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Session: 08.12.2003
Das Bundesamt für Landwirtschaft hat entschieden, "Raclette du Valais" zur geschützten Herkunftsbezeichnung zu erklären, was es allen anderen Raclette Herstellern verunmöglicht, diesen Typ Käse unter dem Namen Raclette in der Schweiz zu verkaufen. Rund 50 Einsprachen gegen den AOC-Eintrag wurden abgewiesen. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) begründete seinen Entscheid damit, dass "Raclette" eine bereits seit 1574 dokumentierte Bezeichnung für Schmelzkäse aus dem Kanton Wallis ist.
Dieser Entscheid des BLW dürfte sich negativ auf die gesamte Schweizer Milchproduktion auswirken, da zurzeit nur 13 Prozent (1800 Tonnen) der gesamten Milchproduktion aus dem Wallis stammen. Der Entscheid trifft den Milchmarkt Schweiz auch deshalb hart, weil europäische Hersteller vom Entscheid ausgenommen sind, und ihren in der EU produzierten Schmelzkäse in der Schweiz weiterhin unter der Bezeichnung "Raclette" verkaufen können. Es bestehen deshalb berechtigte Befürchtungen, dass der Markt mit ausländischem Raclette-Käse überflutet werden könnte.
Der BLW-Entscheid dürfte auch für Graubünden Konsequenzen haben, sind doch die Raclette-Käserei in Landquart, und damit auch die gesamte Bündner Milchwirtschaft, unmittelbar vom Entscheid betroffen. Die Raclette-Käserei in Landquart, ihres Zeichens die grösste Raclette-Käserei der Schweiz, wurde nach dem Grounding der Swiss Dairy Food AG vom Emmi Milchkonzern übernommen und beschäftigt ca. 30 Mitarbeiter.
Aufgrund der Bedeutung der Raclette-Produktion für die Bündner Milchwirtschaft kann es dem Kanton Graubünden nicht gleichgültig sein, welche Konsequenzen sich aus diesem skurrilen Entscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft ergeben. Deshalb drängen sich folgende Fragen auf:

1. Wie schätzt die Regierung die Auswirkung des Entscheides auf den Käsereistandort Landquart und die Bündner Milchwirtschaft ein?

2. Ist die Regierung bereit, allenfalls in Zusammenarbeit mit dem Bündner Bauernverband und den Organisationen der Bündner Milchproduzenten beim Bundesamt für Landwirtschaft auf politischem Weg zu intervenieren?

3. Der Kanton hat sich bei der Erstellung der Käserei Landquart damals stark engagiert. Bestehen von Seiten des Kantons her vertragliche Forderungen oder Bedingungen an die Betreiber und Eigentümer der Käserei Landquart, dass am Standort Landquart Raclette produziert werden muss, oder stünde einer allfälligen Umnutzung von Seiten des Kantons nichts im Wege?

Chur, 8. Dezember 2003

Name: Farrér, Michel, Nigg, Bachmann, Bär, Barandun, Beck, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Brüesch, Bundi, Büsser, Cahannes Renggli, Capaul, Casanova (Vignogn), Cavegn-Kaiser, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Christoffel-Casty, Crapp, Demarmels, Dermont, Fallet, Federspiel, Feltscher, Geisseler, Giacometti, Hanimann, Hardegger, Hartmann (Champfér), Heinz, Hess, Jeker, Kleis-Kümin, Loepfe, Luzio, Maissen, Möhr, Parpan, Pfenninger, Pfister, Plozza, Portner, Quinter, Ratti Righetti, Rizzi, Sax, Telli, Thomann, Tomaschett, Tramèr, Tremp, Wettstein, Zanetti, Zarn, Nay, Valär, Hartmann (Chur), Gunzinger, Caviezel (Chur)

