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Session: 08.12.2003
Die im Oktober 2003 durchgeführten Nationalratswahlen bilden einen wichtigen Gradmesser über die politische Befindlichkeit der Wählerschaft. Eigentlich erst durch die alle 4 Jahre stattfindenden Eidg. Wahlen wird ein politischer Trend bestätigt. Unter anderem darf folgendes festgestellt werden:

1. Die Schweiz muss eine neuerliche Polarisierung der Wählerschaft konstatieren.

2. Jüngere Leute und Jugendliche interessieren sich immer weniger für die Politik.

Viele derjenigen jedoch, die sich dafür interessieren, sind in einem noch stärkeren Mass bereit, teilweise sehr weit auseinanderliegende Positionen einzunehmen und diese auch kämpferisch zu vertreten.
Aus diesem Grunde ist die Einbindung der Jugend in die Politik und die korrekt geführte politische Auseinandersetzung wichtige Voraussetzung, um zukünftig eine weitere Polarisierung im Sinne von Konfliktpotenzialen zu verhindern.
Im Kanton Graubünden hat sich mit der Parlamentsreform eine neue ständige Kommission gebildet, die sogenannte Strategiekommission, welche sich mit Zukunftsfragen beschäftigt. Im Grossen Rat befinden sich jedoch leider nicht sehr viele ganz junge Politiker, womit der Blick in die Zukunft einen Makel bekommt.

Aus oben gennanten Ausführungen richten die unterzeichnenden Grossrätinnen und Grossräte folgende Fragen an die Regierung

1. Teilt die Regierung die Auffassung, dass sich die Jugend zunehmend von der Politik abwendet im Gegensatz zur Notwendigkeit des politischen Dialoges?

2. Kann sich die Regierung vorstellen, in Zusammenarbeit mit der Strategiekommission, Fragen der Zukunft mit jüngeren Gruppierungen zu besprechen?

3. Wäre es für die Regierung denkbar, dass diese Gespräche über das Gefäss eines Jugendparlaments stattfinden können?

4. Ist die Regierung bereit, sich bzw. die Verwaltung innerhalb einer parlamentari-schen Grupppe für die Arbeit, den Aufbau und die Gründung eines Jugendparlamentes einzubringen?

Die Schaffung eines Jugendparlamentes könnte sich im Aufbau nach dem im Amte befindlichen Grossen Rate richten. So könnte beispielsweise eine ähnliche Vertretung aller Kreise mit allen Parteien in einer 2 Mal pro Jahr stattfindenen Session eine Zusammenarbeit mit der Strategiekommission ermöglichen.

Chur, 9. Dezember

Name: Marti, Sax, Hartmann (Chur), Arquint, Baselgia-Brunner, Berther (Sedrun), Bleiker, Bundi, Büsser, Casanova (Vignogn), Casanova (Chur), Casty, Caviezel-Sutter (Thusis), Christoffel-Casty, Crapp, Demarmels, Dermont, Donatsch, Farrér, Feltscher, Fleischhauer, Frigg-Walt, Geisseler, Hanimann, Hess, Hübscher, Jäger, Jenny, Joos-Buchli, Kessler, Kleis-Kümin, Krättli-Lori, Loepfe, Maissen, Meyer-Grass (Klosters), Michel, Parpan, Pedrini, Peyer, Pfenninger, Pfiffner, Quinter, Righetti, Rizzi, Robustelli, Schütz, Stiffler, Thomann, Trachsel, Tramèr, Tremp, Tuor, Wettstein, Zanetti, Zarn, Blumenthal, Caviezel (Chur), Comazzi, Gartmann, Hauser, Toschini, Valär

