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Session: 17.06.2004
Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) kommt in einem Gutachten vom 24. Mai 2004 zum Schluss, dass das Vorhaben des neuen Nationalparkzentrums auf der Schlosswiese in Zernez „eine schwere Beeinträchtigung des Ortsbildes von nationaler Bedeutung und des unter Bundesschutz stehenden Schlosses“ darstelle. Dieses Gutachten bedeutet einen massiven Rückschlag für das Projekt des neuen Nationalparkzentrums, das unbestrittenermassen eine sehr wichtige Investition für den Schweizerischen Nationalpark, für die gesamte Region Südbünden und für den ganzen Kanton darstellen würde. Die Bündner Regierung hat dem Projekt zugestimmt. Ein Vertreter des kantonalen Amtes für Kultur / Abteilung Denkmalpflege war sogar in der Jury beim Architekturwettbewerb für das Projekt vertreten damit die denkmalschützerischen Anliegen berücksichtigt werden. Beinahe alle Gemeinden des Engadins haben entschieden, das Projekt finanziell zu unterstützen. Private Sponsoren haben namhafte Summen zugesichert, und die Bündner Regierung hat grünes Licht für eine finanzielle Beteiligung am Projekt gegeben. Unter diesen positiven Vorzeichen wurde in der Zwischenzeit an der Projektierung weiter gearbeitet. Bis heute ist für dieses Grossprojekt bereits eine Geldsumme in der Höhe von Fr. 770'000.-- investiert worden.

Bis vor wenigen Monaten war die Bauherrschaft nicht darüber informiert, dass es sich bei der Schlosswiese von Zernez um ein Areal handelt, das im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) registriert ist. Deshalb ist die Überraschung sowohl bei der Bauherrschaft als auch bei der Gemeinde Zernez und einem Grossteil der Bevölkerung der ganzen Region gross, dass das Projekt aufgrund des Gutachtens der ENHK nun sehr geringe Chancen hat, am vorgesehenen Standort realisiert zu werden.

In diesem Zusammenhang wird die Regierung um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Haben die kantonalen Ämter, insbesondere das Amt für Kultur / Abteilung Denkmalpflege und das Amt für Raumplanung, gewusst, dass der Projektstandort im ISOS registriert ist? Waren ihnen die Folgen resp. Probleme, die sich daraus für die Bauherrschaft ergeben könnten, bewusst?

2. Wäre es nicht auch Aufgabe des Kantons gewesen, die Bauherrschaft auf das ISOS-Inventar schriftlich und unmissverständlich aufmerksam zu machen?

3. Zu welchem Schluss kommt die Regierung, wenn sie die Interessen einerseits für den Bau des neuen Nationalparkzentrums in Zernez, andererseits für einen absoluten Schutz der Schlosswiese in Zernez gegeneinander abwägt?

4. Welche Chancen sieht die Regierung für ein allfälliges Projekt eines Nationalparkhauses an einem anderen Standort innerhalb des ISOS in Zernez? Mit welcher Unterstützung seitens des Kantons kann dabei gerechnet werden?

Chur, 17. Juni 2004

Name: Parolini

Session: 17.06.2004
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Frage 1:
Der Denkmalpflege wie auch dem Amt für Raumplanung war bekannt, dass das Dorf Zernez zusammen mit vielen anderen Dörfern des Unterengadins im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) enthalten ist. Es war den genannten Amtsstellen namentlich bewusst, dass der Projektstandort im ISOS als empfindlicher Teil des Ortsbildes mit dem Ziel "Erhaltung der Beschaffenheit als Kulturland und Freifläche" verzeichnet ist. Kenntnis des ISOS sowie der spezifischen Einstufung des Dorfes Zernez konnte und musste im Übrigen auch bei der Gemeinde Zernez vorausgesetzt werden. In den Unterlagen zu der von der Gemeinde am 4. Oktober 2002 im Hinblick auf die Realisierung des Nationalparkzentrums erlassenen Teilrevision der Ortsplanung wird das ISOS denn auch an verschiedenen Stellen als verwendete Grundlage aufgeführt. Dass der Bauherrschaft aus dem ISOS-Eintrag ernsthafte Probleme erwachsen sollten, war den involvierten kantonalen Amtsstellen allerdings ebenso wenig bewusst wie der Gemeinde und der Bauherrschaft selbst.

Frage 2:
Da das ISOS, wie erwähnt, als Grundlage für die Teilrevision der Ortsplanung verwendet worden war, haben es die kantonalen Amtsstellen als nicht zwingend erachtet, die Gemeinde und die Bauherrschaft im Rahmen des Ortsplanungsverfahrens in besonderem Masse auf das ISOS hinzuweisen. Hinzu kommt, dass das ISOS lediglich für den Bund selber verbindlich ist. Für Kantone und Gemeinden stellt es lediglich eine Grundlage für die Interessensabwägung dar. In diesem Sinne ist es allgemein Aufgabe des Kantons, die Gemeinden bei der Prüfung einer Ortsplanungsrevision auf mögliche Konflikte mit dem ISOS hinzuweisen. Aufgrund des Umstandes, dass sich Umgebungszonen mit ISOS-Erhaltungszielen rund um das Dorf Zernez ausdehnen, sowie aufgrund der kantonalen Einschätzung, dass für die Realisierung des Nationalparkbesucherzentrums in der Nähe des Schlosses ortsbild- und denkmalpflegeverträgliche Lösungen möglich sein würden und dass sich der gewählte Standort zudem aus raumplanerischen und nicht zuletzt auch aus funktionalen Gründen als geeignet erweist, bestand im vorliegenden Fall nach Ansicht der verantwortlichen Amtsstellen jedoch kein Anlass für besondere Warnungen.

Frage 3:
Die Regierung hat sich zusammen mit den ihr unterstellten Amtsstellen stets auf den Standpunkt gestellt, dass der ursprünglich vorgesehene (und mittlerweile offenbar aufgegebene) Standort neben dem Schloss in Würdigung sämtlicher Aspekte und Gesichtspunkte sowie in Anbetracht der Gestaltung des konkreten Projektes trotz des Freihalteanliegens gemäss ISOS vertretbar sei.

Frage 4:
Die Regierung erachtet die Chancen für ein Projekt an einem anderen Standort im ISOS-Bereich als intakt, und sie ist selbstverständlich bereit, die Entwicklung und Realisierung eines alternativen Projektes im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen.

Datum: 10. September 2004