Navigation

Inhaltsbereich

Session: 23.08.2004
Mit Botschaft vom 25. Mai 2004 unterbreitete die Regierung dem Grossen Rat eine Botschaft zur Teilrevision des Gesetzes über die Förderung der Krankenpflege und der Betreuung von betagten und pflegebedürftigen Personen (Krankenpflegege-setz). Das dabei vorgeschlagene neue kantonale Spitalfinanzierungssystem soll unter anderem Anreize schaffen, damit die Spitäler kostenbewusst arbeiten.

Auch das neue System bleibt allerdings dabei, dass die Trägerschaft aller Spitäler indirekt weiterhin bei den Gemeinden liegt. Vor allem im Bereich des Zentrumsspitals („Kantonsspital“) ist nicht einsichtig, weshalb 39 Gemeinden mit einer an sich relativ willkürlichen geografischen Grenzziehung für wesentliche Teile der spitalmedizinischen Versorgung des ganzen Kan-tons zuständig sein sollen. Aber auch in anderen Spitalregionen sind die Gemeinden bei der Wahrnehmung der strategischen Aufgaben oft überfordert. In der Praxis können die Delegiertenversammlungen der Gemeindeverbände jeweils die Rechnun-gen der Spitalbetriebe genehmigen. Wirklicher Handlungsspielraum besteht eigentlich nur in der Frage, wie die Restkosten verbandsintern auf die Gemeinden verteilt werden. Auch bei der neuen Struktur der Spitäler Chur AG ist wiederum für die Gemeinden keine wirklich aktive Rolle vorgesehen.

Die medizinische Technologie wird sich auch in Zukunft rasant weiterentwickeln. Die Spitalversorgung in Graubünden soll dabei weiterhin möglichst dezentral, aber auch zeitgemäss und auf hohem fachlichen und technischen Niveau erfolgen. In vielen Spezialgebieten wird der technische Fortschritt aber vermehrt eine nationale oder zumindest interkantonale Spi-talplanung notwendig machen. Es wird sich daher immer mehr als sinnvoll erweisen, wenn in Graubünden auf Seite der öf-fentlichen Hand ähnlich wie in anderen Kantonen in Zukunft das gesamte Spitalwesen ausschliesslich vom Kanton betreut wird.

Diese erwünschte Kantonalisierung des Spitalwesens (Leistungsvereinbarungen mit Kanton als Auftraggeber und Spitälern als Aufnehmende) ist in verschiedenen Varianten denkbar. Zu den klarsten Strukturen würde eine umfassende Aufgabenentflech-tung zwischen Kanton und Gemeinden führen. Möglich wäre auch ein System zur Verteilung der Kosten analog zur ge-genwärtigen Finanzierung der Berufsschulen, wo alle Gemeinden entsprechend ihrer Finanzkraft und Bevölkerungszahl an der Gesamtheit der im ganzen Kanton anfallenden Kosten beteiligt werden.

Die Regierung wird eingeladen, dem Grossen Rat im Sinne der Ausführungen dieses Auftrages Bericht und Antrag zu stellen.


Chur, 23. August 2004

Name: Bucher, Baselgia, Frigg, Jaag, Jäger, Meyer Persili, Peyer, Pfenninger, Pfiffner, Schütz, Trepp, Zindel, Caviezel (Chur), Gartmann

Session: 23.08.2004
Vorstoss: dt Auftrag


Antwort der Regierung


Dem Fraktionsauftrag liegt die Annahme zu Grunde, dass die Gemeinden praktisch über keine Möglichkeiten verfügen, um Einfluss auf die strategische Ausrichtung und die Betriebsführung eines Spitals zu nehmen. Diese Annahme ist unzutreffend. Art. 13 des Gesundheitsgesetzes erklärt die Förderung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung, wozu auch die Spitalversorgung gehört, zu einer gemeinsamen Aufgabe des Kantons und der Gemeinden. Art. 9 Abs. 3 des Krankenpflegegesetzes (KPG) legt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die Gemeinden einer Spitalregion in zweckmässiger Weise zu organisieren haben und dass ihnen dabei ein angemessenes Mitspracherecht einzuräumen ist. Das Mitspracherecht der Gemeinden kann insbesondere durch die Entsendung ausgewiesener Fachpersonen in die Organe der Spitalträgerschaften wahrgenommen werden. Zudem können die Gemeinden mit den Trägerschaften den Verteilschlüssel der nach Abzug der Leistungen der Patienten bzw. der Versicherer und des Kantons verbleibenden ungedeckten Kosten des Spitals aushandeln (vgl. Art. 19 KPG). Die Gemeinden haben es damit in der Hand, sowohl auf das Leistungsangebot als auch auf die wirtschaftliche Führung des Spitals ihrer Region Einfluss zu nehmen. Aus regionalpolitischen Gründen können sie auch zusätzliche Leistungsangebote beschliessen, die aus kantonaler Sicht zur Umsetzung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung nicht notwendig sind und entsprechend vom Kanton nicht übernommen werden.

