lehrkräfte konzentriert sich auf die Überführung der einzelnen Seminare in eine Pädagogische Fachhochschule. Dabei wird an der bestehenden Einteilung der Kategorien von Lehrkräften (Kindergärtnerinnen, Primarlehrkräfte, Lehrkräfte für Handarbeit und Hauswirtschaft) im Grundsatz festgehalten. In diesem Sinne wird die Pädagogische Fachhochschule Graubünden im Jahr 2003 mit der revidierten Kindergärtnerinnenausbildung beginnen. Selbstverständlich werden auch in Zukunft sowohl die kantonsinternen Erfahrungen als auch die Erfahrungen der anderen Kantone laufend ausgewertet und in Weiterentwicklungen einfliessen. Aufgrund der relativ jungen Geschichte des Bündner Kindergartenwesens sowie aufgrund der gegenwärtigen Situation der Primarschulunterstufe sieht die Regierung vorderhand keinen Anlass, anstelle des Kindergartens und der ersten zwei Jahre der Primarschule eine Basisstufe einzuführen.
2. Der Kanton Zürich plant als souveräner Kanton Versuche mit einer Basisstufe, welche die Zeit vom 4. - 7. Lebensjahr umfassen soll. Das "Zürcher Modell" geht demnach weniger weit als das in der Prospektivstudie vorgestellte Modell für eine Basisstufe. Der Kanton Graubünden unterstützt im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit nicht einzelne andere Kantone, sondern vernünftige, zukunftsgerichtete Projekte. Der Kanton Graubünden hat aber in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch verschiedentlich bei drohenden Fehlentwicklungen interveniert. Diese kritische, konstruktive Haltung in der Zusammenarbeit mit anderen Kantonen soll auch in Zukunft beibehalten werden. Reformen müssen pragmatisch und gestaffelt angegangen werden, weil eine gleichzeitige Vielzahl von Änderungen nicht tragbar wäre. In diesem Sinne hat der Kanton der EDK signalisiert, dass einer schnellen Umsetzung der Basisstufe aus Bündner Sicht keine Priorität eingeräumt wird.