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Session: 18.10.2006
1. Gesetz über die kantonale Pensionskasse Graubünden (PKG), BR 170.450

Im Artikel 14 sieht das auf 1. Januar 2006 in Kraft gesetzte, revidierte Gesetz über die kantonale Pensionskasse Graubünden (PKG), dass überlebende Lebenspartner dem verwitweten Ehegatten gleichgestellt sind, wenn die Voraussetzungen gemäss Lit. a - d kumulativ erfüllt sind.

Die Partnerrente beträgt 75 Prozent der Ehegattenrente. Hinterlassenenleistungen anderer Sozialversicherungen und Unterhaltsleistungen aus Scheidungsverfahren werden angerechnet.

Diese Regelung, welche den MitarbeiterInnen des Kantons als fortschrittlich und entgegenkommend angepriesen wurde, verdient diese Prädikate bei näherer Betrachtungsweise keineswegs - vielmehr ist das Gegenteil der Fall.

2. Bundesrechtlicher Regelungsspielraum

Artikel 20a des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) gibt den Versicherungsträgern unter dem Titel "Weitere begünstigte Personen", Lit. a -c, weitere Möglichkeiten, für eine Hinterlassenenleistung.

Ein Vergleich der bundesrechtlichen Regelung mit Artikel 14 des kantonalen Pensionskassengesetzes zeigt nun, dass die kantonale Gesetzgebung den Spielraum, welche das Bundesrecht gibt, keinesfalls im Sinne der kantonalen Angestellten genutzt hat. Die bundesrechtliche Regelung verlangt, dass eine anspruchsberechtigte Person:
- entweder vom Versicherten in erheblichem Masse unterstützt worden ist
- oder mit diesem in den letzten 5 Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat
- oder für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen musste.

Demgegenüber verlangt die kantonale Regelung, dass nebst der schriftlichen Erklärung der gegenseitigen Unterstützung kumulativ die Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Haushalt in den letzten 5 Jahren vor dem Tod ununterbrochen bestanden hat und der überlebende Lebenspartner vom Verstorbenen in erheblichem Mass unterstützt wurde. Selbst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt werden, erhält der überlebende Partner lediglich 75% der Ehegattenrente.

Diese Rentenreduktion ist möglicherweise bundesrechtswidrig, da der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit einer Rentenreduktion nicht vorsieht.

3. Zusammenfassende Überlegungen
a) Gemäss dem geltenden BVG haben Pensionskassen die Möglichkeiten, Reglemente zu erlassen, welche Versicherte berechtigen, für den Fall ihres Ablebens über die Verwendung ihres Vorsorgekapitals zu verfügen. Begünstigt werden können insbesondere:
- Personen, welche vom Versicherten in erheblichem Masse unterstützt worden sind
- Konkubinatspartner, die mit dem Versicherten in den letzten 5 Jahren bis zum Tode ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt haben
- Beim Fehlen von unterstützten Personen oder Konkubinatspartnern können ohne weitere Voraussetzungen Eltern oder Geschwister begünstigt werden
- Letztlich können sogar die übrigen gesetzlichen Erben im Umfang der einbezahlten Beträge resp. im Umfang von 50% des Vorsorgekapitals begünstigt werden.

Von den erwähnten Begünstigungsmöglichkeiten lässt das kantonale Pensionskassengesetz lediglich unter stark erschwerten Bedingungen die Begünstigung von Konkubinatspartnern zu (kumulativ: 5-jährige ununterbrochene Lebensgemeinschaft vor dem Tod und finanzielle Unterstützung in erheblichem Masse).

