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Session: 14.02.2007
Während rund fünf Jahrhunderten bildeten die Kreise (ehem. Gerichtsgemeinden) die zentralen Gebietskörperschaften des bündnerischen Staatswesens. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts blieben die Kreise die bedeutendsten Verwaltungseinheiten des Landes. Noch heute identifizieren sich die Bündnerinnen und Bündner mit „ihrem“ Kreis.

Die jüngste Entwicklung der Kreise ist geprägt von einem sukzessiven Kompetenz- und Aufgabenabbau: Mit der Gerichtsreform I und der Totalrevision der Kantonsverfassung sind die Kreisgerichte abgeschafft und den Kreisen Kompetenzen entzogen worden. Abgeschafft wurde damit per 31. Dezember 2008 auch die Steuerhoheit der Kreise, die deshalb inskünftig über die Gemeinden finanziert werden müssen. Durch Einführung des Ordnungsbussenverfahrens bei Jagdvergehen wurden die Kreise einer weiteren Einnahmequelle beraubt. Mit der jüngsten Raumplanungsreform wurde das private Baueinspracheverfahren vor dem Kreispräsidenten im wesentlichen aufgehoben. Die schweizweite Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts wird nochmals eine massive Reduktion der Kompetenzen mit sich bringen, insbesondere mit Einführung des sog. Staatsanwaltschaftsmodells, womit voraussichtlich durch Wegfall eines grossen Anteils an Bussgelder auch einschneidende finanzielle Einbussen für viele Kreise einhergehen werden. Die Abschaffung der Landesgemeinden in vielen Kreisen und die Verlängerung der Legislaturperiode auf vier Jahre haben dem Kreis nochmals eine wichtige Identifikationsbasis entzogen. Nach dem Zustandekommen der Initiative „80 Grossräte sind genug“ ist auch ungewiss, wie lange die Kreise noch als Wahlkreise bestehen können.

Die Unterzeichneten sind im Lichte der oben skizzierten Entwicklung der Auffassung, dass die Kreise auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe in Graubünden erfüllen und die dezentrale Struktur unseres Staatswesens bilden sollen.

Die Regierung wird daher ersucht, eine Auslegeordnung der inskünftig im Kanton durch die Gebietskörperschaften gemäss Kantonsverfassung zu erfüllenden Aufgaben vorzunehmen. Dabei soll auf Kreisbasis und in Anlehnung an die historische kommunale Ordnung, ein auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse zugeschnittenes konkretes Modell ausgearbeitet werden. Dieses soll insbesondere auch unter Einbezug des Verbandes der Bündner Kreispräsidenten auch einen Entwicklungsplan mit einem Zeitrahmen beinhalten, der die Aufgabenübertragung auf die einzelnen staatlichen Ebenen vorsieht.

Chur, 14. Februar 2007

Name: Rathgeb, Tuor, Augustin, Bachmann, Berni, Berther (Sedrun), Bezzola (Samedan), Bezzola (Zernez), Bondolfi, Brüesch, Bundi, Caduff, Candinas (Rabius), Casparis-Nigg, Casty, Casutt Renatus (Falera), Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Claus, Clavadetscher, Darms-Landolt, Fasani, Felix, Feltscher, Hanimann, Hardegger, Hartmann (Chur), Hartmann (Champfèr), Jenny, Keller, Kessler, Koch, Kollegger, Krättli-Lori, Kunz (Chur), Marti, Mengotti, Meyer-Grass (Klosters), Michel, Nick, Niederer, Noi-Togni, Parolini, Peer, Perl, Pfäffli, Pfister Plozza, Portner, Quinter, Ragettli, Righetti, Rizzi, Sax, Thurner-Steier, Toschini, Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wettstein, Brunold, Candinas (Disentis), Casutt-Derungs Silvia (Falera), Degiacomi, Hauser, Kunz (Fläsch), Märchy (Domat/Ems), Wasescha

Session: 14.02.2007
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Die Entwicklung der Kreise in Bezug auf ihren Aufgaben- und Kompetenzbereich rechtfertigt zweifellos eine eingehende Auseinandersetzung mit deren Zukunftsperspektiven.

