Navigation

Inhaltsbereich

Session: 14.06.2006
Exporte von Lebensmitteln sind heute und in Zukunft noch vermehrt eine Grundlage unserer Schweizer Landwirtschaft. Damit dieser Absatzkanal, insbesondere im Bereich Milch und Fleisch, nach wie vor in die EU jederzeit garantiert werden kann, musste das eidgenössische Lebensmittelrecht angepasst werden. Dieses hat unter Anderem seine Auswirkungen auf die Durchführung der Fleischschau, weil neu zwingend eine Schlachttieruntersuchung (STU) am lebenden Tier zusätzlich durchgeführt werden muss. Dieser Mehraufwand führt unweigerlich zu erheblichen Mehrkosten.

Die Unterzeichneten Grossräten stellen in diesem Zusammenhang folgende Fragen:

1. Wie erfolgt die Umsetzung des neuen Lebensmittelrechts im Kanton Graubünden

2. Welche Auswirkungen hat diese Umsetzung auf die Organisation des öffentlichen Veterinärdienstes?

3. Wie hoch sind die entstehenden Mehrkosten zu veranschlagen und wer hat sie zu tragen?

4. Wird die spezielle Situation des Kantons Graubünden im Bezug auf Geographie und Strukturen (viele kleinere Schlachtbetriebe) berücksichtigt

Chur, 14. Juni 2006

Name: Caviezel (Pitasch), Stiffler, Farrér, Barandun, Capaul, Donatsch, Hanimann, Hartmann (Champfèr), Heinz, Joos, Michel, Perl, Pfister, Ratti, Rizzi, Stoffel, Telli

Session: 14.06.2006
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Am 1. Januar 2006 sind im Zuge der Umsetzung des neuen EU-Lebensmittel- bzw. Hygienerechts zahlreiche revidierte Bestimmungen in verschiedenen Verordnungen des Bundesrates sowie des Eidgenössischen Departements des Innern und des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in Kraft getreten. Für deren Vollzug im Kanton ist das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) zuständig. Im Bereich der Lebensmittelsicherheit sieht das neue Recht unter anderem vor, dass sich alle Lebensmittel verarbeitenden Betriebe beim ALT zur Registrierung und Erfassung melden müssen. Ferner bedürfen gewisse Betriebe, die Lebensmittel tierischer Herkunft herstellen, verarbeiten, behandeln, lagern oder abgeben einer Bewilligung des ALT; für die Erteilung der Bewilligung muss das ALT eine Inspektion an Ort und Stelle durchführen. Schliesslich hat das ALT aufgrund der neuen Verpflichtungen zur Rückverfolgung von Lebensmitteln und zur schriftlichen Dokumentation der Selbstkontrolle die Rückverfolgbarkeit und die Selbstkontrolle der Lebensmittel produzierenden und verarbeitenden Betriebe sowie aufgrund der Reorganisation der milchwirtschaftlichen Kontrollen (ab 01.01.2007) das Verarbeiten von Milch, Herstellen von Milchprodukten und Inverkehrbringen von Milchprodukten zu überwachen. Im Bereich der Tiergesundheit und des Veterinärwesens ist als wichtigste, infolge des neuen Rechts wahrzunehmende Aufgabe die Schlachttieruntersuchung zu nennen, wonach zur bisherigen Fleischkontrolle jedes Schlachttier lebend vor der Schlachtung von einem amtlichen Tierarzt zu untersuchen ist. Des Weiteren ist bei Schweine- und Pferdeschlachtungen eine Trichinella-Untersuchung durchzuführen. Grössere Fleischzerlegebetriebe müssen zudem künftig von Amtstierärzten kontrolliert werden (risikobasierte Inprozesskontrollen). Schliesslich sind vom ALT infolge der Neuorganisation der milchwirtschaftlichen Kontrollen (ab 01.01.2007) die Tierhaltungen auf die Einhaltung der Hygienevorschriften zu überwachen, während ein amtlicher Tierarzt den Gesundheitszustand der Tiere zu kontrollieren hat (Kontrolle der Primärproduktion).
Gestützt auf diese Ausführungen beantwortet die Regierung die Fragen wie folgt:

