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Session: 05.12.2006
Das Kiga fordert in einer Weisung für Mitarbeiter/innen im AVIG Vollzug, dass bei Krankheit immer, das heisst vom ersten Tag an, ein Arztzeugnis vorzuweisen ist. Fehlt ein solches, wird das Taggeld für die entsprechenden Tage durch die Arbeitslosenkasse nicht ausbezahlt.

Demgegenüber hält das SECO-Kreisschreiben „über die Arbeitsmarktlichen Massnahmen“ (Januar 2006) unter Punkt A37 fest: „… Auf ein Arztzeugnis darf verzichtet werden, wenn die Arbeitsverhinderung nicht länger als drei Tage gedauert hat. Ab dem vierten Tag ist in jedem Fall ein Arztzeugnis erforderlich. Bestehen berechtigte Zweifel an der Arbeitsverhinderung der versicherten Person, so kann als Ausnahme ein Arztzeugnis schon ab dem ersten Tag verlangt werden.“

Auch in der wirtschaftlichen Praxis wird bei Krankheit vom Arbeitgeber in der Regel erst ab dem 3. Tag ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis von einem Arzt verlangt. Der Landesgesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe beispielsweise verpflichtet die Mitarbeitenden bei Arbeitsverhinderung gar erst ab dem 4. Tag ein ärztliches Zeugnis vorzulegen.

Wenn jetzt für jede auch nur halbtägige Absenz ein Arztzeugnis verlangt wird, produziert das KIGA einerseits einen beachtlichen Verwaltungsaufwand und anderseits unverhältnismässig hohe und unnütze Arztkosten. Ohne Konsultation und Untersuchung kann kein Arzt eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen.
Die meisten Absenzen sind nur von kurzer Dauer und benötigen keine oder nur wenige medizinische Behandlungen.

Sicher ist diese Massnahme für die Ärzteschaft Umsatz fördernd, sie zeugt aber auch von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber Arbeitslosen. Diese werden, falls sonst gesund und nicht in ständiger ärztlicher Behandlung, weiter benachteiligt. Sie müssen die Arztkosten, bei einer Konsultation wegen einer kurzen Grippe, bis zur gewählten Franchise (mindestens 300 Franken), selbst bezahlen.

Zu den Fragen:

1. Wie begründet das KIGA sein Abweichen von der SECO-Richtlinie und wie erklärt es seine sehr enge, gesamtwirtschaftlich teure und administrativ aufwendige Regelung?

2. In der Regel werden bei jenen Arbeitslosen krankheitsbedingte Absenzen sichtbar, die aktiv an einer Massnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilnehmen. Wer nicht an einer Massnahme teilnimmt, wird und kann üblicherweise kaum kontrolliert werden. Wie gewährleistet das KIGA die Rechtsgleichheit der Betroffenen?

3. Ist die Regierung bereit die neue Regelung zu evaluieren, nochmals zu überdenken und allenfalls zur Lösung gemäss SECO-Kreisschreiben zurückzukehren?

Chur, 5. Dezember 2006

Name: Trepp, Peyer, Pfiffner-Bearth, Bachmann, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Meyer Persili (Chur), Pfenninger, Thomann, Thöny, Wettstein, Grendelmeier, Locher

Session: 05.12.2006
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

1. Es trifft zu, dass das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) von versicherten Stellensuchenden, welche an Praktika, Bildungs- oder Beschäftigungsmassnahmen teilnehmen, bereits ab dem ersten Tag der Krankheitsabsenz ein Arztzeugnis verlangt. Eine entsprechende Praxis gilt auch in Fällen, in denen Versicherte ihr Nichterscheinen am Informationstag oder an Beratungsgesprächen mit Krankheit entschuldigen. Diese gegenüber den seco Weisungen strengere Praxis beruht auf der Erfahrung, dass eine Vielzahl von Absenzen bei arbeitsmarktlichen Massnahmen und Nichterscheinen an Informationsveranstaltungen und Beratungsgesprächen mit Krankheit begründet wird. Mit dem konsequenten Vollzug dieser strengeren Praxis konnten die Krankheitsabsenzen im Rahmen der arbeitsmarktlichen Massnahmen sowie der Informationsveranstaltungen und Beratungsgespräche gemessen an der Zahl der Absenztage um rund 70% reduziert werden.

Gemäss Auskunft des Rechtsdienstes des seco liegt es im Ermessen der kantonalen Vollzugsbehörden, hinsichtlich des Erfordernisses eines Arztzeugnisses eine von den seco Weisungen abweichende, restriktivere Regelung zu handhaben. Demzufolge ist die Praxis des KIGA keinesfalls rechtswidrig.

Eine Umfrage zeigt, dass auch andere Ostschweizer Kantone von den seco Weisungen abweichen. So verlangt der Kanton Thurgau das Arztzeugnis ab dem zweiten Krankheitstag. Andere Kantone halten sich bei einer ersten Krankheitsabsenz an die Weisungen des seco. Bei weiteren Krankheitsabsenzen wird das Arztzeugnis ab dem ersten Krankheitstag verlangt.

2. Die Tatsache der unterschiedlichen faktischen Kontrollmöglichkeit hat nichts mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung zu tun. Es liegt auf der Hand, dass die Absenz eines arbeitlosen Kursteilnehmers sofort auffällt, während dem die nichtdeklarierte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitslosen, welcher zu Hause im Bett liegt, kaum bemerkt wird.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird aber auch aus einem weiteren Grunde nicht tangiert. Im Gegensatz zu Arbeitslosen, die ihr monatliches Arbeitslosengeld erhalten, verursachen Stellensuchende, welche an arbeitsmarktlichen Massnahmen teilnehmen, zusätzlich zum Taggeld weitere Kosten. Im vergangenen Jahr wurden in Graubünden für 4'563 Personen, welche an arbeitsmarktlichen Massnahmen teilgenommen haben, zusätzlich zum Taggeld 8.3 Millionen Franken aufgewendet. Im Durchschnitt ergeben sich demnach zusätzliche Kosten von Fr. 1'820.-- pro Person, welche an einer arbeitsmarktlichen Massnahme teilnimmt. Angesichts dieser doch beträchtlichen Aufwendungen für Bildungs-, Beschäftigungs- und Integrationsmassnahmen ist es durchaus gerechtfertigt, die Teilnehmer dieser Massnahmen und Arbeitslose, für welche diese zusätzlichen Kosten nicht anfallen, unterschiedlich zu behandeln.

3. Ziel dieser, gemessen an den Weisungen des seco strengeren Praxis ist es nicht, die betroffenen Stellensuchenden zu schikanieren, sondern die zur Verfügung stehenden Mittel möglichst nutzbringend einzusetzen. Angesichts dieser Zielsetzung und der nachweislichen Verbesserung der Teilnahmedisziplin erachtet es die Regierung als sachgerecht und sinnvoll, an der zur Diskussion stehenden Praxis festzuhalten.

Datum: 6. Februar 2007