Die Begünstigung von Nicht-Lebenspartnern, welche in erheblichem Masse finanziell unterstützt wurden, sieht das kantonale Pensionskassenreglement nicht vor. Ebenso wenig ist die Begünstigung von gesetzlichen Erben möglich.

b) Mit der geltenden Regelung der kantonalen Pensionskasse werden gut 40% der kantonalen Angestellten resp. deren Konkubinatspartner und Angehörige im Falle des vorzeitigen Ablebens der Versicherten erheblich benachteiligt. Je nach Anstellungsdauer leisten sie mehrere 100'000 Franken ihres Erwerbseinkommens an die kantonale Pensionskasse, ohne dass ihnen nahe stehende Personen, welche sie zu Lebzeiten in erheblichem Masse unterstützt haben oder ihre Konkubinatspartner in den Genuss des Sparkapitals gelangen könnten.

4. Auftrag für eine Besserstellung der nicht verheirateten kantonalen MitarbeiterInnen

Zur Gleichbehandlung von Konkubinatspaaren mit Ehepartnern ist Art. 20a Abs. 1 Lit. a BVG wörtlich ins kantonale Pensionskassengesetz zu übernehmen. Die uneingeschränkte Übernahme dieser Bestimmung stellt zudem sicher, dass allein stehende Versicherte, welche verwandte oder nicht verwandte Personen zu Lebzeiten in erheblichem Masse unterstützt haben, diese Unterstützung auch für den Fall ihres Ablebens im Erwerbsalter sicherstellen können.

Chur, 18. Oktober 2006

Name: Gartmann-Albin, Peyer, Pfenninger, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Jaag, Menge, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Locher Benguerel

Session: 18.10.2006
Vorstoss: dt Auftrag


Antwort der Regierung

Die Kantonale Pensionskasse Graubünden (KPG) bietet nicht nur den kantonalen Mitarbeitenden (wie im Auftragstitel beschrieben), sondern auch Mitarbeitenden von 291 weiteren Arbeitgebenden und deren Hinterlassenen Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod und Invalidität.

Die KPG basiert auf dem Versicherungsprinzip. Demgemäss bildet sie eine Solidargemeinschaft von „Versicherungsnehmern“, die einen Beitrag in einen Pool einzahlen und im Schadenfall aus dem Pool eine Zuwendung erhalten. Die Solidarität hat eine grosse Bedeutung. Sie besteht in der KPG zwischen Versicherten, welche weniger lang leben und solchen, die länger leben, zwischen Erwerbstätigen und Invaliden, zwischen Nichtverheirateten und Verheirateten, zwischen Versicherten mit Kindern und solchen ohne Kinder.

Die Bedingungen der KPG zum Bezug der Hinterlassenenleistungen decken sich weitgehend mit denjenigen des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Art. 19 und 20 BVG). In der KPG ist die Alterslimite für die Anspruchsberechtigung einer Ehegattenrente indessen wesentlich vorteilhafter. In der KPG wird die Erfüllung des 40., im BVG die Erfüllung des 45. Altersjahres verlangt.

Art. 20a BVG hat den Kreis der Begünstigten von Hinterlassenenleistungen erweitert. Danach können Vorsorgeeinrichtungen in ihren Reglementen neben den vorerwähnten Anspruchsberechtigten weitere begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen vorsehen. Die KPG hat mit der Einführung der Lebenspartnerrente auf den 1. Januar 2006 von der Erweiterung des Begünstigtenkreises Gebrauch gemacht. Die Anspruchsberechtigung für Hinterlassenenleistungen wurde damit gegenüber der früheren Regelung deutlich ausgebaut.

