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Session: 26.04.2006
Die Wohnsitznahrne der Frau F.B. in S-chanf hat schweizweit Schlagzeilen gemacht. Eine italienische Frau, anscheinend aus einfachsten Verhältnissen, nimmt Wohnsitz in S-chanf und lässt das Engadinerhaus luxuriös ausbauen. Aufgrund des Abkommens vom 1.6.2002 mit der EU können Rentner/innen aus einem EU-Mitgliedstaat eine erleichterte B-Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn bestimmte Bedingungen (wie etwa der Wohnsitz, die finanzielle Lage u.a.) erfüllt sind. Solche Fälle fallen demnach nicht unter die Bestimmungen über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer. Es erhebt sich der Verdacht, dass diese Praxis auch zur Umgehung des erwähnten Gesetzes benutzt werden kann. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wie ernsthaft und umfassend schon im Bewilligungsverfahren die Fremdenpolizei und die Steuerverwaltung mögliche Umgehungen abklärt.

Wir fragen die Regierung:

1. Zum Wohnsitz

1. 1. Gemäss ZGB darf keine Person an zwei Orten ihren ständigen Wohnsitz haben. Wird in Fällen wie demjenigen der Frau F.B. vom Kanton bei der Wohnsitzgenehmigung überprüft, ob die Abmeldung vom bisherigen Wohnsitz vorliegt?

1.2. Ist es überhaupt erlaubt, in einer Bündner Gemeinde Wohnsitz zu nehmen, ohne sich dort physisch aufzuhalten, etwa mit der Zusicherung, man werde 1 oder 2 Jahre später dort das tun?

1.3. In welcher Art übt der Kanton die Kontrolle aus, besonders in Fällen, wo die ständige Wohnsitznahme - etwa durch Rentner/innen aus dem EU-Raum - zur Umgehung der gegenwärtig in Kraft stehenden Lex Koller missbraucht werden könnte?

2. Zur finanziellen Lage

2. 1. Wurden im Fall F.B. die finanziellen Verhältnisse überprüft, und konnte man seitens des Kantons ausschliessen, dass es sich bei den getätigten Finanztransaktionen in die Schweiz um illegal getätigte Geschäfte handelte?

2.2. Kann die Regierung zumindest darüber Auskunft geben, ob im Fall F.B. von der Möglichkeit einer „Pauschalbesteuerung“ gemäss Steuerharmonisierungsgesetz Gebrauch gemacht wurde?

2.3. Wie ist die Entwicklung der Pauschalbesteuerten im Kanton GR in den letzten 5 Jahren verlaufen?

3. Allgemein
Der durch die Medien bekannt gewordene Fall F.B. hat die Schwierigkeiten im Umgang mit komplexen Geschäftspraktiken im Grundstückhandel mit Ausländern aufgezeigt.

3. 1. Welche Massnahmen gedenkt die Regierung zu ergreifen, um aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht erst im Nachhinein, etwa aufgrund von Medienberichten oder Anzeigen, sondern schon im Bewilligungsverfahren Umgehungen der Lex Koller zu verhindern?

3.2. Welche Massnahmen gedenkt die Regierung zu ergreifen, um die oft überforderten Gemeinden an die ihnen auferlegten Pflichten zu erinnern und dafür zu sorgen, dass diesen auch nachgelebt wird?

Chur, 24. April 2006

Name: Arquint, Bucher-Brini, Caviezel (Chur), Baselgia, Frigg, Jäger, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner, Schütz, Trepp, Zindel, Brasser

Session: 26.04.2006
Vorstoss: dt Anfrage



Antwort der Regierung

Das Personenfreizügigkeitsrecht gewährt Angehörigen von EG/EFTA-Staaten ein Aufenthaltsrecht und statuiert eine Gleichstellung mit Inländern in Bezug auf einen Grundstückerwerb, sofern der Hauptwohnsitz in die Schweiz verlegt wird. Bei der Zu-lassung ist damit eine Abkehr vom bisherigen System vorgenommen worden, indem neu die Bewilligungserteilung die Regel ist. Mit der Annahme des Personenfreizügig-keits-abkommens durch das Volk sind auch die entsprechenden Folgen zu akzeptie-ren.

1.1 Der Kanton hat bei einem Zuzug aus dem Ausland faktisch keine Möglichkeiten, Abmeldebestätigungen ausländischer Wohnsitzgemeinden einzuholen oder die Ab-meldung im Ausland zu überprüfen. Zudem gibt es Rechtsordnungen, die Mehrfach-wohnsitze kennen.