Frage 1
Die neuen Aufgaben im Bereich der Lebensmittelsicherheit, welche einen massiven administrativen Mehraufwand und eine beträchtliche Erhöhung der Kontrolltätigkeit durch die Lebensmittelkontrolleure zur Folge haben, werden von der Abteilung Lebensmittelsicherheit mit demselben Personalbestand bewältigt. Dies sollte durch Definition administrativer Standardabläufe und Erarbeitung eines elektronischen Datenmanagements möglich sein. Demgegenüber sind die hinzugekommenen Aufgaben im Bereich der Tiergesundheit und des Veterinärwesens, insbesondere die Schlachttieruntersuchung und die Kontrollen in der Primärproduktion, nur mit einer vermehrten amtstierärztlichen Tätigkeit zu bewältigen, wofür das entsprechende bisherige Personal nicht ausreichen dürfte.

Frage 2
Zurzeit ist der öffentliche Veterinärdienst als Milizsystem organisiert. Das ALT erteilt den 15 nebenamtlichen Amtstierärzten, den 25 nebenamtlichen Kontrolltierärzten und den Fleischkontrolleuren je nach Bedarf Aufträge. Dieses Milizsystem wird bei der Bewältigung der neuen, zunehmend anspruchsvolleren Aufgaben und bei der Umsetzung des neuen Lebensmittelrechts an seine Grenzen stossen, auch aufgrund der Einführung neuer Arbeitsinstrumente. Zudem ist damit die vom Lebensmittelrecht geforderte Unabhängigkeit der Kontrollpersonen gefährdet. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Ausbildung der Amtstierärzte aufgrund der höheren Regelungsdichte und der erwarteten hohen praktischen und theoretischen fachtechnischen Kompetenz in zahlreichen Gebieten stark gestiegen. Folglich ist der öffentliche Veterinärdienst neu zu organisieren, wobei ein angepasstes Milizsystem oder ein kombiniertes System mit teilweise hauptamtlich angestellten und nebenamtlichen Amtstierärzten im Sinne von Varianten zu prüfen sein wird.

Frage 3
Im Bereich Lebensmittelsicherheit ist aufgrund der neuen Aufgaben mit einem Mehraufwand von ca. Fr. 95'000.-- zu rechnen. Diese zusätzlichen Kosten können gemäss Gesetz nicht mittels Gebühren auf die Betriebe abgewälzt werden.
Im Bereich des Veterinärwesens ist infolge der neu durchzuführenden Schlachttieruntersuchung mit Kosten von ca. Fr. 380'000.-- zu rechnen, wenn bei der Neuorganisation des Veterinärdienstes die Variante des angepassten Milizsystems gewählt würde. Mit der Variante des kombinierten Systems ist von einem geringeren Aufwand von ca. Fr. 250'000.-- auszugehen. Bei voller Ausnützung der Gebühren kann mit zusätzlichen Einnahmen von ca. Fr. 80'000.-- gerechnet werden. Die nicht abzuwälzenden Beträge von ca. Fr. 300'000.-- bzw. Fr. 170'000.-- sind vom Kanton zu tragen.
Bei den risikobasierten Inprozesskontrollen und bei den Kontrollen in der Primärproduktion ist mit einem Mehraufwand von insgesamt ca. Fr. 300'000.-- zu rechnen, der nicht durch Gebühren den Verursachern überbunden werden kann und somit vom Kanton zu tragen ist.
Insgesamt sind für den Kanton im Zusammenhang mit der Umsetzung des neuen Lebensmittelrechts Mehrkosten von ca. Fr. 565'000.-- bzw. Fr. 695'000.-- zu erwarten.

Frage 4
Das neue Lebensmittelrecht lässt für spezielle Gebietssituationen einerseits Raum im Bereich der Trichinella-Untersuchungen. Darauf könnte in Schlachtbetrieben mit geringer Kapazität allenfalls verzichtet werden. Solches Fleisch darf allerdings nicht in den EU-Raum gelangen und muss betreffend Verarbeitung und Verkauf genau dokumentiert werden. Andrerseits sind Ausnahmen im Bereich der amtlichen Aufgaben vorgesehen, wonach anstatt Amtstierärzte auch praktizierende Tierärzte verschiedene Aufgaben wahrnehmen können, sofern es die Situation erfordert und gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Die Spielräume werden vom ALT voll ausgenutzt, solange dabei die Lebensmittelsicherheit und die Exportmöglichkeiten in den EU-Raum nicht gefährdet werden.

Datum: 28. August 2006