Praktisch sämtliche Vorsorgeeinrichtungen (VSE), welche eine Lebenspartnerrente eingeführt haben, kennen eine Kumulation von Anspruchsbedingungen. Sie stützen sich wie die KPG weitgehend auf die bundesgerichtliche Definition des Konkubinates ab. Die KPG hat im Zusammenhang mit dem vorliegenden Auftrag einen Marktvergleich durchgeführt. Die Umfrage bei 25 VSE (21 VSE von Kantonen und Städten und 4 grosse privatrechtliche VSE) hat ergeben, dass 12 VSE eine Lebenspartnerrente kennen, während 13 VSE keine Rentenleistungen an nicht registrierte Lebenspartner ausrichten. Die 12 VSE machen die Anspruchsbedingungen für die Lebenspartnerrente von verschiedenen Bedingungen abhängig, welche alle kumulativ zu erfüllen sind: Bei sämtlichen befragten VSE müssen beide Partner unverheiratet sein und es darf zwischen ihnen keine Verwandtschaft bestehen. Die Lebensgemeinschaft muss in den letzten fünf Jahren vor dem Tod ununterbrochen bestanden haben. Ferner wird eine erhebliche Unterstützungspflicht verlangt. Einige VSE kennen noch zusätzliche Kriterien. 9 der 12 VSE verlangen zu Lebzeiten eine schriftliche „Konkubinatsbestätigung“, in der die gegenseitige Unterstützung zum Ausdruck gebracht wird. In der Regel gilt das Kriterium der massgeblichen wirtschaftlichen Unterstützung als erfüllt, wenn die bezeichnete Person durch den Lebenspartner wesentlich unterstützt wird und der Wegfall dieser Unterstützung durch den Tod des Lebenspartners eine empfindliche finanzielle Einbusse für den überlebenden Partner darstellt.

Während die Hinterlassenenleistungen an den Lebenspartner bzw. an die Lebenspartnerin in den meisten Vorsorgeeinrichtungen den Hinterlassenenleistungen an den Ehepartner entsprechen, berücksichtigt die KPG bei ihrer Lösung die Leistungen der 1. Säule. Die Altersrenten der AHV werden für Ehepaare bekanntlich plafoniert. Die Summe der beiden Einzelrenten darf nicht grösser sein als 150% der Maximalrente, was zurzeit Fr. 3'225.- im Monat entspricht. Wird dieser Höchstbetrag überschritten, werden die beiden Einzelrenten entsprechend gekürzt. AHV-Renten unverheirateter Partner werden nicht plafoniert. Beide Partner haben Anspruch auf ungekürzte Renten, beispielsweise auf zwei Maximalrenten von Fr. 2'150.-- oder zusammen Fr. 4'300.--. Verheiratete Ehepaare sollen nun in der Kumulation der Leistungen der 1. und der 2. Säule nicht schlechter gestellt sein als unverheiratete, im Konkubinat lebende Partner. In der KPG wurde daher die Lebenspartnerrente auf 75 % der Ehegattenrente festgelegt. Mit der so geregelten Lebenspartnerrente verfügt die KPG über eine fortschrittliche überobligatorische Regelung.

Die KPG befindet sich nach der erfolgten Ausfinanzierung in einer finanziellen Konsolidierungsphase. Neben der jährlichen Aufstockung des Deckungskapitals der Rentner und der über 55-jährigen aktiven Versicherten um 0.5 % infolge der steigenden Lebenserwartung muss der Aufbau der Wertschwankungsreserven primäres Ziel der KPG sein. Leistungsverbesserungen zulasten der Kasse sind erst möglich, wenn die KPG über freie Mittel verfügt. Die Bildung freier Mittel ist erst nach dem Aufbau der Wertschwankungsreserven von 15 % möglich. Sind freie Mittel vorhanden, hat eine höhere Verzinsung der Sparguthaben der aktiven Versicherten erste Priorität. Mit einer erhöhten Verzinsung der Sparguthaben ist letztlich allen aktiven Versicherten gedient.

Eine Ausdehnung des Kreises von Leistungsberechtigten würde zudem zu höheren Kosten für Arbeitgebende und Arbeitnehmende führen. Höhere Kosten im Bereich der beruflichen Vorsorge sind jedoch den Arbeitgebenden (in erster Linie Kanton und Gemeinden) und den Arbeitnehmenden nicht zuzumuten. Angesichts der bereits heute guten, marktfähigen Pensionskassenlösung des Kantons ist ein weiterer Leistungsausbau nach Ansicht der Regierung deshalb nicht vorzusehen.

Aufgrund dieser Darlegungen beantragt die Regierung, den Auftrag abzulehnen.

Datum: 22. Dezember 2006