In den letzten Jahren haben die Kreise eine Vielzahl von Aufgaben und Kompetenzen verloren. Es ist daher angebracht, in Zusammenhang mit der geplanten Reorganisation der Aufgabenzuteilung und der Überprüfung der territorialen Strukturen auch zu prüfen, ob und inwieweit sich der Kreis zur Erfüllung dezentral wahrzunehmender Aufgaben eignet. Das mit dem Auftrag Rathgeb zum Ausdruck gebrachte Grundanliegen steht denn auch in Einklang mit dem Entwicklungsschwerpunkt (ES) 23 des Regierungsprogramms 2005-2008. Nach der Revision des Gemeindegesetzes und der Finanzausgleichsgesetzgebung (FAG l) im Dezember 2005 und nach der Umsetzung der NFA auf Kantonsebene folgt als weitere Umsetzungsmassnahme des ES 23 das Projekt „Neuregelung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung in Graubünden“ (FAG II). Eine Auslegeordnung der Aufgabenerfüllung ist eine Grundvoraussetzung für die Bearbeitung der sechs Instrumente des Projekts: Ressourcenausgleich, Lastenausgleich, Aufgabenentflechtungen, Neue Zusammenarbeitsformen bei Verbundaufgaben, Innerkantonale Zusammenarbeit und Förderung von Gemeindezusammenschlüssen.

Die künftige Aufgabenteilung und die daraus abgeleiteten Folgen für die verschiedenen Gebietskörperschaften können erst im Verlaufe der Projektarbeit konkretisiert werden. Die Regierung ist gewillt, bereits bei der Konzeption der Instrumente dem Anliegen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Auftrags Rathgeb gebührend Rechnung zu tragen. Entsprechend soll die Prüfung der „Kreis-Sicht“ aber auch der „Regionen-Sicht“ als weitere strategische Vorgabe in die Projektarbeit einfliessen. Unter dem Titel „neue Zusammenarbeitsformen bei Verbundaufgaben“ können im Hinblick auf die Erteilung von Leistungsaufträgen durchaus Vorgaben bezüglich Perimeter (Mindestgrösse) bzw. der Form der überkommunalen Zusammenarbeit gemacht werden. Bei der Ausgestaltung neuer Zusammenarbeitsformen, aber auch bei der Weiterentwicklung der interkommunalen Zusammenarbeit besteht Gestaltungsspielraum für die Ebene Kreis. Die Neuregelung der Aufgabenorganisation und der Zusammenarbeitsformen wird auch Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung der Gemeindereform auf der Basis eines modifizierten Kreismodells liefern.

Nach dem Zeitplan für das Projekt FAG II soll der Vernehmlassungsbericht im ersten Quartal 2008 vorliegen. Dieser Bericht wird die im Auftrag Rathgeb und auch im Postulat Cavigelli (Oktobersession 2002) geforderte Auslegeordnung enthalten. Im Verlauf der Projektarbeit werden sich auch aufgrund der neuen Aufgabenteilung Gestaltungsmöglichkeiten für den Kreis heraus kristallisieren. Diese sollen ebenfalls im Vernehmlassungsbericht oder in einem ergänzenden Bericht modellartig aufgezeigt werden.

Ein Entwicklungsplan für die Übertragung der Aufgaben auf die verschiedenen Ebenen wird eine der Massnahmen zur Umsetzung des FAG II bilden. Der Verband der Bündner Kreispräsidenten wird in die Vernehmlassung rechzeitig einbezogen.

Die Regierung ist bereit, den Auftrag im Sinne dieser Ausführungen entgegenzunehmen.

Datum: 30. April 2007