Gemäss einer Nationalfonds-Studie, die im Herbst 1996 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wird jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens von ihrem Partner misshandelt; über 40% der Frauen leiden unter psychischer Gewalt. Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches lange tabuisiert wurde. Problemlösungen zielten bisher in die Richtung, dass Hilfsangebote wie Frauenhäuser und Beratungsstellen für betroffene Frauen eingerichtet wurden.
Im Kanton Graubünden existieren keine umfangreichen Statistiken über häusliche Gewalt, insbesondere wird bei Gewaltdelikten nicht unterschieden, ob diese inner- oder ausserhalb einer Partnerschaft stattgefunden haben. Die Dunkelziffer dürfte wie in anderen Kantonen erheblich sein.
In der Praxis werden Gewalt-Betroffene-Frauen immer noch mit Widerständen konfrontiert, die entmutigend sind. In der Folge wird auch nur ein geringer Teil der Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Gegenläufig zum Störerprinzip, das die Entfernung des Täters anzeigt, sind oft die Opfer gezwungen ihr soziales Umfeld zu verlassen.
In verschiedenen Kantonen laufen seit Mitte der 90er Jahre Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt. Ein Interventionsprojekt versteht sich als Einrichtung, die gemeinsam mit den involvierten Institutionen neue Vorgehensweisen bei häuslicher Gewalt erarbeitet und bei deren Umsetzung eine Koordinationsfunktion übernimmt. Hervorgegangen sind die verschiedenen Projekte aus der Einsicht, dass den Betroffenen nur dann wirksam Hilfe angeboten werden kann, wenn die verschiedenen Einrichtungen privater und staatlicher Herkunft ihre Interventionen aufeinander abstimmen und dem Problem eine gewisse Priorität einräumen. Ziel solcher Interventionsprojekte ist es, nach eingehender Überprüfung der aktuellen Handhabung praxisorientierte Handlungsweisungen zu erarbeiten und umzusetzen. Diese haben die Verbesserung des Schutzes von betroffenen Frauen und deren Kindern zum Ziel und sollen eines Eskalation der Gewalt möglichst verhindern. Der Kanton Graubünden wird eine Fachstelle für Kindesschutz einrichten. Die Prüfung präventiver Massnahmen im häuslichen Bereich ist ein weiterer notwendiger Schritt in diese Richtung. Nicht selten findet bei Gewalt gegen Kinder auch Gewalt gegen Frauen statt und umgekehrt.
Die durch Gewalt an Frauen jährlich entstehenden Kosten in der Schweiz wurden in einer 1998 veröffentlichten Studie auf 400 Millionen geschätzt. Deshalb ist es auch ökonomisch gedacht sinnvoll, vermehrt Ressourcen in die Prävention von Gewalt zu investieren.
Wir ersuchen deshalb die Regierung aus den obengenannten Gründen, für den Kanton Graubünden Massnahmen zur Prävention von Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft zu prüfen und allenfalls einem Gewaltinterventionsprojekt nach dem Vorbild anderer vergleichbarer Schweizer Kantone (LU, FR) den Weg zu bereiten.
Chur, 30. Mai 2000
Namen: Meyer, Arquint, Frigg, Bischoff, Bucher, Capaul, Cavigelli, Claus, Dermont, Giuliani, Hardegger, Jäger, Joos, Locher, Looser, Luzio, Maissen, Noi, Pfenninger, Pfiffner, Portner, Righetti, Scharplatz, Schmid (Splügen), Schmutz, Schütz, Trepp, Zarro, Zindel
Session: 31.05.2000
Vorstoss: dt Postulat