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Session: 26.04.2006
Verschiedenste Vorkommnisse in den letzten Jahren sowohl in der ganzen Schweiz als auch bei uns in Graubünden zeugen nach Ansicht der SP Fraktion von zunehmender Härte, Kälte und Unverständnis gegenüber berechtigten Anliegen von Men-schen, die bei uns Zuflucht vor Verfolgung, oder auch Arbeit suchen. Davon gibt es leider mehrere Zeugnisse, die von Un-achtsamkeit über verbale rassistische Äusserungen bis hin zu tätlichen Angriffen reichen.

Weiter ist festzustellen, dass der Kanton Graubünden Nothilfe für PNEE immer wieder verweigert, verzögert, entzieht oder an unsinnige Bedingungen bindet. Dies, obwohl die Kantone durch Bundesgerichtsentscheid zu bedingungsloser Gewährung des absoluten Existenzminimums verpflichtet sind. Das so genannte "Solidaritätsnetz Ostschweiz" hat sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Menschen, die in Graubünden erstmals um Nothilfe ersuchen, auf Wunsch von freiwillig arbeitenden Personen begleiten zu lassen.

Nach Informationen, die der SP Fraktion vorliegen, wurde offenbar am 31. Oktober 2005 eine bei der Fremdenpolizei Chur um Nothilfe ersuchende Person auf der Stelle und in Anwesenheit ihres Begleiters verhaftet. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich offenbar am 04. April 2006, ebenfalls im Büro der Fremdenpolizei. Dabei wurde eine Person, die sich freiwillig und ebenfalls in Begleitung eines Helfers meldete, um Nothilfe zu beantragen und um eine menschenwürdige Lösung für die Aus-reise zu finden, ebenfalls auf der Stelle in Ausschaffungshaft genommen. Diese Person befindet sich seitdem im Hungerstreik im Ausschaffungsgefängnis Sennhof.

Ein solches Vorgehen der zuständigen Behörden diskreditiert die HelferInnen auf krasseste Art und Weise. Mit gutem Recht könnten Asylsuchende meinen, dass sie von den diesen direkt an die Behörden ausgeliefert wurden. Damit wird eine auf Vertrauen basierende Beratung behördlich untergraben.

Die unterzeichnenden Mitglieder der SP-Fraktion ersuchen die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Wie stellt sich die Regierung zu diesem Vorfällen?

2. Ist die Regierung bereit, Menschen mit Nichteintretensentscheid (NEE), die sich freiwillig melden, die Garantie ab-zugeben, dass ihnen bei entsprechender Mitwirkung auch bei der Suche nach einer menschenwürdigen Ausreisemöglichkeit geholfen wird, sie bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht in Haft genommen werden?

3. Ist die Regierung bereit, die wertvolle Arbeit der im Asylbereich arbeitenden Menschen zu respektieren und sie in Zukunft nicht mehr durch solche Vorfälle zu diskreditieren?

Chur, 24. April 2006

Name: Trepp, Peyer, Pfiffner, Arquint, Baselgia, Bucher-Brini, Frigg, Jaag, Jäger, Meyer Persili (Chur), Noi, Pfenninger, Schütz, Zindel, Brasser, Caviezel (Chur)

Session: 26.04.2006
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Mit den im Rahmen des Entlastungsprogrammes 2003 (EP 03) vorgenommen Revisionen des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) und des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20; in Kraft seit dem 1. April 2004) werden Personen aus dem Asylbereich mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid (NEE) von der Asylfürsorge ausgeschlossen und als sich illegal in der Schweiz aufhaltende Ausländer dem ANAG unterstellt. Asylsuchende mit rechtskräftigem NEE haben die Schweiz unverzüglich zu verlassen. Für die Vorbereitung und Organisation der Rückkehr ins Heimatland stehen ihnen Rückkehrberatungsstellen zur Verfügung. Voraussetzung für die Unterstützung sind die Rückkehrbereitschaft und die Offenlegung der Identität. Personen, die von diesem Angebot keinen Gebrauch machen, werden mit der Auflage, die Schweiz zu verlassen, aus der Empfangsstelle weggewiesen. Werden diese Personen anschliessend aufgegriffen oder sprechen sie bei einer Ausländerbehörde vor, überprüft diese, wie bei allen illegal anwesenden Ausländerinnen und Ausländern, die Möglichkeiten des zwangsweisen Wegweisungsvollzuges. Sind diese gegeben und die Voraussetzungen für die Anordnung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG erfüllt, wird die Haft angeordnet.

1. Bei den im Vorstoss erwähnten Einzelfällen handelt es sich um Personen, welche der ihnen auferlegten Pflicht zur freiwilligen Ausreise keine Folge leisteten. Da beide Personen von der Rückkehrberatung keinen Gebrauch machten und auch sonst keine Gründe vorbrachten, welche sie an der pflichtgemässen Ausreise hinderten, wurden die beiden Personen in Ausschaffungshaft genommen. Das Vorgehen des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht ist gesetzeskonform und nicht zu beanstanden. Diese Dienststelle ist zum Vollzug des Asylrechts zuständig (Art. 46 Abs. 1 AsylG; Art. 3 der Vollziehungsverordnung zur Ausländer- und Asylgesetzgebung des Bundes; BR 618.100) und auch verpflichtet.

2. Entscheidend ist der Zeitpunkt, der den Asylsuchenden für das Verlassen der Schweiz angesetzt wird. Bis zum Ablauf der Ausreisefrist wird der abgewiesenen Person Rückkehrberatung und -hilfe angeboten. Nutzt der Asylbewerber die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise innerhalb der gesetzten Ausreisefrist nicht, so muss er als Folge seines illegalen Aufenthaltes damit rechnen, in Ausschaffungshaft genommen und zwangsweise in sein Heimatland zurückgeführt zu werden. Gemäss Bundesgesetz ist das APZ zuständige Behörde, um eine Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft anzuordnen. Die Regierung ist nicht zuständig und aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben auch nicht bereit, mit Personen, deren Ausreisefrist unbenutzt verstrichen ist, über die Ausreisemodalitäten zu verhandeln und sie bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise in Freiheit zu belassen. Sie kann deshalb auch keine entsprechenden Zusicherungen abgeben.

3. Im Asylverfahren verrichten zahlreiche Privatpersonen und Organisationen ehrenamtlich wertvolle humanitäre Arbeit. Die Regierung weiss dieses Engagement zu schätzen und zu würdigen. Die Wertschätzung dieser Arbeit findet jedoch am offenkundigen Missbrauch des Asylverfahrens ihre Grenzen. Es kann nach Auffassung der Regierung nicht angehen, dass Personen, welche ihrer Ausreisepflicht mutwillig keine Folge leisten, sich in den Schutz karitativ tätiger Personen oder Organisationen begeben, um sich vor dem zwangsweisen Vollzug ihres Asylentscheides zu schützen. Deshalb ist die Durchsetzung des geltenden Rechts keineswegs mit einer Diskreditierung humanitärer Bemühungen gleichzusetzen.

Datum: 3. Juli 2006