Session: 8.12.2003
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Der Rückzug ins Private entspricht einem aktuellen gesellschaftlichen Trend von Veränderungen innerhalb der Jugendphase und ist darüber hinaus in Massendemokratien, und somit auch in der Schweiz, ein verbreitetes Phänomen (vgl. Shell Jugendstudie 2000; Reichenbach R. & Oser F., Zwischen Phatos und Entwicklung. Zur Lage der politischen Bildung in der Schweiz, 2000). Ob diese Entwicklung eine Gefahr für die Demokratien darstellt, wird in der Politikwissenschaft unterschiedlich beurteilt. Für die Regierung steht aber ausser Frage, dass die Zukunft der Demokratien auch massgeblich davon abhängt, wie die nächste Generation das Politische wahrnimmt und wie sie damit umgeht. Zu den konkreten Fragen:

Zu Frage 1:
Es gilt ein differenziertes Bild zu zeichnen. Ergebnisse der Jugendforschung zeigen, dass die Distanz der Jugendlichen zur Politik als System wächst. Politik innerhalb der Institutionen des politischen Systems wird als nicht beeinflussbar, nicht gestaltbar und dem eigenen Lebensfeld nicht zugehörig wahrgenommen. Andererseits gibt es Hinweise, dass Jugendliche bereit sind, sich in der unmittelbaren Umgebung, wenn Probleme konkret und erfassbar und die Wirkungen des eigenen Handelns sichtbar werden, für Aufgaben des Gemeinwohls verantwortungsvoll einsetzen (Edelstein, in Edelstein, Oser & Schuster, Moralische Erziehung in der Schule: Entwicklungspsychologie und pädagogische Praxis, 2000). Es wäre deshalb auch problematisch, von einer allgemeinen „Politkverdrossenheit“ der Jugend zu sprechen. Der IEA-Studie (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) zu politischem Wissen, Demokratieverständnis und gesellschaftlichem Engagement von Jugendlichen im Vergleich mit 27 anderen Ländern ist zu entnehmen, dass die Schweizer Jugendlichen (15-jährige) ein überdurchschnittlich hohes Vertrauen in staatliche und politische Institutionen besitzen, wobei allerdings die politischen Parteien hinter den anderen Institutionen (Landesregierung, lokale Regierungen, Gerichte, Polizei) zurückliegen (vgl. Oser F. & Biedermann H., Jugend ohne Politik, 2003). Hingegen haben die Schweizer Jugendlichen gemäss dieser Studie weniger Partizipationserfahrung, zeigen ein niedrigeres Interesse an Politik und lassen als Erwachsene eine niedrigere Partizipation als ihre Altersgenossen in den Vergleichsländern erwarten.

Zu Frage 2:
Die Regierung würde es sehr schätzen, wenn sich jüngere Gruppierungen vermehrt und intensiver mit Zukunftsfragen befassen würden. Sie ist auch offen, wenn von dieser Seite inhaltliche Anregungen eingebracht und Anliegen formuliert werden. Den eigentlichen Dialog über die wichtigen Zukunftsfragen möchte die Regierung aber in den bereits in der Verfassung institutionalisierten Prozessen der politischen und strategischen Planung (vgl. Art. 34, 42 Abs. 2 und 46 KV) und mit den dafür vorgesehenen Planungsinstrumenten (Regierungsprogramm und Finanzplan) führen.

Zu den Fragen 2 4:
In der Schweiz gibt es eine Reihe von Jugendparlamenten auf kommunaler und kantonaler Ebene mit unterschiedlichen Trägerschaften sowie mit unterschiedlicher öffentlicher Beteiligung bzw. Unterstützung (vgl. dazu auch . Die Regierung würde es an sich begrüssen, wenn auch im Kanton Graubünden (wieder) eine solche Initiative ergriffen würde. Sie ist aber klar der Meinung, dass diese von privater Seite auszugehen hätte. Eine Beteiligung der Regierung oder der kantonalen Verwaltung bei Gründung, Aufbau oder Betrieb einer solchen Einrichtung lehnt sie aus verschiedenen Gründen ab. So ist es einmal gerade im Bereich der politischen Partizipation heikel, wenn der Staat direkten Einfluss nimmt, was der Fall wäre, wenn er sich an solchen Projekten beteiligen würde. Weiter stehen auch die zur Zeit sehr beschränkten finanziellen und personellen Ressourcen des Kantons einer solchen Beteiligung entgegen.

Datum: 16. März 2004