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Session: 06.12.2006
Fälle von Schülerinnen und Schülern, die wiederholt gegen die grundlegenden Regeln des Schulbetriebs verstossen, sind heute an vielen Schule bekannt. Verstösse, wie:

- Verletzung der Integrität der Mitschülerinnen und Mitschüler oder von weiteren Personen des schulischen Umfelds
- permanente Verweigerung von Aufträgen und Anweisungen
- häufiges Fernbleiben vom Unterricht und Schulverweigerung
- starke Beeinträchtigung des Unterrichts und der Schulführung durch Störung der Schülerin oder des Schülers

verunmöglichen vielerorts den Schulbetrieb in ganzen Klassen oder vergiften das Klima an ganzen Schulen nachhaltig. Viele Schulen stehen heute solchen Vorkommnissen aus pädagogischer, aber auch finanzieller Sicht ohnmächtig gegenüber.

Die Installation von Time-Out-Klassen wäre ein wirksames Mittel gegen solch unhaltbare Zustände. Nach der Zuweisung von Schülerinnen und Schülern mit erheblichen Schwierigkeiten im Bereich der Selbst- und Sozialkompetenz an Time-Out-Klassen erfolgt in den allermeisten Fällen eine Beruhigung der lernhinderlichen Situation. In einer grossen Zahl der Fälle gelingt nach einer solchen sonderpädagogischen Fördermassnahme auch die Reintegration in die Regelklasse. Die Einrichtung von Time-Out-Klassen in vielen Kantonen und bei vielen Schulträgerschaften (in Graubünden z. B. in Chur und in der Konzeptphase in der Region Fünf Dörfer/Bündner Herrschaft) zeigt überdies eindrücklich, dass das Bedürfnis nach einem solchen Angebot sehr gross ist.

Auch die Regierung ist sich schon längere Zeit der Bedeutung der Problematik bewusst. Im Oktober 1999 publizierte sie durch das Amt für besondere Schulbereiche die "Anregungen zum Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten in Schule und Kindergarten".

Viele Gemeinden und Kantone haben erkannt, dass eine solche präventive Fördermassnahme eine bedeutende Investition in die Zukunft vieler junger Menschen bedeutet. Auch sehen sie, dass die erwähnten Time-Out-Klassen eine kostengünstige Alternative zu anderen ähnlich gelagerten Institutionen darstellen.
Die aufgezeigten Realitäten zwingen viele Schulträgerschaften zu handeln. Wir sind der Meinung, dass die Regierung die Schulträgerschaften in ihrem Handeln unterstützen soll, damit nicht nur aktive und finanzstarke Gemeinden und Regionen dieses dringend notwendige Angebot schaffen können.
Deshalb laden wir die Regierung ein:

a. Richtlinien für Time-Out-Klassen zu erlassen

b. die gesetzlichen Grundlagen für die Schaffung von Time-Out-Klassen zu erlassen

c. durch eine angemessene Subventionierung die grossen Zusatzaufwändungen der Schulträgerschaften abzufedern.

Chur, 6. Dezember 2006

Name: Niederer, Meyer-Grass (Klosters), Mani-Heldstab, Arquint, Augustin, Baselgia-Brunner, Berni, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Blumenthal, Brandenburger, Brüesch, Butzerin, Caduff, Cahannes Renggli, Candinas, Casutt, Cavigelli, Christoffel-Casty, Clavadetscher, Conrad, Dermont, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Geisseler, Hanimann, Hardegger, Jäger, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Kunz, Loepfe, Märchy-Michel, Menge, Mengotti, Möhr, Parpan, Peer, Peyer, Pfäffli, Pfiffner-Bearth, Pfister, Portner, Sax, Stiffler, Tenchio, Thurner-Steier, Trepp, Troncana-Sauer, Grendelmeier, Gunzinger, Locher Benguerel, Rischatsch