Eine Kantonalisierung des Spitalwesens würde der Regierung gegenüber heute weitergehende Kompetenzen in die Hand geben, das Leistungsangebot der Spitäler festzulegen und Beschränkungen oder Erweiterungen des Leistungsangebotes der Spitäler selbstständig aufgrund einer kantonalen Optik durchzusetzen. Zudem könnte sie abschliessend über Investitionsentscheide befinden. Aus rein kantonaler Sicht könnte somit eine Kantonalisierung des Spitalwesens Vorteile mit sich bringen. Eine Kantonalisierung der Spitäler würde jedoch bedingen, dass diese ins Eigentum des Kantons überführt werden. Der Kanton könnte dergestalt über seine Vertreter in den Spitalorganen unmittelbar Einfluss auf die Spitalführung nehmen. Eine Kantonalisierung des Spitalwesens in dem Sinne, dass der Kanton die Trägerschaft der Regionalspitäler übernimmt, käme angesichts der angespannten Situation des kantonalen Finanzhaushaltes nur in Frage, wenn dem Kanton die Regionalspitäler unentgeltlich übertragen und zusätzliche personelle Ressourcen zur Wahrnehmung der Führung bereitgestellt werden.

Die im vorliegenden Auftrag anvisierte Kantonalisierung des Spitalwesens geht grundsätzlich davon aus, dass die rechtliche Konzeption der Trägerschaften der Spitäler keine Änderung erfahren soll. Entsprechend sollen Leistungsvereinbarungen vom Kanton als Auftraggeber mit den Spitälern als Auftragnehmern ausgehandelt werden. Diese Form der Kantonalisierung des Spitalwesens könnte dazu führen, dass Trägerschaften von Regionalspitälern zur Betriebsaufgabe gezwungen wären, wenn die Kantonsbeiträge aufgrund unwirtschaftlicher Betriebsführung zur Deckung der durch Dritte nicht übernommenen Kosten nicht ausreichen. Um dies zu verhindern, müssten die Gemeinden auch bei einer Kantonalisierung des Spitalwesens im anvisierten Sinne weiterhin als Defizitträger in die Spitalfinanzierung einbezogen werden. Dies könnte wie im Auftrag dargelegt durch die Aufteilung der nicht durch Dritte oder den Kanton übernommenen Kosten auf alle Gemeinden des Kantons erfolgen. Von der politischen Akzeptanz her ist es indessen problematisch, alle Gemeinden des Kantons zu verpflichten, aus unwirtschaftlicher Betriebsführung resultierende ungedeckte Kosten von Spitälern anderer Spitalregionen übernehmen zu müssen. Die Übernahme der entsprechenden Kosten muss deshalb weiterhin den Gemeinden der jeweiligen Spitalregion obliegen. Zudem fällt der mit dem Betrieb eines Spitals verbundene volkswirtschaftliche Nutzen auch in dieser Region an. Im Ergebnis würde sich unter diesen Vorzeichen in Bezug auf die finanzielle Beteiligung der Gemeinden an den Regionalspitälern gegenüber heute nichts ändern mit dem Unterschied, dass die Gemeinden keine Einflussmöglichkeiten mehr auf das Verhalten ihres Regionalspitals hätten.

Die heutige Regelung, wonach die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung eine gemeinsame Aufgabe des Kantons und der Gemeinden ist, hat sich bewährt. Sie ermöglicht unter der Federführung des Kantons die Anpassung der Spitalversorgung an veränderte Gegebenheiten. Die Überweisung des Auftrages hätte zur Folge, dass die Gemeinden ihrer heute vorhandenen Mitwirkungsmöglichkeiten verlustig gingen, ohne von ihren finanziellen Verpflichtungen entbunden zu werden. Die Regierung beantragt deshalb, den Auftrag abzulehnen.

Datum: 2. November 2004