Session: 8.12.2003
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Für den Kanton Graubünden ist die Produktionsstätte der Genossenschaft Reifungslager Bündner Käse in Landquart, betrieben von der Emmi Käse AG, in zweifacher Hinsicht von grosser Bedeutung. Erstens kauft die Emmi Käse AG 20 Mio. kg der im Kanton Graubünden anfallenden Gesamtmenge von 69 Mio. kg Verkehrsmilch. Die Käserei in Landquart verarbeitet gesamthaft 32 Mio. kg Milch zu Raclettekäse. Zweitens ist die Käserei in Landquart ein wichtiger Arbeitgeber für die Region. Sie bietet saisonbedingt 25 - 30 Arbeitsplätze. Aufgrund der genannten Gründe ist diese Verarbeitungsstätte mit einer Wertschöpfung vor Ort für den Kanton sehr wertvoll.

Der Kanton Graubünden, vertreten durch die Regierung, hat gegen den Entscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) am 18. Februar 2002 Einsprache erhoben. Gegen den Einspracheentscheid des BLW vom 3. November 2003 hat die Regierung am 2. Dezember 2003 bei der Rekurskommission des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes (EVD) Beschwerde geführt. Damit hat der Kanton die zur Zeit möglichen Rechtsmittel ergriffen. Bei der Rekurskommission EVD sind im Zusammenhang mit dem „Raclette-Entscheid“ gesamthaft 43 Beschwerden eingegangen.

Gestützt auf diese Ausführungen beantwortet die Regierung die Fragen wie folgt:

1. Aufgrund der bei der Rekurskommission EVD zahlreich eingegangenen Beschwerden kann davon ausgegangen werden, dass in diesen Rechtsmittelverfahren bis im Frühsommer 2004, nebst den bereits angelaufenen Vernehmlassungsverfahren, keine weiteren Schritte erfolgen. Ein definitiver Entscheid der Rekurskommission EVD dürfte Ende des Jahres 2004 vorliegen. Sollten bis dann keine Verhandlungslösungen ausserhalb dieser Rechtsmittelverfahren vorliegen, ist anzunehmen, dass ein allfälliger Entscheid an das Bundesgericht weitergezogen wird. Ein definitiver Entscheid des Bundesgerichtes dürfte frühestens Ende des Jahres 2005 vorliegen. Sollte der Entscheid zugunsten des Walliser Milchverbandes ausfallen, gilt ab dessen Mitteilung noch eine fünfjährige Übergangsfrist. Im schlechtesten Fall kann die Bezeichnung „Raclette“ damit noch bis zum Jahr 2010 verwendet werden. Somit kann in den kommenden fünf Jahren in Landquart weiter Milch zu Raclette verarbeitet werden. Für die 20 Mio. kg Milch aus Graubünden besteht ausserdem ein Lieferrechtsvertrag bis 2012 mit der Emmi AG. Sollte ab ca. 2010 wider alle Erwartungen die Bezeichnung „Raclette“ nicht mehr verwendet werden dürfen, muss sich die Emmi Käse AG in Landquart neu orientieren. Die Regierung wird alles daran setzen, dass dieser Verarbeitungsbetrieb, der heute als Musterbetrieb im Raclettesektor und einziger Käsereibetrieb in dieser Grössenordnung in der Ostschweiz gilt, erhalten bleibt.

2. Die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz, in deren Vorstand Regierungspräsident Klaus Huber vertreten ist, erachtet die Angelegenheit für die Schweizer Landwirtschaft von solcher Tragweite, dass nach ihrer Ansicht nicht ein langwieriger Rechtsstreit entstehen, sondern rasch eine Verhandlungslösung gesucht werden soll. Ende Februar 2004 haben unter der Leitung des Bundesamtes für Landwirtschaft Delegierte des Walliser-Milchverbandes und der Raclette Suisse bereits über einen Rahmen für eine Koexistenzvereinbarung diskutiert. Die Regierung hat die notwendigen politischen Schritte in diesem Sinne unternommen.

3. Entscheidet sich die Emmi AG zur Produktion einer anderen Käsesorte oder Milchverarbeitung, steht einer solchen Umnutzung aus der Sicht des Kantons nichts im Wege.

Datum: 16. März 2004