Session: 06.12.2006
Vorstoss: dt Auftrag


Antwort der Regierung

Gemäss Artikel 26 Absatz 2 des Schulgesetzes werden „zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Schulschwierigkeiten (…) in der Primar-, Real- und der Sekundarschule geeignete Massnahmen getroffen.“ Disziplinarische Schwierigkeiten und Motivationskrisen gehören zur schulischen Laufbahn einiger Jugendlichen. Bleiben solche Schwierigkeiten bezüglich Qualität, Quantität und zeitlicher Dauer innerhalb eines begrenzten Rahmens, sind sie Bestandteil des „normalen“ Schulalltags und lassen sich mit den üblichen Hilfestellungen (Schulleitung, Schulrat, Schulpsychologischer Dienst etc.) meistern. Überschreiten aber die Verhaltensauffälligkeiten einzelner Schülerinnen und Schüler ein gewisses Mass, indem sie den Unterricht und das Unterrichtsklima dauernd belasten und das Lernen in einer Klasse stark beeinträchtigen oder gar verunmöglichen, so werden sie wie im Auftrag ausgeführt innerhalb einer Klasse untragbar. In diesem Fall haben Schulen die Möglichkeit, für diese Schülerinnen und Schüler eine Lösung ausserhalb der Klasse oder des Schulhauses zu suchen. Neben der Sonderschulung kommt die Einweisung der Betroffenen in eine so genannte „Time-Out-Klasse“ in Betracht.

Eine „Time-Out-Klasse“ (im Sinne der im Auftrag erwähnten Time-Out-Klasse Chur) wird als gemischte Regelklasse der Sekundarstufe I geführt. Ihr können somit Schülerinnen und Schüler der Realschule, der Sekundarschule sowie der Kleinklassen-Oberstufe zugewiesen werden. Voraussetzung für die Bewilligung einer „Time-Out-Klasse“ durch das Amt für Volksschule und Sport ist ein entsprechendes Konzept der Schulträgerschaft. „Time-Out-Klassen“ werden im Rahmen der pauschalierten Lehrpersonenbesoldung als Realklassen subventioniert. Der Unterricht erfolgt in Kleingruppen. Der Stoffplan basiert auf der Stundentafel der Sekundarstufe I und richtet sich in Absprache mit der Lehrperson der Stammklasse nach den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

Die Zuweisung in eine „Time-Out-Klasse“ ist vorübergehend und einmalig. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler behalten ihren Platz in ihrer Stammklasse. Das Ziel ist deren Wiedereingliederung in die Stammklasse. In der „Time-Out-Klasse“ erhalten die betroffenen Jugendlichen die Gelegenheit, ihre Handlungen, ihre Haltungen sowie ihre Rolle in der Gruppe und in der Gesellschaft zu überdenken. Das „Klassen-Time-Out“ bedeutet auch für die Stammklasse und deren Lehrpersonen eine Chance. Es bietet Gelegenheit zur Verarbeitung von Geschehenem und zur Vorbereitung eines Neuanfanges. Schülerinnen und Schülern, welche die Chance einer „Time-Out-Klasse“ nicht nutzen, droht die Zuweisung zu einer Sonderschule und im Extremfall - ein temporärer Schulausschluss gemäss Art. 14 des Schulgesetzes.

Zu den drei konkreten im Auftrag enthaltenen Anliegen lässt sich aus heutiger Sicht folgendermassen Stellung nehmen:
Zu a und b): Im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) ist im Amt für Volksschule und Sport zurzeit ein „Sonderpädagogisches Konzept Graubünden“ in Erarbeitung. In dieser stark auf Integration ausgerichteten Grundlage sind u. a. auch die Fragen betreffend „Time-Out-Klassen“ und „Schulsozialarbeit“ angesprochen. Grundüberlegungen dazu werden im Zusammenhang mit der Umsetzung des Entwicklungsschwerpunktes „Integration“ in die Revisionen der Schulgesetzgebung einfliessen und voraussichtlich auch in entsprechenden Richtlinien aufgearbeitet.
Zu c): Um eine Stigmatisierung besonders schwieriger Schülerinnen und Schüler als „Träger/innen von Spezialsubventionen“ zu vermeiden, soll geprüft werden, ob und in welcher Form sich die diesbezüglichen Zusatzaufwändungen der Schulträgerschaften weiterhin durch die pauschalierte Lehrpersonenbesoldung auffangen lassen.

Die Regierung ist bereit, den Auftrag im Sinne dieser Erwägungen entgegenzunehmen.

Datum: 9. Februar 2007