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Session: 19.04.2005
Dem Kanton Graubünden könnte in wenigen Jahren ein schwerwiegender Mangel an Hausärzten blühen. Seit einigen Jahren bekunden vor allem abgelegenere Talschaften immer häufiger Mühe damit, pensionierte oder wegziehende Hausärzte zu ersetzen. In fünf bis zehn Jahren werden zahlreiche Bündner Landärzte pensioniert, und spätestens dann droht in den betroffenen Regionen ein akuter Ärztemangel. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Sie reichen von fehlenden finanziellen Anreizen (nach dem Wallis schlechtester Taxpunktwert, keine Entschädigung für den Notfalldienst u. a.) über die zu hohe Arbeitsbelastung (häufiger Pikettdienst: Landarzt rund 140 Tage pro Jahr, Stadtarzt nur rund 10 bis 14 Tage pro Jahr) bis zum grundsätzlichen gesellschaftlichen Trend (Sogwirkung der Zentren).

In der Folge kann in absehbarer Zeit die ärztliche Grundversorgung und somit auch der ärztliche Notfalldienst in den Talschaften nicht mehr oder nur ungenügend im Sinne eines Service public sichergestellt werden. Die Probleme daraus sind vorprogrammiert. Zudem wird auch die Attraktivität der abgelegenen Talschaften für die ständigen Einwohnerinnen und Einwohner aber auch für die Feriengäste abnehmen. Feriendestinationen ohne einen gut funktionierenden Notfalldienst erleiden einen Imageschaden.

Auf den 1 Januar 2000 ist die Vereinbarung zwischen dem Kanton Graubünden, vertreten durch das Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement, und dem Bündner Ärzteverein betreffend Sicherstellung des ärztlichen Notfalldienstes im Kanton Graubünden in Kraft getreten. In der Ziffer 6 der Vereinbarung wird festgehalten, dass verschiedene Punkte, wie Pikettdienstentschädigung, Inkonvenienzentschädigung für die Notfallärzte in Regionen mit geringer Notfallarztdotation, Zusammenarbeit zwischen den Notfallärzten und den Regionenspitälern etc. in der Vereinbarung nicht abgehandelt wurden. Die Vertragsparteien erklärten sich im Jahre 2000 bereit, nach Abschluss dieser Vereinbarung Verhandlungen über die offenen Punkte aufzunehmen mit dem Ziel einer entsprechenden Anpassung der Vereinbarung. Bis heute sind diese Pendenzen jedoch immer noch nicht erledigt.

In diesem Zusammenhang ersuchen wir die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:

1. Ist heute die ärztliche Grundversorgung in allen Talschaften im Kanton Graubünden noch sicher gestellt?

2. Wie soll die ärztliche Grundversorgung in den Talschaften im Kanton Graubünden in Zukunft sichergestellt werden bzw. welche Möglichkeiten sieht die Regierung, eine drohende Unterversorgung zu verhindern?

3. Wie soll in Zukunft der flächendeckende ärztliche Notfalldienst sichergestellt werden?

4. Wann wird die Pikettdienstentschädigung bzw. die Inkonvenienzentschädigung in den Regionen mit geringerer Notfallarztdichte geregelt?

Chur, 19. April 2005

Name: Quinter, Tramèr, Hardegger, Beck, Berther (Sedrun), Büsser, Cahannes, Casanova (Vignogn), Cavegn, Cavigelli, Christ, Christoffel, Crapp, Dermont, Donatsch, Farrér, Fasani, Fleischhauer, Hübscher, Jaag, Jäger, Jeker, Keller, Kessler, Kleis-Kümin, Krättli-Lori, Lemm, Luzio, Märchy-Michel, Meyer Persili (Chur), Parpan, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pfiffner, Pfister, Plozza, Portner, Righetti, Schütz, Stiffler, Stoffel, Tomaschett, Tremp, Trepp, Wettstein, Zanetti, Zanolari, Zarn, Zegg, Zindel, Bezzola, Buchli, Campell, Caviezel (Chur), Florin-Caluori, Foffa, Gubelmann, Hartmann (Chur), Nay, Zehnder

Session: 19.04.2005
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

In den bevölkerungsreichen Regionen des Kantons ist die ärztliche Grundversorgung wie auch der ärztliche Notfalldienst sichergestellt. Anders sieht die Situation in den Randregionen und insbesondere in den Regionen, in denen nur ein Arzt die Versorgung der ganzen Talschaft übernimmt, aus. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Problematik, dass sich nicht ausreichend Schweizer Ärztinnen und Ärzte finden lassen, die bereit wären, in den abgelegenen Talschaften eine Arztpraxis zu übernehmen oder zu eröffnen, nicht neu ist.