1.2 Die Wohnsitznahme in einer Bündner oder anderen Schweizer Gemeinde zieht die gesetzliche Verpflichtung nach sich, sich bei der Gemeinde anzumelden. Ein tat-sächlicher Aufenthalt verbunden mit zeitlichen Vorgaben ist nicht vorgeschrieben.

1.3 Seit dem 1. Juni 2002 gelten Angehörige der EG/EFTA-Staaten mit tatsächli-chem und rechtlichem Wohnsitz in der Schweiz nicht mehr als Personen im Ausland und unterstehen somit nicht der Lex Koller. Sie unterliegen beim Grundstückerwerb weder einer besonderen Kontrolle noch sieht das Bundesrecht ein spezielles Bewilli-gungsverfahren vor.

2.1 Sofern genügende finanzielle Mittel Voraussetzung zur Bewilligungserteilung bilden, werden die finanziellen Verhältnisse durch das Amt für Polizeiwesen und Zi-vilrecht überprüft. Bei nichterwerbstätigen Staatsangehörigen der EG/EFTA darf nur überprüft werden, ob diese Personen über genügend finanzielle Mittel zur Bestrei-tung der Lebenshaltungskosten verfügen. Das Amt für Polizeiwesen (APZ) prüfte im konkreten Fall, wie in allen anderen Fällen, das Vorhandensein der Mittel. Die Über-prüfung der Rechtmässigkeit einzelner Finanztransaktionen obliegt allein den Straf-verfolgungsbehörden.

2.2 Nach Art. 122 Steuergesetz haben die Steuerbehörden über die bei ihrer amtli-chen Tätigkeit gemachten Wahrnehmungen strengstes Stillschweigen zu wahren. Auskünfte an Dritte erfordern das Einverständnis des Steuerpflichtigen. Diese Vorga-ben erlauben keine Antwort auf die Frage, ob eine Besteuerung nach Art. 14 StG vereinbart wurde.

2.3 In den letzten Jahren ist der Bestand pauschalbesteuerter Ausländerinnen und Ausländer nahezu identisch geblieben (2000: 226 Personen; 2005: 232 Personen).

3.1 Angehörige aus EG/EFTA-Staaten mit Wohnsitz in der Schweiz unterliegen kei-ner Bewilligungspflicht nach der Lex Koller. Gemäss Wegleitung des Bundes ist das Grundbuchamt - wie im vorliegenden Fall - verpflichtet, ein Rechtsgeschäft direkt, also ohne Verweisung an die Bewilligungsbehörde, in das Hauptbuch einzutragen, wenn der Erwerber eine Aufenthaltsbewilligung und eine Wohnsitzbescheinigung ei-ner Schweizer Gemeinde vorlegt. Da für den Grundstückerwerb aufgrund des Frei-zügigkeitsabkommens nicht eine Hauptwohnsitznahme im Kanton, sondern nur in der Schweiz erforderlich ist, würden Massnahmen der Regierung - wie beispielswei-se ein besonderes, gesetzlich nicht vorgesehenes Bewilligungsverfahren im Kanton Graubünden - keine Wirkung erzielen. Solche Massnahmen könnten sogar zur Folge haben, dass sich diese Personen nicht mehr in einer Bündner Gemeinde anmelden und damit auch nicht mehr hier unbeschränkt steuerpflichtig würden.

3.2 Der Regierung ist nicht bekannt, dass die Gemeinden im vorliegenden Bereich überfordert wären oder gesetzliche Pflichten verletzen würden. Sie stellen Wohnsitz-bescheinigungen aus, wenn die Person in der Gemeinde angemeldet ist und ihren Verpflichtungen - insbesondere der Steuerpflicht - nachkommt. Eine ständige Über-prüfung des tatsächlichen Aufenthalts ist für die Gemeinden nicht möglich und eine alleinige Kontrolle von ausländischen Personen wäre aufgrund des Gleichbehand-lungsgrundsatzes staatsvertragswidrig. Zudem kann eine Person sich immer wieder von Neuem in einer Gemeinde anmelden, wenn sie die Absicht der Wohnsitznahme geltend macht. Folglich sind aufgrund der geltenden Rechtslage auf kantonaler Ebe-ne keine Massnahmen zu treffen.

Datum: 27. Juni 2006