Interessenten geben für den Verzicht auf die Übernahme einer Talarztpraxis insbesondere die zu hohe Präsenzzeit in der Praxis, den "geringen" Verdienst, die fehlenden Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die langen Distanzen in die Zentren wie Zürich oder St. Gallen, das fehlende Kulturangebot, die fehlende Bereitschaft der Lebenspartnerin bzw. des Lebenspartners, in den Bergen zu wohnen, und den hohen Übernahmepreis der bestehenden Arztpraxen an.

Für die Tatsache, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte als Grundversorger tätig sind, gibt es mehrere Gründe. So absolvieren aufgrund der Einführung des Numerus clausus im Jahre 1998 weniger Personen ein Medizinstudium. Auch verbleiben Ärztinnen und Ärzte immer häufiger über die vorgeschriebene Weiterbildungstätigkeit hinaus in den Spitälern. Der Facharzttitel "Allgemeinmedizin" wird immer weniger erworben. Die Ärztinnen und Ärzte ziehen es vor, einen spezialisierten Facharzttitel zu erwerben. Schliesslich übernehmen vor allem Frauen häufig lediglich ein Teilzeitpensum.

Beantwortung der Fragen

1. Der Bevölkerung des Kantons Graubünden steht nach wie vor eine ausreichende Grundversorgung zur Verfügung. Zwischenzeitlich ist es gelungen, auch die Arztpraxen in Mesocco, Splügen, St. Peter und Tiefencastel wieder zu besetzen. Festzustellen ist, dass in abgelegenen Talschaften oft ausländische Ärztinnen und Ärzte beim Departement um eine Bewilligung nachsuchen.

2. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über das Gesundheitswesen des Kantons Graubünden obliegt die örtliche öffentliche Gesundheitspflege und damit die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölkerung den Gemeinden. Die Gemeinden lösen diese Aufgaben in aller Regel im Rahmen einer Gemeindeverbindung.
Der Kanton kann als Beitrag zur Lösung der Problematik die Ausgestaltung des ärztlichen Notfalldienstes überprüfen und im Rahmen der Anwendung des Zulassungsstopps teilzeitliche Zulassungen erteilen. Die Ärzteschaft, der Bund und die Universitäten sind gefordert, die Ausbildung zum Allgemeinmediziner bzw. dessen Tätigkeitsgebiet und Perspektiven attraktiver zu gestalten, so dass sich die künftigen Studienabgänger vermehrt für diese Tätigkeit interessieren. Diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die sich in den Ruhestand begeben wollen, müssen ihre Erwartungen hinsichtlich des sich aus dem Praxisverkauf zu erzielenden Erlöses zwangsläufig reduzieren. Der Bund ist zudem gefordert, den Zulassungsstopp so rasch als möglich aufzuheben, damit in Bezug auf die Übernahme bzw. Neueröffnung einer Arztpraxis wieder ein freierer Markt spielen kann. Gleichzeitig müssen die Versicherer bereit sein, den Ärztinnen und Ärzten in der Peripherie - im Vergleich zu heute und zu den städtischen Agglomerationen - einen höheren Taxpunktwert auszurichten, damit diese Tätigkeit attraktiver wird.

3. Ein flächendeckender ärztlicher Notfalldienst durch frei praktizierende Ärzte ist aus Sicht der Regierung zwar wünschenswert, aber nicht die einzige mögliche Lösungsvariante. Denkbar wäre auch eine Übernahme dieser Aufgabe durch die Regionalspitäler und die im Spital tätigen Ärzte. In vielen abgelegenen Spitalregionen ist dies heute schon der Fall. In den Spitalregionen Val Müstair, Poschiavo, Bergell und Oberhalbstein wird die Grund- wie auch die Notfallversorgung heute weitestgehend durch die am Spital tätigen Ärzte sichergestellt. Zu prüfen wäre auch, ob vor Ort nicht vermehrt solche Leistungen im Sinne einer Triage auch durch eine Pflegefachfrau vorgenommen werden können.

4. Da im Rahmen der Struktur- und Leistungsüberprüfung zur Sanierung des Kantonshaushaltes mit Volksbeschluss vom 30. November 2003 die Beiträge des Kantons an Arztwartgelder und an Arzthäuser gestrichen wurden, ist es Sache der Gemeinden, Pikettdienstentschädigungen oder Wartgelder in Regionen mit geringer Notfallarztdichte auszurichten. Vor Ort kann auch am besten entschieden werden, wie der ärztliche Notfalldienst beziehungsweise die medizinische Versorgung adäquat sichergestellt werden kann.

Datum: 6. Juli 200